Ein Gespräch über die Kunst, aus Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen, Auslastungs- und Preisprognosen für bis zu 365 Tage im Voraus, und wie Echtzeit-Beherbergungsdaten Einfluss auf den Erfolg von Werbekampagnen nehmen.
Herr Evertz, hinter myrate liegt ein spannendes Jahr 2024 – und dieses Jahr ist viel in Planung. Worauf fokussiert sich das Produkt aktuell und welche Antworten liefert myrate damit für Destinationen und Gastgeber?
Evertz: Ein spannender Punkt, der sich letztes Jahr herauskristallisiert hat, ist das Thema, wie unsere Daten auch für das Marketing und hier im Speziellen für Programmatic Advertising eingesetzt werden können. Wir konnten zusammen mit dem Burgenland Tourismus und der Mediaplus Austria einen Case umsetzen, in dem durch die intelligente Nutzung von präzisen Beherbergungsdaten Kampagnen gesteuert wurden. Erstmals konnten Kampagnen damit in Echtzeit und automatisiert an Auslastung und Preisentwicklung angepasst werden. Das heißt, aufgrund der Nachfrage wurde der Werbedruck entsprechend angepasst. Die Kampagne führte zu einer deutlichen Verlängerung der Aufenthaltsdauern, insbesondere bei Angeboten von fünf Nächten, deren Verfügbarkeit im Kampagnenzeitraum und darüber hinaus signifikant gesunken ist. Eine Lösung, die das touristische Marketing nachhaltig verändern wird. Präzise Daten als Schlüssel zum Erfolg.
Herr Glaß, Sie sind neu im Team von myrate, wissen unter anderem aus Ihrer Zeit bei der TourismusMarketing Niedersachsen GmbH, wo Sie Leiter Marktforschung & Qualitätsmanagement waren, was für Herausforderungen die DMO-Seite hat, wenn es um das richtige Interpretieren und die Beschaffung von Daten geht. Was macht den Ansatz von myrate so vielversprechend?
Glaß: Mich begeistert insbesondere die Einzigartigkeit der Daten und die Möglichkeit, holistische Erkenntnisse für 365 Tage im Voraus liefern zu können. Hier unterscheiden wir uns von den herkömmlichen touristischen Daten, wie Übernachtungsstatistiken oder Bewertungsportalen, die den Blick in die Vergangenheit richten, und bieten eine sinnvolle Ergänzung. Der myrate-Ansatz bietet daher für ganz unterschiedliche Bedarfsgruppen die Möglichkeit, frühzeitig Markttrends zu identifizieren und sich mit anderen Destinationen zu vergleichen.
myrate ist also nicht nur eine Lösung für klassische DMOs?
Glaß: Das stimmt. Denn der Erkenntnisgewinn der Daten beschränkt sich nicht nur auf Verfügbarkeiten und Preisentwicklungen von Beherbergungskapazitäten. Darüber hinaus lassen sich Ableitungen zu generellen Preisstrukturen und Standortentwicklungen treffen, die z.B. für Hotelentwickler von Interesse sind. Und Beherbergungsbetriebe können die Daten gewinnbringend zur Umsatzoptimierung verwenden. Ein anderes gutes Beispiel ist das Sparkassen Tourismusbarometer, das künftig auch in Zusammenarbeit mit dem dwif auf die Daten von myrate zurückgreifen wird.
Herr Evertz: Zusätzlich zu einer modernen Dashboardl-Lsung bietet myrate Destinationen einen Vermieter-Newsletter und den myrate-Geschäftsführer-Newsletter. Büsum hat kürzlich gemeldet, dass dieser Service bei den Vermietern auf enorm hohe Akzeptanz stößt. Was genau steht in dem Newsletter und wie oft erscheint er?
Evertz: Die Grundidee des Newsletters ist, allen Beherbergungsbetrieben einer Region, also Hoteliers, den Betreibern von Ferienwohnungen und -häusern oder auch Aparthotels, gezielt Informationen zur Preis- und Verfügbarkeiten-Entwicklung in ihrer Region zu liefern. In den Newsletter stehen detaillierte Informationen zu den einzelnen Hotelkategorien und den unterschiedlichen Kategorien der Ferienunterkünfte. Unser Team von Datenanalysten und Revenue Managern übernimmt hier für die Unternehmer die Aufgabe, sich gezielt die Entwicklung der kommenden Monate anzuschauen und daraus ableitend transparent und verständlich die Entwicklung des Marktes zu erklären.
Neu dazukommen wird in Kürze das so genannte GästeRadar365: Hier werden neben den Gastgebern künftig auch weitere Leistungsträger einer Region, beispielsweise Bäckereien, Lebensmitteleinzelhändler, die Gastronomie, Rettungsdienste, der ÖPNV oder Kunst- und Kultureinrichtung darüber informiert, wie viele Menschen in den nächsten sieben Tagen, in den nächsten Wochen, Monaten und im kommenden Jahr vor Ort sein werden. Somit wird eine kurz-, und langfristige effiziente Mitarbeiterplanung genauso ermöglicht, wie eine sinnvolle Verkehrsplanung und Einkaufssteuerung bei allen Stakeholdern. Offizieller Launch dieses von den Regionen bei uns immer wieder nachgefragten Produkts ist auf der ITB 2025.
Herr Glaß: Warum tun sich viele Gastgeber anscheinend immer noch so schwer mit dynamischen Preismodellen?
