Modernes Destinationsmanagement hat viele Aufgaben. Von Datenmanagement und der Digitalisierung von Services über die Transformation bis hin zu mehr Nachhaltigkeit und Besucherlenkung reicht das Spektrum. Doch sollte man sich als Verantwortlicher nicht vor jeden Karren spannen lassen – und sich immer klar machen, warum man etwas tut.
Von Hartmut Wimmer
Touristiker haben es nicht leicht. Von allen Seiten kommen bahnbrechende Neuerungen, künstliche Intelligenz und Fachleute und Berater machen Prophezeiungen, was in ein paar Jahren überhaupt noch existieren wird. Deswegen mein gut gemeinter Rat: Lasst euch nicht verrückt machen!
Was ich machen würde, wenn ich Verantwortlicher in einer Destination wäre? Ich schlage vor, sich auf das zu besinnen, um was es letztendlich geht: den Gästen eine großartige Zeit zu bescheren! Zu viel dreht sich heute um die Digitalisierung, als sei sie ein Selbstzweck. Dabei unterstützen all die digitalen Informationskanäle nur das, um was es geht: das Erlebnis vor Ort, das Essen und Trinken, die Unterkunft, die Anreise, die Ausflüge und Touren. Diese analogen Erlebnisse werden durch digitale Tools nur besser gefunden, sind besser planbar, buchbar und können besser dokumentiert und geteilt werden, wenn es zu ihnen ein digitales Pendant, den digitalen Zwilling gibt.
Klischees sind gut!
Nicht jede Destination ist in jeder Disziplin super. Umso dankbarer können DMOs sein, wenn sie Klischees bedienen können. Die Einheimischen können die immergleichen Klischees zwar oft schon nicht mehr hören oder schauen neidisch auf die Leuchttürme anderer, bei denen vermeintlich immer alles besser ist – aber die Gäste kommen, um genau diese Klischees zu erleben. Erfahrungsgemäß bewerten die Einwohner ihren eigenen Ort immer negativer als Besucher. Die Digitalisierung kann Destinationen nun dabei helfen, die eigenen Stärken herauszuarbeiten. Und das müssen nicht immer große Dinge sein, vielmehr gilt es, das Besondere zu heben. Aus diesen Stärken entsteht dann eine glaubwürdige Marke – und damit für den Gast der Grund, warum man gerade dort hinfahren sollte.
Digitalisierung
Eigentlich ganz einfach: Solange man beim Blick aus seinem Fenster noch etwas sieht, was noch nicht in der Datenbank ist, ist man nicht fertig. Solange es im Ort noch etwas gibt, was man nicht mit Kreditkarte bezahlen und online buchen kann, ist man noch nicht fertig. Solange es noch gesperrte Wanderwege gibt, die nicht auf der Onlinekarte eingetragen sind, ist man nicht fertig. Solange man seine Gäste nicht digital kennt und weiß, was sie machen, ist man nicht fertig.
„Wer Klischees hat, die er bedienen kann, sollte dankbar sein.
Wegen ihnen kommen die meisten Gäste“
Künstliche Intelligenz
Kein Grund, sich verrückt zu machen. Aber auch kein Grund, auf irgendetwas zu warten. Denn so oder so: Jegliche Form der Kommunikation mit Kunden, ganz gleich ob über Websites, Apps, Suchmaschinen, Conversational Interfaces (Chatbots & Co.) oder im Metaverse – alle Kanäle benötigen perfekte Daten. Und jemand muss die Öffnungszeit des Museums korrekt digital erfassen und aktuell halten – genau wie alles andere, was man für einen Urlaub oder Tagesausflug braucht. Die Systeme holen sich die Daten aus dem Netz. Die Systeme werden dabei mehr denn je auch nach ihrer eigenen Logik werten, was die besten, richtigsten und die aktuellsten Daten sind.
Open Data spielt dabei keine Rolle
Suchmaschinen ist es schon immer egal, ob die Daten open sind oder nicht. Genauso ist es mit der künstlichen Intelligenz. Daten werden von vielen Systemen zukünftig ohnehin nicht mehr mit Quellenverweis und Lizenz im Original angezeigt, sondern je nach Anwendungsfall zu einer Antwort verarbeitet. Die Open Data-Hubs sind trotzdem nicht im Grunde verkehrt – sie kommen nur mindestens zehn Jahre zu spät. Die Plattformen und Systeme warten nicht mehr darauf, sondern bauen sich bereits ihre eigene digitale Welt. Was an Information derzeit fehlt, wird dazu erfunden. Und genau das gilt es zu vermeiden, indem die fehlenden Daten möglichst schnell von der offiziellen Quelle zur Verfügung gestellt werden! Bei Outdooractive nennen wir das die „Allianz der Offiziellen“, in der wir die offiziellen Daten von vielen Stakeholdern zu einem offiziellen Datensatz vereinigen – den digitalen Reiseführer der Destination.
