Der Schlüssel zu High-Touch-Services heißt Automatisierung

Von der Coronakrise abgesehen ging es im Fewo-Segment seit Jahren nur nach oben. 2024 zeichnet sich in vielen Regionen nun eine spürbare Delle bei den Buchungen ab. Die Herausforderungen sind vielseitig – und nur im Zusammenspiel von neuer Technologie und menschlicher Expertise zu lösen.

Dass Statistiken nur bedingten Wahrheitsgehalt haben, davon kann man im Fewo-Segment ein Lied
singen. In der öffentlichen Statistik fliegt der größte Teil der Übernachtungen traditionell unter dem Radar. Mehr als 80 Prozent der Betten im Markt stammen von privaten Vermietern. Nur regelmäßigen Erhebungen des Deutschen Ferienhausverbandes ist es zu verdanken, dass die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung des Segments an die Oberfläche gelangt – und somit auch die politischen Akteure erreicht. Ob Landeshauptstadt, Berlin oder Brüssel: Meist hat man dort nur die großen Player im Blick.

Magdalena Lexa, Geschäftsführerin OBS OnlineBuchungService GmbH

So gesehen ist es fast ein Glücksfall, dass zumindest über Booking.com, Expedia und Co. sehr regelmäßig
medial berichtet wird. Eine Auswertung der HOTREC Hospitality Europe in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tourismus der Fachhochschule Westschweiz Wallis kam jüngst zu dem Ergebnis, dass der Anteil der großen Online-Buchungsportale (OTA) in der EU seit dem Jahr 2013 um 50 Prozent gestiegen ist. Gleichzeitig ist der Anteil der Direktbuchungen um 11,6 Prozent zurückgegangen. In Deutschland sank der Anteil der Übernachtungen, die über direkte Kanäle gebucht worden sind im gleichen Zeitraum um 8,2 Prozent. Die Plattformen konnten ihren Anteil hierzulande in den vergangenen zehn Jahren um 49 Prozent steigern – und kommen jetzt zusammen auf einen Marktanteil von 32 Prozent. Die Dominanz von Booking.com ist dabei überwältigend: In Deutschland liegt der Marktanteil der Booking Holdings bei 72,3 Prozent, gefolgt von Expedia (11,2 %) und HRS (10,7 %). Viele Jahre galt wegen dieses Siegeszugs der Portale: Wer als Destination für seine Vermieter in den Digitalvertrieb und ein gutes Channel-Management investierte, wurde fast schon automatisch mit stetig steigenden Zahlen belohnt. Doch der Markt wird schwieriger.

Laut Zahlen von HomeToGo entfallen zwar immer noch 40 Prozent aller Suchanfragen bei den Top-100-Destinationen auf Deutschland. Doch ist die Nachfrage mit Blick auf die zurückliegenden Herbstferien
im Schnitt um 9 Prozent gesunken. Und selbst im August gab es laut Daten des Analyse-Tools AirDNA fast überall noch reichlich freie Kapazitäten.

So lag die Auslastung an der Mecklenburgischen Ostseeküste Anfang August nur bei 72 Prozent, in
Nordfriesland bei 74 Prozent und am Bodensee bei 81 Prozent. In Harz und Sauerland war sogar die Hälfte der Fewo-Objekte in der Sommerhauptsaison nicht gebucht. Bundesweit lag die Auslastung im Durchschnitt in den Ferien bei 66 Prozent. Und mit Blick auf das Gesamtjahr melden fast alle Systemanbieter hinter vorgehaltener Hand für den ländlichen Raum ein zweistelliges Minus beim Buchungsvolumen im Vergleich zum Vorjahr.

