„Wer zufrieden ist, wird schnell abgehängt“

Die Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH feiert dieses Jahr ihr 25. Bestehen. Im Jubiläumsjahr stellt das Land Brandenburg nicht nur eine weiterentwickelte Marke vor – sondern auch gleich noch eine neue Tourismusstrategie. Ein Aus- und Rückblick mit Geschäftsführer Dieter Hütte.

Herr Hütte, die TMB feiert dieses Jahr 25. Jubiläum. Seither ist viel passiert. 1998 kannten nur rund 2 Prozent der Westdeutschen und 4 Prozent der Ostdeutschen Brandenburg als Urlaubsregion. Im Vergleich aller Bundesländer war das damals der schlechteste Wert. Wie sieht es heute in Sachen Bekanntheit und Marktdurchdringung aus?

Da bin ich heute ganz entspannt (lacht). Vor 25 Jahren war Brandenburg als Reiseziel ein weißer Fleck auf der touristischen Landkarte, 2020 haben bei unserer letzten Befragung zu dem Thema 74 Prozent der Bundesbürger angegeben, Brandenburg als Reiseziel zu kennen. 46 Prozent halten unsere Destination für sympathisch, von den Brandenburg-Kennern sind es sogar 62 Prozent. Zwei Drittel können sich innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre vorstellen, für einen Kurzurlaub in unsere Regionen zu kommen; 27 Prozent können sich sogar vorstellen, ihren Haupturlaub bei uns zu verbringen. Vor zehn Jahren haben das nur 10 Prozent gesagt. Auch interessant: Von denen, die schon einmal bei uns waren, wollen 56 Prozent wiederkommen, mehr als zwei Drittel haben uns weiterempfohlen. All das zeigt, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat und wir es geschafft haben, unser Bundesland als ein gastfreundliches Reiseland zu positionieren.

Auf dem Weg zur modernen Reisedestination: Bitte nennen Sie uns doch ein paar Meilensteine.

Eine echte Weichenstellung war unser erster Claim im Tourismusmarketing: „Brandenburg – Stadt Land Fluss“. Das war unser kommunikativer Anker, der auch die Schwerpunkte für die Produktentwicklung, zum Beispiel im Bereich des Wassertourismus gesetzt hat. Ein weiterer Erfolgsfaktor war, dass wir im Jahr 2001 schon intensiv begonnen haben, mit dem Internet zu arbeiten. Unsere ersten Onlineplattformen waren Tagen-in-Brandenburg.de und Reiseland-Brandenburg.de. Beide URLs gibt es heute noch und haben ihre Reichweiten ständig steigern können. Und unser Webauftritt war schon damals nicht nur Imagepflege, sondern hat die Grundlage für das heutige Contentnetzwerk Brandenburg geschaffen. Das Digitale war also von Anfang an Teil unserer DNA. In den 2000-er Jahren haben wir dann eine Reihe wichtiger Veranstaltungen wie den Germany Travel Markt (GTM) oder die Katalogpräsentation der DER Touristik nach Brandenburg geholt. Nicht zuletzt haben uns die langjährigen Kooperationen mit Berlin und Mecklenburg-Vorpommern weitergebracht. Daraus entstanden ist unter anderem Deutschlands Seenland als größtes zusammenhängendes wassertouristisches Binnenrevier Europas. Nicht zu vergessen unsere digitalen Kooperationen mit dem ADAC und der DB Regio Nordost, aus welcher heraus die heutige Ausflugs-App der Deutschen Bahn entstanden ist.

„Ich sage jetzt mal provokant:
So viel hat sich im Destinationsmanagement gar nicht verändert“

Wenn Sie an das Destinationsmanagement vor 25 Jahren zurückdenken und mit heute vergleichen – was hat sich verändert?

Ich sage jetzt mal provokant: So viel hat sich gar nicht verändert. Wir müssen die Dinge aber permanent neu justieren und mit Modernität auflegen. Das M in TMB steht schließlich nicht erst seit heute für Marke, Marketing, Moderation, für Management, Mut – und natürlich auch für Machen. Im Destinationsmanagement ist es wie im Fußball: Es darf nicht zu Ermüdungserscheinungen kommen, man darf nie zu zufrieden sein und muss ständig am Kader arbeiten, sonst wird man schnell von anderen
abgehängt. Und was sich ebenfalls nicht verändert hat: Tourismus ist in der Finanzierung damals wie heute eine freiwillige Aufgabe. Selbst die jetzt angeblich so moderne Gemeinwohlökonomie gab es doch schon immer. Oder meinen Sie, der Tourismus hätte es sich jemals zur Aufgabe gemacht, gegen das
Gemeinwohl zu arbeiten? Ich denke nicht. Und nach wie vor ist es so, dass die Menschen vieles, was Tourismus ist, oder zumindest damit zu tun hat, nicht als Tourismus wahrnehmen. Unsere Branche musste und muss sich immer in Erinnerung rufen. Die Coronakrise wäre deshalb in meinen Augen die perfekte Gelegenheit gewesen, bundesweit eine Tourismusabgabe einzuführen. Denn erstmals war jedem klar, was mit Städten und Destinationen passiert, wenn die Gäste weg sind. Einige Themen sind in den vergangenen Jahren aber natürlich doch neu in den Fokus des Destinationsmanagement gerückt:
der Arbeitskräftemangel, der Klimawandel und das sehr hohe Tempo bei der Digitalisierung. Diese, ich würde schon fast sagen globalen Themen, müssen wir regional herunterbrechen und nach Lösungen suchen, bei denen die Menschen bei uns auch bereit sind, sie mitzugehen. Ich stelle vor diesem Hintergrund die These auf, dass Kommunikation immer wichtiger wird – und die Erzählstränge im Tourismus in Zukunft immer vielseitiger und herausfordernder.