Glaß: Aus meiner Sicht gibt es hier ganz unterschiedliche Gründe. Meine bisherigen Erfahrungen in der Tourismusbranche haben gezeigt, dass es sich grundsätzlich immer lohnt, seine betrieblichen Entscheidungen auf Basis von soliden Daten zu treffen. Beim Thema dynamische Preise handelt es sich als solches schon um eine ziemlich komplexe Wissenschaft. Häufig ist die erste Begegnung mit dem Thema Daten damit verbunden, dass man auf einen bunten, völlig undurchschaubaren Bildschirm schaut und sich die Frage stellt: Was sehe ich da und wie übertrage ich das auf meinen Betrieb?
Die Herausforderung besteht in der Komplexität an sich, der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Betriebe innerhalb einer Region und in der sich immer unterschiedlich entwickelnden Saison: Mal Schnee ohne Ende, mal keiner oder Temperaturen unter 15 Grad an der Küste oder plötzlich tropische Verhältnisse. Entsprechend passgenau sollten Marketingaktivitäten in der jeweiligen Destination ausgesteuert werden. Die zweite große Herausforderung ist oft die fehlende Zeit der Gastgeber. Gerade in der Parahotellerie sind die wenigsten Unterkunftsanbieter hauptberuflich tätig, sondern erledigen ihr Vermietungsgeschäft nebenbei. Hier müssen die Daten so aufbereitet sein, dass jeder mit so wenig Aufwand wie möglich die Trends erkennen und darauf rechtzeitig reagieren kann.
Herr Evertz: Was verrät der Blick in die Daten für die deutschen Ferienregionen für 2025?
Evertz: Basierend auf aktuellen Buchungstrends und Verfügbarkeitsdaten lassen sich bereits jetzt spannende Entwicklungen für den Sommer 2025 erkennen. Ein paar Beispiele:
- Sylt: Während die Verfügbarkeit zwischen Ende Juli und Anfang September auf dem Niveau des Vorjahres liegt, gibt es im Juni und Juli mehr freie Unterkünfte als 2024. Die Preise hingegen steigen in den Hauptreise-Monaten um rund 40 € pro Nacht.
- Büsum: Die Nachfrage ist besonders während der Veranstaltung „Legend of the Sea“ hoch, wodurch die Verfügbarkeit sinkt. In der restlichen Sommersaison zeigt sich jedoch bis jetzt eine eher verhaltene Buchungsdynamik. Preislich sind insbesondere der Juni und die Zeit ab Mitte August teurer als im Vorjahr.
- Sankt Peter-Ording: Hier zeigt sich ein klarer Trend: Die Verfügbarkeit ist niedriger als 2024, während die Preise um durchschnittlich 70 Euro pro Nacht steigen. Dies deutet auf eine hohe Nachfrage hin.
- Rügen: Trotz geringerer Verfügbarkeit bleiben die Preise unter dem Vorjahresniveau – ein bemerkenswerter Trend, der auf eine Niedrigpreisstrategie oder geänderte Buchungsdynamiken hindeutet.
An was für Weiterentwicklungen arbeitet das Team von myrate derzeit?
Evertz: Unser Fokus liegt nach wie vor auf dem Thema predictive data, also Vorhersage und Prognose in der Touristik. Wir beschäftigen uns tagtäglich mit Date – für uns ist das nichts Neues, für unsere Kunden allerdings schon. So haben wir in den letzten anderthalb Jahren immer wieder festgestellt, dass die grundsätzliche Interpretation von Daten, Prognosen oder die Herleitung von daraus entstehenden Aktionen, z.B. im Bereich Marketing, unsere Nutzer vor große Herausforderungen stellt. Um hier eine Lösung zu finden und unsere Kunden bei der Interpretation der Daten zu helfen, arbeiten wir jetzt mit Prof. Dr. Wolfram Höpken und Johanna Appel zusammen. Prof. Dr. Höpken, von der Hochschule Ravensburg-Weingarten, ist einer der Spezialisten für Business Intelligence & Predictive Analytics und IKT-Systeme im Tourismus. Frau Appel ist eine führende Expertin für die Themen Artificial Intelligence (AI), Machine Learning und Software Development.
Unser Ziel ist es, neben innovativen Darstellungen und neuen Interpretationen, die Daten sicher und fundiert nicht einfach auf LLM basierten Modellen zu verarbeiten, sondern per AI und Machine Learning auf unseren Daten auf die Bedürfnisse unserer Kunden hin auszuwerten. Wir wollen diese Auswertung direkt zur Verfügung stellen. Sozusagen ein Reporting on Demand.
Das klingt spannend.
Evertz: Ziel ist es, Know-how zu vermitteln, fundierte Entscheidungsgrundlagen, Use Cases und Vorschläge, z.B. für Call to Actions, zu liefern. Außerdem wollen wir dabei unterstützen, datenbasiert die richtigen Entscheidungen in der Tourismusentwicklung zu treffen. Da das allerdings noch einen Moment dauern wird, arbeiten wir parallel mit Hochdruck an der effizienten Darstellung unserer und weiterer Daten wie z.B. Wetterdaten, Bewertungen, Vergangenheitsdaten oder langfristigen Belegungsprognosen in unserem neuen Dashboard. Seit zwei Monaten sind wir in der Testphase und unsere Partner sind begeistert!
Nicht zuletzt arbeiten wir an spannenden, zusätzlichen Features in unserem neuen Dashboards. Wir können weitere relevante Daten aus unterschiedlichsten Quellen wie z.B. die Anzahl der vermieteten Strandkörbe, verkaufte Lift,- bzw. Thermentickets per API aus dem touristischen Betrieb und den vielen unterschiedlichen Systemen der TVBs in das Dashboard einpflegen und professionell darstellen. Natürlich können wir, wenn gewünscht, dank unseres Know-hows im Tourismus diese Daten mit den myrate-Daten oder untereinander verschneiden. Ein Dashboard, ein Log-in, einfach und unkompliziert!
Für weitere Infos oder Demo: https://www.my-rate.de/