„Die Buchungssituation 2024 könnte bereits ein Vorgeschmack auf die kommenden Jahre im Online-Reisemarkt sein“, meint deshalb Magdalena Lexa. Die Geschäftsführerin der OBS OnlineBuchungService GmbH hat nicht nur tiefes Wissen über die von ihrem Unternehmen betreuten Objekte, sondern als
Vorstandsmitglied des Deutschen Ferienhausverbandes auch einen breiten Blick in die Branche. Der Vacation Rental Markt in Deutschland werde „zunehmend herausfordernder“, so Lexa. Und während die Gäste anspruchsvoller und gleichzeitig preissensibler werden, „haben viele Gastgeber wegen der steigenden Kosten ihre Preise erhöht“, weiß die Managerin. Ergebnis: „Höhere Warenkörbe in den Buchungssystemen bei sinkenden oder gleichbleibenden Aufenthaltsdauern“, sagt Lexa. Die gestiegenen Kosten veranlassten einige Gäste zudem, ihren Zweit- oder Dritturlaub zu überdenken oder zu verkürzen. Und weil Urlaub in Deutschland kein Schnäppchen ist, locken mehr denn je günstigere Angebote im Ausland.

Auch Johannes Siebers, Co-Founder und CEO von Holidu bestätigt, dass angesichts der steigenden
Inflation und der hohen Energiepreise viele Gastgeber ihre Preise zuletzt erhöht haben. Doch: „Laut unserer Daten planen drei Viertel der Vermieter in der laufenden Herbst- und Wintersaison keine weiteren
Preiserhöhungen mehr“, sagt Siebers. Nur 20 Prozent hätten in einer Holidu-Gastgeber-Umfrage angegeben, die Preise erneut um bis zu 10 Prozent zu erhöhen.

Johannes Siebers, CEO und Co-Founder Holidu

Dabei ist gar nicht nur entscheidend, ob der Preis für ein Ferienobjekt steigt – sondern viel mehr, was dadurch mit der Erwartungshaltung passiert. „Mit steigenden Kosten steigen die Erwartungen der Gäste“, erklärt Magdalena Lexa. Die Qualität vor Ort müsse daher mehr als früher den Anforderungen an das Objekt entsprechen. Bereits im Inserat wolle der Gast sich wiederfinden – und das Versprechen müsse vor Ort eingehalten werden. Wer als Gast immer stärker zu Kasse gebeten wird, verlange nachvollziehbar auch mehr Flexibilität – beispielsweise kurzfristige Stornierungsoptionen. „Speziell mit Blick auf das Wetter als Entscheidungsfaktor für oder gegen eine Reise brauchen wir Produkte, die kurzfristige Buchungen
und flexible Konditionen erlauben“, sagt Lexa. Dabei weiß die erfahrene Managerin natürlich, „dass ein
Privatvermieter meist keine so großzügigen Stornooptionen wie ein Hotel anbieten kann“. Denn:
Bedeutet die kurzfristige Stornierung eines Doppelzimmers im Hotel lediglich einen kleinen
betriebswirtschaftlichen Verlust, steht bei einem Privatvermieter für sein ganzes Ferienhauses in der
Hauptsaison oft ein Schaden von mehreren Tausend Euro in der Bilanz. Hier den Fewo-Kunden möglichst
flexibel entgegenzukommen, bleibt ein schwieriger Spagat.

Ein weiteres Thema hat man bei Holidu identifiziert: „Wir beobachten, das Gäste vermehrt kürzere Aufenthalte buchen“, so CEO Siebers. Wie Vermieter darauf reagieren könnten? „Indem sie zum Beispiel ihre Regeln für die Anreisetage und Mindestaufenthalte lockern“, erklärt Siebers. So bleibe man attraktiv und fülle „auch kurzfristig noch Lücken im Kalender“. Auch können diese Lücken automatisiert freigeschaltet werden.

Technologie kann also helfen, den Herausforderungen bei den Gästeerwartungen besser zu begegnen. Mit Blick auf die Weiterentwicklung der eigenen Buchungsfrontends sagt Holidu-Chef Johannes Siebers: „Technologie wird immer besser darin, den passenden Gast mit dem richtigen Unterkunftsangebot zu verbinden und so die Buchungswahrscheinlichkeit zu erhöhen.“ Die Weiterentwicklung der drei Haupttechnologien – für Endkunden, Destinationen und Gastgeber – gehe deshalb immer Hand in Hand. Bereits in den letzten zwei Jahren hat man bei Holidu intensiv daran gearbeitet, „die Systeme optimal miteinander zu vernetzen und neueste Technologien zu integrieren“. Das Ziel: „Destinationen soll
ermöglicht werden, auch in Zukunft beim Thema Onlinebuchung eine zentrale Rolle zu spielen“, so
Siebers. Auch Themen wie Kongresse und das für viele DMOs wichtige Gruppengeschäft bleiben zentraler
Bestandteil der Holidu-Strategie, zu der auch gehört, die bestehenden Partner aus den Tochterunternehmen MyIRS/TOMAS und Lohospo in die neue Technologieumgebung zu überführen. Unter dem einheitlichen Namen „Holidu Smart Destination“ werden derzeit viele neue Produkte für DMOs gelauncht, beispielsweise Statistik-Tools, Gasgeber-Websites und ein neuer Angebotsmanager.

