
Ein Gespräch über die ITB Berlin als Spiegel der internationalen Tourismusentwicklung, das Ausstellerwachstum in der DACH-Halle und die Herausforderungen, denen speziell der Deutschlandtourismus gegenübersteht.
Der Tourismus hat 2024 international beinah wieder zur alten Stärke gefunden. Spiegelt sich diese positive Entwicklung auch auf der ITB Berlin?
Rothe: Auf jeden Fall. Die ITB Berlin ist der Spiegel der Tourismuswirtschaft, der Unternehmen und der Entwicklung in den Reiseländern. Wir sind mit knapp 95 Prozent der Ausstellungsfläche beinah ausgebucht. Und dass sich 170 Länder in Berlin präsentieren werden, zeigt ebenfalls die Dynamik und international positive Stimmung. Auch der Ticketverkauf erreicht jetzt kurz vor Messebeginn seinen Höhepunkt. Entsprechend haben wir hier noch keine finalen Zahlen, aber auch ein Plus bei den Fachbesuchern scheint Stand jetzt wahrscheinlich. Das größte Wachstum auf der Ausstellerseite verzeichnen die Länder Südeuropas, Asiens und Afrika sowie die Segmente Kreuzfahrt und Travel-Technology. Der Bereich Tech füllt inzwischen allein sechs Hallen – und zieht sich bei den Lösungen und Produkten im positiven Sinne disruptiv durch die gesamte Wertschöpfungskette der Touristik.
Im vergangenen Jahr gab es erstmals eine DACH-Halle im Hub27. Österreich hat seine Ausstellungsfläche dieses Jahr vergrößert – wie sieht es bei den Destinationen aus Deutschland aus?
Deutschland belegt mit der DZT, den Bundesländern und Destinationen erneut den größten Teil der Fläche im hub27. Zusammengerechnet knapp die Hälfte. Da diesmal gleich acht Bundesländer wieder eigene Stände haben, sehen wir hier auch Wachstum. Was uns sehr freut: Hamburg ist nach mehreren Jahren Messe-Abstinenz gleich mit einem eigenen 200-Quadratmeter-Stand zurück auf der ITB Berlin. Hier hat sich jetzt ausgezahlt, dass wir den Gesprächsfaden nie haben abreißen lassen. Am Gemeinschaftsstand der DZT präsentieren sich dann erneut die anderen Bundesländer gemeinsam in einem modernen Setting. Österreich hat sich um 100 Quadratmeter vergrößert und steigt diesmal mit seinen Partnern zum zweitgrößten Aussteller in der DACH-Halle auf. Doch auch die Schweiz hat sich vergrößert. Neu im Hub27 ist mit eigener Präsenz erstmals auch Sonnenklar.TV. Der Sender ist mit vielen erdgebundenen Reiseangeboten und Kooperationen mit deutschen Regionen eine gute Ergänzung in der DACH-Halle.
Obwohl der Deutschlandtourismus 2024 ein neues Rekordjahr bei den Übernachtungen melden konnte, sind die Rahmenbedingungen schwierig wie lange nicht mehr. Was sind aus Ihrer Sicht vor allem mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit die größten Baustellen?
Das gute Signal ist, das der Deutschlandtourismus trotz aller Herausforderungen wachsen konnte und international weiter als attraktiv und offen wahrgenommen wird. Ein echtes Problem – und wird seit längerem deutlich – sind die hohen staatlichen Steuern und Gebühren im Flugverkehr. Ryanair und Eurowings haben bereits Konsequenzen gezogen und massiv Kapazitäten von deutschen Flughäfen abgezogen. Ryanair hat Dortmund, Dresden und Leipzig sogar komplett aus dem Sommerflugplan gestrichen. Seitens Eurowings fehlen allein in Hamburg und Berlin rund 1.000 Flüge. Damit sich die Erreichbarkeit Deutschlands aus dem Ausland nicht weiter verschlechtert, muss dieses Thema seitens der Politik nun nach der Wahl angegangen werden. Aber der Deutschlandtourismus hat auch innerdeutsch mit den Infrastrukturproblemen der Deutschen Bahn ein Thema! Zugausfälle und Verspätungen haben ein Niveau erreicht, das sich negativ auf das Reiseerlebnis auswirkt. Ich erinnere nur an das Bild, was hier während der EM auch nach außen getragen wurde, als immer wieder ausländische Touristengruppen – auch medial begleitet von der internationalen Presse – an irgendwelchen Bahnsteigen strandeten. Wir Deutsche sind diese Zustände inzwischen ja gewohnt und wissen uns zu helfen – ein internationaler Gast aber eben nicht. Nicht zuletzt wirkt sich das Thema Fachkräftemangel in der Hotellerie und Gastronomie inzwischen immer häufiger auf die Servicequalität aus. Die Coronazeit hat diesen Trend auch noch massiv beschleunigt.
Was sind neben Travel-Technologie weitere Wachstumsthemen, die im Fokus der Messe stehen werden?
Das von mir eben angesprochene Thema der nachlassenden Servicequalität aufgrund von Personalmangel ist ein Treiber der Digitalisierung. Technologie übernimmt zunehmend automatisiert Aufgaben, vor denen vor ein paar Jahren noch händisch angepackt wurde. Ganz deutlich sichtbar ist dieser Trend in den Bereichen Onlinebuchung, Informations- und Wissensvermittlung und teils Gästebetreuung. Der Grad der Automatisierung ist inzwischen hoch und passiert im Hintergrund, ohne dass der Reisende das spürt. Die Mitarbeiter werden dadurch allerdings massiv entlastet. Während Maschinen durch die immer bessere Vernetzung unterschiedlicher Daten administrative Aufgaben in Sekunden erledigen, wird Zeit frei für hochwertige persönliche Betreuung. Der persönliche Kontakt zum Gast bleibt auch im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz und trotz aller Konnektivität das wichtigste Asset.
Was gibt es seitens der Messe für Highlights im Fachbesucherprogramm?
400 Speaker und 200 Sessions machen deutlich, dass wir wieder ein sehr vielseitiges Programm auf die Beine gestellt haben. Mit Blick auf den Deutschlandtourismus ist sicher die Session zu den Herausforderungen im Luftverkehr spannend, wo unter anderem Eurowings-CEO Jens Bischof und Dara Brady, CMO von Ryanair, im „Carrier Cruise Track“ am 4. März auf der Bühne stehen. Besonders freue ich mich auch, dass wir mit Christoph Debus den neuen CEO der DERTOUR Group für eine Session gewinnen konnten. Auch den Themen KI, Nachhaltigkeit sowie den Reisebedürfnissen der jungen Generation geben wir Raum. Letzterer im „Corporate Culture Clash Track“. Und auch, wenn im letzten Jahr gut 24.000 Besucher als Kongressprogramm teilgenommen haben, ist uns bewusst, dass sehr viele kaum oder keine Zeit haben, sich Sessions live anzusehen. Aus diesem Grund streamen wir das Programm und es gibt die Möglichkeit, sich die Panels auch im Nachgang noch anzuschauen. Es lohnt sich also in jedem Fall, einen Blick ins Kongressprogramm zu werfen.