Ein Gespräch über das zurückliegende DSTNCMP24 und einen sich abzeichnenden Generationenwechsel auf der touristischen Entscheider-Ebene, den länderübergreifenden Ansatz moderner Denkräume, und die eben erschienene WERKSCHAU, die erstmals eine Entscheidungsmatrix zum Thema Vertrieb auf DMO-Ebene bietet.
Ende August ist die neue WERKSCHAU als Rückblick auf das DSTNCMP24 erschienen: Was hat das diesjährige DSTNCMP für dich geprägt?
Es war dieses Jahr eine besondere Stimmung. Mit Blick auf den See konnten wir über die Tage live verfolgen, wie die neue Bühne der Bregenzer Festspiele auf dem Wasser fertiggestellt wurde. Dieser Prozess des Werdens und Gestaltens hat positiv in die Sessions hineingewirkt. Auch, dass wir alle wieder zentral in einer Location gewesen sind, hat viele gute Begegnungen und Gespräche spontan entstehen lassen. Vom Teilnehmerfeld her war auffällig, dass diesmal noch mehr junge Nachwuchskräfte dabei waren. Wir erreichen also mit dem DSTNCMP über die Jahre nicht mehr nur die Geschäftsführerebene, sondern immer mehr auch viele sehr engagierte, neugierige und motivierte Touristiker, die dann in ein paar Jahren bereit sind, selbst Verantwortung zu übernehmen. Junge Menschen, die aber heute schon viel wissen, neue Fragen stellen und durch Offenheit und Interesse einen sehr produktiven Spirit erzeugen. Wir sind stolz, dass sich das DestinationCamp, auch durch die wechselnden Orte, von einem wichtigen Branchentreff zum produktiven Denkraum weiterentwickelt hat.
Welche Tracks und Themen waren besonders gut besucht von den Teilnehmern – und warum?
Dieses Jahr ist es uns gelungen, die Auslastung der Räume deutlich gleichmäßiger zu verteilen, was für die Themenplanung spricht. Wobei es jetzt auch niemand verwunderte, dass der Themenstrang KI natürlich erwartbar viel Interesse produzierte. Auch der Themenstrang zur Nachhaltigkeit war wieder gut besucht. Hier hatte ich sogar das Gefühl, dass es inzwischen zum guten Ton gehört, sich auf jeden Fall mindestens in einer Nachhaltigkeits-Session blicken zu lassen (lacht). Stärker besetzt als ich es persönlich erwartet hätte, war der Strang zur Gemeinwohl-Ökonomie. Die konkrete Anwendung in touristischen Unternehmen ist zwar für viele noch nicht so richtig greifbar, aber für viele junge Köpfe ist das Thema doch sehr spannend. Eindruck hinterlassen haben die Innovations-Sessions mit Eric Horster, der diesmal unter anderem mit der Methode Lego Serious Play einen Nerv getroffen hat. Durch diese spielerisch-kreative Komponente sind viele aus sich herausgegangen, von denen man es vorher vielleicht nicht so erwartet hätte.
Im vergangenen Jahr war der Track zur Mobilität nicht so gut besucht, war das dieses Mal anders?
Ja, die Sessions dazu waren sehr gut besucht, was sicher auch an der thematischen Ausrichtung lag. Ging es im letzten Jahr stark um die Verkehrsinfrastruktur, stand dieses Jahr die touristische Perspektive im Vordergrund. Dadurch kam es zu einem besseren Erfahrungsaustausch, insbesondere deshalb, weil die Destinationsmanager aus den Nachbarländern ihre Rolle mit Blick auf die Mobilität vor Ort teilweise ganz anders interpretieren. In Österreich, in der Schweiz oder rauch in Südtirol läuft es mit den ÖPNV-Angeboten nämlich nicht deshalb oft besser, weil die Rahmenbedingungen ganz andere wären. Sondern, weil die handelnden Akteure irgendwann bestimmte Entscheidungen getroffen haben, um ins Handeln zu kommen. Und es war spannend zu sehen, wie hier die DMO aus Deutschland stellenweise ins Nachdenken kamen. Da sind alte Denkmuster aufgebrochen.