Im Jahr 2013 wurde die Tourismusmarke Brandenburg 1.0 vorgestellt und in einem breit angelegten Markenprozess eingeführt. Vor wenigen Wochen wurde nun der Relaunch der Marke samt neuer Tourismusstrategie vorgestellt. Was ist jetzt neu bzw. für was steht Brandenburg?

Die Marke ist die logische Weiterentwicklung der Version 1.0. Jetzt heißt es: „Brandenburg – Mehr brauchst du nicht“. Das ist natürlich ein bisschen provokant. Aber es formuliert auch einen Anspruch an alle Akteure und Leistungsträger. Nämlich: Dass wir gemeinsam den perfekten Moment für unsere Gäste
kreieren wollen. Darin enthalten ist auch die Besinnung aufs Wesentliche – und dass man mit Brandenburg echte Ruhe und Entspannung verbindet. Nicht zuletzt denke ich, dass wir Brandenburger durch den weiterentwickelten Markenkern auch einen neuen Stolz zum Ausdruck bringen. Was den
Bayern ihr „Mia san Mia“ – ist uns „Mehr brauchst du nicht“.

Der Markenrelaunch ist integraler Bestandteil der neuen Tourismusstrategie. Welche Themen werden hier jetzt verstärkt in den Blick genommen bzw. sind vielleicht neu dazugekommen?

Ein Aspekt ist, dass unsere neue Strategie bereits den Brückenschlag zur Nationalen Tourismusstrategie schafft. Darüber hinaus ist uns heute viel bewusster als früher, dass wir unsere großen Themen Wasser-, Natur-, und Kulturtourismus mehr denn je in Netzwerken denken müssen. Eindimensionale Maßnahmenpläne sind heute nicht mehr zielführend. Wenn ich den Wassertourismus zum Beispiel nachhaltiger aufstellen will, muss ich alle an der Wasserinfrastruktur beteiligten Player mit ins Boot holen. Unsere neue Strategie versucht diese Verzahnungen mitzudenken. Dann nimmt sie auch neue Player in den Blick, die sich erst vor kürzerer Zeit etabliert haben. Ich nenne hier exemplarisch mal den Bereich
der Co-Working-Spaces, die inzwischen auch in ländlichen Räumen ihre Rolle gefunden haben. Und damit wir bei allen Themen, die wir uns vorgenommen haben, in die Umsetzung kommen, haben wir erstmals mit dem Wirtschaftsministerium Brandenburgs eine gemeinsame Koordinierungsstelle geschaffen. Das hilft vor allem dabei, unsere Landesstrategie mit den regionalen Initiativen zu vernetzen.

Gibt es schon konkrete Projekte, die aus der neuen Strategie heraus in Planung sind?

Ja, im Moment sind es zwei. Zum einen haben wir gerade mit einer Klimastudie begonnen, die aus zwei Modulen bestehen wird: Klimwandel und Vermeidung sowie Klimaanpassung. Hier wollen wir u.a. schauen, was da eigentlich bei uns im Bundesland passiert, wenn es wärmer wird. Was bedeutet das konkret für Betriebe, Arbeitskräfte und Gäste? Was bedeuten längere Hitzeperioden für unsere Gewässer? Was für unsere Wälder usw.? Am Ende sollen dann konkrete Handlungsempfehlungen stehen – von Tipps zur Beschattung von Gastronomieterrassen über Wegesperrungen bis zu digitalen Tools, die unseren Gästen helfen sollen, in jeder Situation die richtigen Angebote zu finden. Das zweite konkrete Projekt ist ein Card-Plattform, bei der wir vom digitalen Meldewesen bis hin zur umlagefinanzierten Gästekarte alles mit hineinbringen können.

Sie selbst gehen Ende des Jahres in den Ruhestand, haben die Organisation aufgebaut, kennen ihre Geschichte(n) und die Marke wie kaum ein anderer. Wenn Sie zurückblicken auf Ihre eigene Arbeit: Auf was sind Sie besonders stolz?

Wenn stolz, dann auf die gesamte TMB. Auf die Loyalität meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder, die ich hier all die Jahre erleben durfte. Auf meine Prokuristen Jens Beuchler und Mathias Knospe, die mich immer entlastet haben. Auf die hohe Verweildauer unserer Mitarbeiter – und gleichzeitig die Tatsache, dass wir immer wieder auch genügend junge Menschen für die TMB begeistern konnten. Als ich angefangen habe, waren wir zu dritt. Heute sind wir 50. Ich bin stolz darauf, dass wir immer in Bewegung geblieben sind, viele Dinge selbst initiiert haben und unseren Mitarbeitenden dadurch immer auch neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet haben. Ich verlasse die Firma sehr entspannt und gehe im Wissen und im Vertrauen, dass die Segel auch ohne mich immer wieder neu gesetzt werden.


Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen.
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