„Die Mission ist, den Destinationen langfristig
ihre Kommunikationshoheit wieder zurückzugeben“
European Data Spaces ohne Open Data-Ansatz
Die EU geht einen zukunftsträchtigen Weg mit den GAIA-X Data Spaces. Da wird an einem Daten-Ökosystem als Cloudlösung gearbeitet, das eben nicht eine zentrale Datenbank sein soll – und auch kein Open Data erfordert. Vielmehr entsteht eine vernetzte Datenlandschaft, in welcher die Daten von vielen Plattformen und Datenbanken zusammenfließen und über standardisierte Datenformate und Schnittstellen ausgetauscht werden. Buchbare Leistungen oder Services mit anderen Businessmodellen können einfach zusammengebaut werden. Lizenzvereinbarungen und Business-Vereinbarungen können ebenfalls auf einfache Weise geschlossen werden (Smart Contracts) – mitsamt der Nutzung der APIs. Weil wir bei Outdooractive seit mittlerweile 20 Jahren an dieser Art von System bauen, einer Lösung, die Daten verschiedener Quellen zusammenfließen lässt und mit Standards für Rechte, Technologie und Businessmodelle organisiert, wurden wir von der EU ausgewählt, die Strukturen für den Europäischen Tourismus Dataspace mit zu erarbeiten. Die Tourism Technology Alliance (TTA) ist bereits eine erste sichtbare Erscheinung davon, wie Daten in Zukunft fließen werden. Weitere Partner schließen sich gerade bei der TTA an.
Nachhaltigkeit
Es gab eine Zeit, in der konnte ich das Wort schon nicht mehr hören. Vielleicht, weil nicht nur ich selbst tief verwurzelt bin in einer alpinen Kulturlandschaft, in der man traditionell nichts tut, was die Existenz seiner Heimat und Nachfahren schädigt. Auch das gesamte Team von Outdooractive kümmert sich leidenschaftlich um Nachhaltigkeit. Die ganze Plattform, unsere Services und Produkte sind ausnahmslos nachhaltig gebaut. Unsere Vision ist es ebenfalls. Die Mission ist, Destinationen und Leistungsträgern ihre Kommunikationshoheit langfristig wieder zurückzugeben und mit der Allianz der Offiziellen das offizielle – und damit letztlich auch nachhaltige – Angebot in den Regionen zu digitalisieren.
Verkehr
In vielen Forschungsprojekten kümmern wir uns seit Jahren darum, den Verkehr in Destinationen nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehören die Auszeichnung von ÖPNV-freundlichen Touren genauso wie die nahtlose Integration öffentlicher Verkehrsmittel in die Anwendungen der Plattform, um für die Anreise und die Verkehre vor Ort im richtigen Kontext umweltfreundliche Verkehrsmittel anbieten zu können.
Zertifizierungen
Um den Gästen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist, bewusste Entscheidung zu ermöglichen, kümmern wir uns derzeit darum, dass die mehr als 200 verschiedenen Gütesiegel mit Daten unterfüttert werden. Ich leite unter dem Dach der obersten Institution für Nachhaltigkeits-Zertifizierungen, dem Global Sustainable Tourism Council (GSTC), eine Arbeitsgruppe für die Definition eines einheitlichen Datenstandards für Businesses, Veranstalter und Destinationen. Das Ziel ist, verschiedene Faktoren der Nachhaltigkeit, z.B. Energieverbrauch, regenerative Energien, Wasserverbrauch, Abfall, Schadstoffausstoß, lokale Produkte und faire Beschäftigung nach einheitlichen Indikatoren anzeigen und filtern zu können.
1 % des Unternehmensumsatz für den Naturschutz
Vor drei Jahren wurde auf unsere Initiative hin Digitize the Planet gegründet. Der gemeinnützige Verein entwickelt sich gut, die Zahl der Mitglieder wächst stetig und wir haben bereits mehrere Förderprojekte akquirieren können. Einen großen Teil der notwenigen Finanzierung bezahlt immer noch Outdooractive mit 1 Prozent des Umsatzes über 1 % for the Planet. Ich würde mich sehr über Nachahmer freuen! Digitize the Planet digitalisiert alle Naturschutzregeln der Naturschutzgebiete offen strukturiert, so dass diese von allen Plattformen genutzt werden können. Damit kommen die Regeln im richtigen Moment auf den Bildschirm und die Gäste wissen, woran sie sich draußen auf ihren Touren zu halten haben. Im neuesten Förderprojekt werden wir die Datenstruktur um die jeweiligen Schutzgüter erweitern, also um Tiere, Pflanzen und Lebensräume, die speziell geschützt werden müssen. Damit erfahren Besucher erstens den Grund für die Einschränkungen und zweitens lernen sie mehr über die Natur, in der man sich bewegt.
