Ein Gespräch über das neue Zielgruppen-Marketing für Rheinland-Pfalz, die Vorfreude auf Karl Marx am ITB-Stand, und warum Übernachtungszahlen trügerisch sind, wenn es um die Erfolgsbetrachtung für eine Region geht.
Herr Zindler, die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH beginnt dieses Jahr mit der Umsetzung eines neuen Zielgruppen-Marketings. Bitte erläutern Sie uns kurz, worum es dabei geht?
Wir haben unser Themenmarketing, das auf den vier Säulen Wandern, Radfahren, Gesundheit & Wellness und Wein fußt, weiterentwickelt. Und zwar in Richtung Zielgruppenmarketing. Wir denken die Themen, die wir als Reiseland bieten können, jetzt stärker aus Kundensicht. Und da werden Themen nicht monothematisch nachgefragt, sondern in der Kombination. Darauf stellen wir uns in der Vermarktung und Angebotsentwicklung ein.
Ihre definierten Zielgruppen, „Personas“ genannt, wirken aus anderen Destinationen durchaus bekannt. Um „Aktive Naturgenießer“ werben viele. Was unterscheidet Ihr Konzept von anderen Regionen?
Andere Bundesländer nutzen zum Teil zwar auch die Daten des GfK-Mobilitätsmonitors, der das Reiseverhalten der Bürger untersucht. Wir haben diese Daten aber noch verschnitten mit den Analysen und Ergebnissen aus unserer Destination Brand-Studie. Und deren Ausgangspunkt ist die Themenkompetenz. Hieraus wissen wir also zusätzlich, wo wir in der Wahrnehmung draußen wirklich gut – oder besser sind als andere. So haben wir unsere Zielgruppen definiert und aus den elf Zielgruppen der GfK fünf, die zu Rheinland-Pfalz passen, ausgewählt.
„Reifere Natur- und Kulturliebhaber“, Vielseitig Aktive“: Ganz ehrlich, auf mich wirken diese Personas nicht wie spitze Zielgruppen, sondern eher weich definiert.
In der Namensgebung mag das auf den ersten Blick so aussehen. Aber unsere Personas sind sehr detailliert definiert. Da geht es konkret um das jeweilige Reiseverhalten, um die Art wie eine Zielgruppe privat tickt. Während die „Kleinstadtgenießer“ zum Beispiel sehr internetaffin sind, viel auf Facebook unterwegs sind und sich viel auch über Bewertungsportale informieren, nutzen die „Nur Wanderer“ die sozialen Netzwerke eher wenig. Aber wenn diese Gruppe im Internet nach Informationen sucht, dann eher über Blogs. So detailliert haben wir das herausgearbeitet. Und dementsprechend passgenau wird auch unsere jeweilige Ansprache in den unterschiedlichen Kanälen. Auch Print hat hier übrigens nach wie vor seine Berechtigung.
Und alle Akteure ziehen mit?
Absolut. Ich glaube, es gibt kein Bundesland, das diese Zielgruppensegmentierung mit allen Regionen gemeinsam so konsequent umsetzt. Zumindest ist das meine Wahrnehmung. Alle Regionen und Akteure tragen dieses Konzept mit. Jede Region hat sich aus den Personas die für sich passenden Zielgruppen ausgesucht – und fokussiert diese in Zukunft konsequent. Alle zahlen mit ihren Marketingmaßnahmen auf die definierten Zielgruppen ein. Das ist auch der Anspruch, den wir haben. Und der damit verbundene Anspruch ist natürlich auch, die möglichst größte Wertschöpfung zu erzielen.
Aber diese fünf definierten Hauptzielgruppen machen nur 46 Prozent ihrer Gäste aus. Was ist mit dem Rest?
Alle Gäste sind uns willkommen. Aber wir müssen unsere Mittel effektiv einsetzen. Und da macht es nach unseren Analysen Sinn, sich auf diese 46 Prozent unserer Gäste zu fokussieren. Denn diese fünf Zielgruppen geben am meisten aus, bleiben am längsten, buchen öfter Hotels und finden in Rheinland-Pfalz vor allem genau das, was sie nachfragen. Also allein angebotsseitig wird hier potentiell das meiste Geld umgesetzt.
Welche Rolle wird dieses Thema auf der ITB beim Fachpublikum spielen – und was erwartet Besucher am neuen Stand?
Das wird in den Gesprächen eine Riesenrolle spielen. Ob Sie mit dem Vertreter einer Region, der IHK oder des Dehoga einen Termin haben: Um dieses Thema werden Sie nicht herumkommen. Denn es geht ja jetzt darum, mit bestehenden und potentiellen Partnern zielgerichtet in den Zielgruppen zu arbeiten. Und auch neue Ideen müssen sich sinnvoll andocken lassen. Der Stand selbst präsentiert sich moderner und mit viel Bewegtbild auch emotionaler. Trotzdem besteht unsere Hauptaufgabe auf der ITB darin, eine gute Atmosphäre für Gespräche zu schaffen. Diesen Fokus hat der Stand, alles ist hell und freundlich. Und auch das Kulinarische kommt wie immer nicht zu kurz.
Was sind die Ihre wichtigsten Themen für 2017?
Naturerlebnis, Wein und Kulinarik sowie die größte Burgendichte Deutschlands sind unsere Hauptthemen. Und obwohl Rheinland-Pflanz nicht das Kernland der Reformation war, haben wir mit Speyer und Worms auch zwei Städte, in denen Luther seine Spuren hinterlassen hat. Aber wir blicken schon ein Jahr weiter: 2018 feiern wir den 200. Geburtstag von Karl Marx, ein Trierer Junge. Wir haben am Stand schon ein Marx-Double. Wir stimmen uns und die Besucher also schon einmal auf alles ein, was da kommt. Die Palette reicht ja vom Kinofilm bis zu einer großen Landesausstellung.
Zum Abschluss noch ein Blick auf die Gästezahlen: Wie war 2016 und was erwarten Sie in diesem Jahr?
Over all hatten wir 2016 einen Gästeanstieg und haben das Übernachtungsniveau auf dem Rekordniveau von 2015 gehalten. Einen Zuwachs gab es jedoch nicht. Aber da wollen wir wieder hin. Doch hängt ein Land wie Rheinland-Pfalz mit vielen Outdoor-Aktivitäten auch am Wetter. Und der letzte Sommer war ziemlich verregnet. Aber gerade mit Blick auf unsere neuen Zielgruppen muss man sagen: Der Blick auf die reinen Übernachtungszahlen ist trügerisch – auch wenn er sich als Vergleichsgröße etabliert hat. Viel wichtiger ist, wie viel Wertschöpfung wir mit welcher Zielgruppe erreichen. Das sind unsere Hausaufgaben. Und daran lassen wir uns künftig gerne messen.