Gibt es Ergebnisse, die besonders prägnant sind und vielleicht auch im nächsten Jahr weitergedacht werden könnten?
Für mich besonders spannend war diesmal das Thema Vertrieb und die damit verbundene Frage: Wann macht es Sinn, sich hier wirklich zu engagieren? Die meisten Destinationen drücken sich ja ein bisschen vor diesem Thema. Wir haben in der WERKSCHAU dazu diesmal eine gute Entscheidungsmatrix, die man vor sich legen und in wenigen Minuten für sich beantworten kann, ob und wie es Sinn machen könnte, sich mit dem Thema Vertrieb näher zu beschäftigen. Darüber hinaus haben wir uns mit der Idee eines Businessmodells für umweltfreundliches Agieren beschäftigt. Da kann eigentlich jeder für sich und noch besser gemeinsam mit Partnern starten. Auch sehr interessant ist das von den Teilnehmern entwickelte Modell eines Seehotels im Dreiländereck. Wie würde ein modernes Hotelkonzept aussehen, wenn es keine Limits gäbe? Wen müsste man einbinden? Wie würde konkret die Produktgestaltung aussehen usw.? Ich denke, zusammenfassend lässt sich mit Blick auf die dokumentierten Ergebnisse sagen, dass mehr denn der Mut da war, Dinge pragmatisch aber auch kreativ anzupacken und endlich wieder Entscheidungen zu treffen.
Erstmals gab es eine sehr politische Session und die Frage: Wie umgehen mit einem drohenden Rechtsruck? Wie hast du die Stimmung erlebt?
Dieses Thema wurde sehr ernsthaft diskutiert und natürlich wurden auch viele Sorgen geäußert. Interessant war aus deutscher Perspektive, dass die FPÖ in Österreich ja noch einmal deutlich stärker ist als hierzulande die AfD. Die FPÖ ist aktuell in drei Landesregierungen vertreten und war unter dem früheren Kanzler Kurz sogar Koalitionspartner in der österreichischen Bundesregierung. Und auch die Schweizer Teilnehmer haben ähnliche Sorgen und Herausforderungen. Der länderübergreifende Austausch war sehr wertvoll und die Sessionteilnehmer haben Wege erarbeitet, wie mindestens kommunikativ mit dieser Entwicklung umgegangen werden kann. Verlängertes Ergebnis war dann eine spontane „Stellungnahme für Weltoffenheit und demokratische Werte“. Für die Ausformulierung dieser Haltung gab es am Abschlussabend Standing Ovations.
Nächstes Jahr kommt der Denkraum zurück nach Deutschland: Was erwartet uns in Düsseldorf?
Mit Düsseldorf als Großstadt bekommen wir 2025 wieder ein ganz anderes Flair. Es warten spannende Locations – und die längste Theke der Welt könnte vielleicht auch eine Rolle im Rahmenprogramm spielen (lacht). Was wir in Düsseldorf tun: Wir intensivieren den Workation-Ansatz noch einmal etwas. Und zwar dahingehend, dass es optionale Zusatz-Sessions als Alternative zum Freizeitprogramm am Mittwoch– und Donnerstagnachmittag geben wird. Das Zusatzangebot am Freitag fällt damit komplett weg, sodass alle am Donnerstagabend nach drei Tagen gemeinsam Abschluss feiern. Neu ist auch das Pricing. Es wird eine etwas günstigere Kategorie für Destinationen, Hochschulen und touristische Leistungsträger geben. Eine zweite bildet die Agentur-, Berater- und Technologieseite ab. Damit versuchen wir, mehr Menschen aus den öffentlichen Strukturen die Teilnahme zu ermöglichen, obwohl alles immer teurer wird. Auch beim DSTNCMP-Preis gibt es eine Neuerung: Mit der Wochenzeitung Die Zeit haben wir einen hochkarätigen Medienpartner an Bord, der die Awards durch die zu gewinnenden Mediapakete noch einmal deutlich aufwertet. Alle Touristiker sollten sich also jetzt schon Gedanken machen, mit welchem mutigen Projekt sie sich Anfang 2025 bewerben.
(27.09.2024)