Ein Gespräch über das Gästeführerwesen, die Aufgaben eines Verbandes, der seine Mitgliederzahl innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt hat, und warum Deutsche sich schon geschichtlich bedingt ihre Freizeit wenig kosten lassen.
Frau Dr. Jäger, am 3. März kommen Sie in Erfurt das zweite Mal zum Deutschen Gästeführertag zusammen. Was sind die Themen? Und wie viele Teilnehmer kommen?
Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Mein Gott. Dein Gott – Gästeführungen im religiösen Spannungsfeld“. Dazu erwarten wir rund 250 Teilnehmer aus ganz Deutschland.
Warum gibt es diese Veranstaltung erst das zweite Mal, ihren Verband gibt es doch schon seit 1994/95?
Vor unserem ersten Gästeführertag 2016 war der jetzt öffentliche Teil, also die Vorträge und Diskussionen, Teil der geschlossenen Jahreshauptversammlung. Wir haben also etwas am Wording und an der Struktur der Veranstaltung geändert, um mehr Menschen und auch Medien zu erreichen. Und das klappt – auch dank guter Referenten und dem jährlich neuen Motto.
Was sind die Hauptaufgaben des BVGD – und wie sieht Ihre Arbeit im Alltag aus?
Unsere erste Aufgabe ist es, ein Forum für die Gästeführer in Deutschland zu sein. Aktuell haben wir 6500 Mitglieder. Wir sind der Dachverband von mehr als 200 organisierten Gästeführervereinen. Unsere Aufgabe als Verband ist es, einen Nutzen zu schaffen. Der wichtigste ist der Schutz der beruflichen Tätigkeit. Wer im BVGD Mitglied ist, hat über uns eine Berufshaftpflichtversicherung. Derlei Rahmenverträge bekommen Einzelpersonen nicht. Darüber hinaus geht es natürlich um den Austausch und die Qualifizierung. Denn viele Themen beschäftigen unsere Mitglieder fast überall. Als Verband schauen wir dann, wie wir Lösungen bei Problemen erarbeiten können. Und der Bedarf ist da: In zehn Jahren hat sich unsere Mitgliederzahl verdoppelt. Was wir nicht tun: Wir vermitteln keine Gästeführerleistungen. Aber da sehen wir durchaus Potential. Der europäische Gästeführerverband betreibt bereits eine Plattform. Allerdings gibt es in Deutschland zunehmend Plattformen, die Freizeitleistungen digitalisiert anbieten.
Was sind die Probleme im Gästeführer-Alltag?
Ich möchte weniger die Probleme betonen, als die Anregungen, die wir durch unsere Arbeit geben. Beispielsweise haben wir einen eigenen Steuerführer, also konkrete Hilfestellung fürs Finanzamt, herausgegeben. Wir stellen Muster-AGB zur Verfügung, die speziell auf die Bedürfnisse freiberuflicher Kleinunternehmer zielen. Bei Kommunen angestellte Gästeführer gibt es nämlich kaum. Wir kümmern uns also viel um das Schaffen von Rechtsgrundlagen und den richtigen Umgang mit Regulierungen.
Aber im Alltag gibt es ja Gegebenheiten, mit denen Gästeführer umgehen müssen. Oft ist es die fehlende Wertschätzung. Woher kommt das?
Dass Gästeführer ein wichtiges Bindeglied zwischen Region und Gast sind, wissen die touristischen Akteure. Aber historisch ist es in Deutschland so, dass Freizeit und Kultur zwar zum Leben dazugehören – aber nicht viel kosten dürfen. Wenn Sie hundert Jahre zurückschauen, dann waren es in Deutschland von Beginn des Gästeführerwesens an engagierte Einzelpersonen, die Heimatthemen in geführter Form besetzt haben. Und lange fehlten daher Standards. Deshalb war es in den Augen vieler Gäste kein richtiger Beruf. Viele Kollegen hören noch immer die Frage: „Und was machen Sie eigentlich hauptberuflich?“. Doch das dreht sich gerade.
Wer wird eigentlich Gästeführer?
Wir haben aus der Gesellschaft einen sehr breiten Zugang zu dem Beruf. Unsere Mitglieder sind sehr vielfältig, aus den unterschiedlichsten Bereichen. Was sie eint ist, dass man diesen Beruf in der Regel erst im Erwachsenenalter ergreift, wenn man also über das Leben und die Geschichte seiner Stadt bereits viel weiß. Vielleicht sind wir auch deshalb – übrigens als einzige Nation innerhalb des Weltgästeführerverbandes – die einzigen, die ihr Jahresmotto selbst setzen. Dieses Jahr ist es „Reform – Zeit für Veränderung“. Ein Thema, das man geschichtlich, aber auch sehr aktuell, als Gästeführer aufarbeiten kann.
Und wie läuft die eigentliche Gästeführerausbildung ab?
Seit den Anfängen des BVGD kümmern wir uns um Ausbildungsrichtlinien. Zuerst gab es die Grundausbildung, dann kam das Fortbildungs-Zertifikat. Und ab der Jahrtausendwende begann ein europäischer Normprozess (CEN). An dessen Ende stand die Ratifizierung unserer Lehrgänge über das DIN-Institut DIN CertCo. Dieser europäische Standard EN 15565, den wir maßgeblich mitentwickelt haben, beinhaltet ein breites Basiswissen in Geschichte und das Wissen um den europäischen Kontext. Dazu gibt es viel praktisches Training und einen umfangreichen Abschnitt über die alltäglichen Arbeitsbedingungen. Das Prinzip ähnelt unserem dualen System, das Theorie und Praxis kombiniert.
Wie funktioniert der Austausch zwischen Ihnen und anderen Akteuren?
Wir sind als BVGD Mitglied bei den großen Verbänden wie DRV, DTV, RDA und DZT. Diese Plattformen bespielen wir natürlich mit unseren Themen. Auf der ITB sind wir zum Beispiel auch mit am DZT-Stand, was die gute Zusammenarbeit in der Vermarktung schon anzeigt. 2006 durften wir auch den Slogan des offiziellen Auslandsmarketings „time to make friends“ mitnutzen. Aber auch mit dem DTV verbindet uns eine schon fast freundschaftliche Partnerschaft. Dort sind wir in mehreren Fachausschüssen vertreten. Und dort treffen wir auch auf die Vertreter der Bundesländer, Regionen und Städte.