Kooperation mit Parks
In Deutschland unterstützen wir alle 150 Nationalen Naturlandschaften (NNL) mit kostenlosen Business Accounts auf Outdooractive und Schulungen zur Digitalisierung und Besucherlenkung. Damit werden die Parks Teil der Allianz der Offiziellen und wir helfen dabei die korrekten Inhalte über den größten existieren Verteiler mit mehr als 2.500 Ausgabekanälen direkt zu den Besuchern zu bringen.
Trails
Die Trails (Outdoor-Wege) sind DAS Produkt in den Destinationen. Sämtliche Aktivitäten spielen sich auf den Wegen ab. In keiner anderen Industrie ist allerdings der Unterhalt des wichtigsten Produktes derartig auf ehrenamtlicher und freiwilliger Basis organisiert, wie das im Tourismus der Fall ist. Outdooractive ist deswegen Mitglied beim World Trails Network (WTN) und ich habe als Mitglied des Vorstandes jetzt die Mission übernommen, dass Trails in Europa besser gefördert werden. Ziel ist, dass Outdoorwege einen ähnlichen Status erhalten wie Radwege, die mit mehr als zwei Milliarden jährlich von der EU gefördert werden.
Besucher Analytics
Mitsamt allen unseren mehr als 4.000 Business-Partnern sammeln wir seit Jahren immense Mengen an Tracking-Daten. Was die User geklickt haben, was sie geplant haben, wo sie tatsächlich hinfahren und welche Touren sie machen: All das zeichnen wir datenschutzkonform für unsere Analysetools auf. Ganz neu haben wir jetzt gerade die Trails Heatmap gelauncht. Es ist die erste Karte weltweit, die alle aufgezeichneten Tracks immer in Time aufnimmt und visualisiert. Damit kann man nicht nur auf Aktivitäten, sondern auch auf Zeiträume filtern und aktuelle Veränderungen schnell erkennen. Zusammen mit der Live-Position-Heatmap und dem Destination Report entsteht ein umfassendes digitales Bild der Destination für das Monitoring und Produktentscheidungen.
Besucherlenkung durch Personalisierung
Viel zu sehr wird Marketing heute noch als Kommunikations-Einbahnstraße betrieben. Noch immer wird viel Energie in Hochglanz-Websites als Nachfolger des Hochglanz-Print-Prospekts gesteckt. Dabei müsste doch schon längst jedem klar sein, dass die Zukunft in personalisierten Anwendungen von Plattformen bzw. KI liegt. Kein Kunde will sich zukünftig mehr durch Strukturen hangeln, die aus Absendersicht erstellt worden sind. Moderne Gäste werden sich die Informationen in den Apps beschaffen, die es ihnen einfach machen und personalisiert ausspielen. Das ist mit den derzeitigen Websites nicht zu schaffen. Als Plattform mit 60 Millionen Usern ist bei Outdooractive schon längst der User im Zentrum allen Handelns. Die vollintegrierte Community generiert Profile über ihr eigenes Klickverhalten und freiwillige Eingaben. Diese Community ist auch in allen B2B White Label Websites und Apps integriert. Daraus wiederum lassen sich für unsere Kunden, also die Destinationen, Userprofile generieren. Damit können DMOs ihre eigene Gästedatenbank aufbauen – ohne Risiko und datenschutzkonform. Nur wer seine Gäste digital kennt, kann mit ihnen zielgerichtet kommunizieren – und erfährt konstant mehr über sie.
Fazit
Ich empfehle jeder Destination von ganzem Herzen, sich mit dem Thema Content zu befassen und diesen dort hochzuladen, wo er wirklich Reichweite generieren kann. Für den Anfang tut es auch ein kostenloser Outdooractive-Account. Einfach machen – und dann schauen, was passiert! Wer bereits das System eines Partners der Tourism Tech Alliance (TTA) nutzt, kann einfach den Connector zu Outdooractive aktivieren und loslegen. Dann nach und nach alles digitalisieren und mit der Community kommunizieren. Da sind ganz viele nette Leute online, die viele Interessen und Fragen haben – und vielleicht bald eure Gäste sind.
Über den Autor: Hartmut Wimmer ist Gründer und CEO der Plattform Outdooractive. Mit mehr als zwei Jahrzehnten Geschäftserfahrung gilt er als Vorreiter in der Digitalisierung des Destinationstourismus. Sein Ziel: die weltweit größte Outdoor-Plattform zu kreieren und die Community sowie alle Akteure im Tourismussektor mit wegweisender Technologie zu vernetzen.
Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen.
Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER