Mit der Verabschiedung des 4. Bürokratieentlastungsgesetzes wurde die Meldepflicht für deutsche Staatsangehörige abgeschafft. Zahlreiche Abläufe, wie das Gastbeitrags- oder Kurtaxwesen von rund 500 Orten, beziehen sich aber direkt auf Daten beim Check-in. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2025 in Kraft. Ein Gespräch mit Klaus Schön, Leiter Tourismus bei der AVS GmbH, über die Folgen für Meldewesen, Einnahmen und Statistik.
Herr Schön, fehlt dem Gastbeitragswesen nun die rechtliche Grundlage?
Nein. Für die Gastbeiträge greifen ohnehin kommunale Abgabegesetze und Satzungen. Diese referenzierten in manchen Gemeinden allerdings auf das Meldegesetz des Bundes. Diese Verweise muss man nun anpassen. Das gesamte Kurtaxwesen war mit der Meldepflicht und auch dem Akt des
Meldeschein-Ausfüllens systemisch gekoppelt, damit die Beherbergungsbetriebe die Datenerhebung nicht doppelt durchführen müssen. Letztendlich hatten die Gemeinden bundesweit mit der Meldepflicht einen einheitlichen Rahmen, auf den sie aufgesattelt haben. Da die Gastanmeldung in der Touristik weltweit gängige Praxis ist, musste den Beherbergungsbetrieben das Prozedere auch nicht groß erklärt werden. Gerade in gastbeitragspflichtigen Orten muss den Betrieben und auch deren Gästen der Bedarf und auch die Verpflichtung zur Datenerfassung nun aber klarer dargelegt werden.
Also bleibt beispielsweise in den kurtaxpflichtigen Orten Alles beim Alten?
Nur teilweise. Für ausländische Gäste besteht weiterhin die Meldepflicht – inklusive Gastdatenerfassung und Unterschrift auf dem Papiermeldeschein. Da für deutsche Gäste jetzt die vollständige Anmeldung über das Bundesmeldegesetz nicht mehr besteht, könnte auch auf bestimmte Daten, beispielsweise die vollständige Adresse, verzichtet werden. Man kann sich also gegebenenfalls ein paar Datenfelder sparen.
Auf den Papiermeldeschein und dessen Unterzeichnung kann ebenfalls verzichtet werden und auch die Aufbewahrungspflicht der Meldezettel besteht nicht mehr – allerdings eben nur für Gäste deutscher Staatsangehörigkeit. Relevant ist aber, was die jeweiligen Kommunen per Satzung von den Beherbergungsbetrieben in Bezug auf die Übernachtungsmeldung abfordern. In kurtaxpflichtigen Orten umfasst die Gastmeldung zum Zweck der Kurtaxerhebung insbesondere den Aufenthaltszeitraum und die Gastkategorie. Für die Personalisierung und Kontrolle einer nicht-übertragbaren Gästekarte ist zudem der Name des Gastes erforderlich. Ob allerdings die Erhebung der Postleitzahl weiterhin obligatorisch sein darf, entzieht sich mir, hierzu braucht es den Rat eines Juristen. Manche Staatsbäder haben allerdings ihre Betriebe bereits darauf hingewiesen, dass man vom Bürokratieentlastungsgesetz nicht betroffen sei und die Meldepflicht – inklusive der bisherigen Prozesse – vollumfänglich erhalten bleibt.
Werden diese regional unterschiedlichen Abläufe nicht für Missverständnisse am Hotelcounter sorgen?
Davon ist auszugehen. Es besteht derzeit die Gefahr, dass es zu wilden Interpretationen der Meldepflicht und einem Schwinden der Meldemoral seitens der Orte kommen könnte. Wir haben Kunden, die sich bereits jetzt deshalb für verschärfte Kontrollen rüsten. Die Politik wiederum verkauft den Endkunden das neue Gesetz als große Entlastung. Für Deutsche werde nun am Counter alles bequemer. Dann wird es natürlich zu irritierten Rückfragen bei der Ankunft im Hotel kommen, wenn mancherorts trotzdem Daten erhoben werden, Zettel ausgefüllt und Papiere unterschrieben werden müssen. Hier sind die gastbeitragserhebenden Gemeinden gut beraten, rechtzeitig in die Kommunikation zu gehen. Zusammen mit dem DTV und dem Heilbäderverband wurden auch diverse Handlungsempfehlungen und eine Handreiche zum Satzungsrecht auf den Weg gebracht, an denen man sich orientieren kann.
Inwiefern wird die Abschaffung der Meldepflicht für deutsche Gäste Einfluss auf die amtliche Übernachtungsstatistik haben?
Die Kommunen beziehen über die Systeme bislang anonymisierte Auswertungen der Übernachtungsmeldungen, beispielsweise zum Gästeaufkommen, zur Auslastung, Altersstruktur oder auch über die Herkunft der Gäste. Dies sind für das Destinationsmarketing enorm wichtige Kennziffern! Für die verpflichtenden Meldungen an das Landes- oder Bundesstatistikkamt gibt es eine eigene rechtliche Grundlage – aber es ist stark davon auszugehen, dass viele Beherbergungsbetriebe die hier abgeforderten Daten stets aus dem Prozess der bisherigen Gästeanmeldung genommen haben. Wie das nun in der Praxis laufen wird und wie gut die Daten der amtlichen Statistik in Zukunft sein werden, dahinter muss man zum jetzigen Zeitpunkt ein großes Fragezeichen machen.
Hat der Eingriff ins Melderecht also vielleicht mehr negative als positive Aspekte?
Sagen wir mal so: Es wurde Zeit, dass sich in Sachen Papiermeldeschein etwas tut. Nun wird es sicher weitere Impulse in Richtung einer verbesserten, zeitgemäßen digitalen Gastregistrierung inklusive smartphonebasierter Gästekarten geben. Dafür hätte meines Erachtens allerdings auch ein Zulassen digitaler Meldevarianten genügt. Dafür hätte man in Berlin nicht gleich die Meldepflicht für Deutsche
komplett streichen müssen. Denkbar unglücklich ist in jedem Fall die fehlende Übergangsfrist. Beschluss im Oktober und Gültigkeit direkt zweieinhalb Monate später. Das ist einfach zu wenig Zeit! Manche sehen das Thema zwar gelassen: Doch bei vielen Kommunen sorgt die Umstellung für einen hektischen Herbst. Man darf schließlich nicht vergessen: Vielerorts wird immer noch mit Papiermeldescheinen oder Druckvorlagen gearbeitet.
Zur Person: Klaus Schön ist Leiter Touristik bei der AVS GmbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der strategischen Produktentwicklung sowie im nachhaltigen Systembetrieb. Die AVS bietet seit über 50 Jahren individuelle Card-Lösungen für die Bereiche Handel, Verlagswesen und Tourismus. Mit den Produkten AVS-Meldeschein und AVS-Card betreut das Technologieunternehmen aus Bayreuth 300 Ortskunden und 60 Destinationen im DACH-Raum.
Dieser Artikel ist im TN-Digital Magazin 2024 erschienen.
Zum gesamten Magazin geht´s hier: https://bit.ly/3Z5UwY4