Und für Gäste und Vermieter mehr oder weniger unsichtbar, sind bei Holidu auch immer mehr
KI-Anwendungen im Einsatz. „Die Einsatzgebiete umfassen bei uns zum Beispiel die Optimierung von
Rankings, die Erstellung von Inhalten und die Analyse von Nutzerbewertungen“, sagt Johannes Siebers. Doch auch der Kundenservice wird inzwischen durch KI unterstützt: Tickets zur Bearbeitung werden automatisiert nach Thema zugewiesen und so Antwortzeiten erheblich verkürzt, Saisonalität wird genauer als früher prognostiziert, die Wahrscheinlichkeit für Stornierungen berechnet und Einnahmen den richtigen Marketingkanälen zugeordnet. Doch trotz all dieser Entwicklungen und Fortschritte: „Der
zwischenmenschliche Kontakt zwischen Vermieter und Gast kann durch KI nur unterstützt, aber nicht ersetzt werden“, meint Siebers.

Das sieht auch OBS-Geschäftsführerin Magdalena Lexa so. Zwar setzt auch ihr Unternehmen im Hintergrund verstärkt auf Prozessoptimierung, Automatisierung und erste KI-Anwendungen. „Doch ist das Ziel dieser

Maßnahmen, Routineaufgaben zu automatisieren, um mehr Zeit für den persönlichen Service und die
individuelle Betreuung unserer Gäste zu schaffen“, erklärt Lexa. Das sehr persönliche Verhältnis zu den
Gastgebern, eine besondere Stärke der OBS, will man trotz aller digitaler Möglichkeiten nicht verlieren. „Statt von einem KI-Bot oder einem Call-Center werden unsere Vermieter auch in Zukunft von einem Team betreut, das die Situation sowohl im systemtechnischen Detail als auch im Kontext der touristischen Destination kennt“, so Lexa.

Fazit: Der Weg, der sich bei den Buchungsanbietern, Channel-Managern und Portalen derzeit abzeichnet, ist ein Mix aus Automatisierung und persönlichem Kontakt als wesentliche Erfolgsfaktoren. Zeitraubende
Routineaufgaben übernehmen zunehmend Algorithmen. Die menschliche Kompetenz wird dagegen zur
wichtigsten Zutat für gute individuelle Betreuung und High-Touch-Services.


Fewo-Markt: Umsätze von 28 Milliarden Euro pro Jahr

Um die ökonomische Bedeutung von Ferienwohnungen und -häusern zu beleuchten, hat der Deutsche
Ferienhausverband in Zusammenarbeit mit Statista Q den Markt dieses Jahr in seiner tatsächlichen Größe
erfasst und seine volkswirtschaftlichen Effekte errechnet. 307 Millionen Übernachtungen finden demnach pro Jahr in privaten und gewerblichen Ferienunterkünften statt. 82 Prozent der insgesamt 2,6 Millionen Betten werden dabei von privaten Gastgebern vermietet. Die Übernachtungen in Fewo-Objekten haben zusammengerechnet einen Marktanteil von 44 Prozent an allen touristischen Übernachtungen in Deutschland. Das Segment erwirtschaftet einen Umsatz in Höhe von 28,6 Milliarden Euro pro Jahr, was dem Fiskus Steuereinnahmen von 5,2 Milliarden Euro beschert. Diese werden im Rahmen des Finanzausgleichs an Bund, Länder und Kommunen verteilt.


Dieser Artikel ist im neuen TN-Digital Magazin erschienen. Zum gesamten Magazin geht´s hier: https://bit.ly/3Z5UwY4