Ein Gespräch über die Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Wellnessverständnis, Lebensanalysen in Hotels und Zertifikate für die Außendarstellung.
Herr Hertel, wie hat sich die Wellness-Kultur in Deutschland in den vergangenen Jahren entwickelt?
Wir haben 1990 mit dem Deutschen Wellness Verband das amerikanische Wellness-Konzept nach Deutschland gebracht. Seit der Jahrtausendwende gibt es auch hier so etwas wie eine Wellnesskultur. Damals haben viele Menschen, aber auch Firmen registriert, dass Wellness ein interessantes Geschäftskonzept ist.
Inwiefern unterscheidet sich der amerikanische Wellnessansatz von dem, der in Deutschland verbreitet ist?
Die Amerikaner verstehen unter Wellness Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit. Amerikanische Programme setzen am Verhalten und an den Lebenseinstellungen des Menschen an. Das deutsche Wellness-Verständnis sieht den Menschen eher als Patienten, der sich behandeln lässt. Das ist ein grundsätzlich gegensätzliches Verständnis. Wellness in Deutschland heißt „Ich lasse machen“, Wellness in den USA heißt „Ich mache selbst“. Im Verband versuchen wir, innerhalb der Branche verständlich zu machen, dass beides zusammengehört.
Inwiefern setzt sich diese Denkweise in der Hotellerie durch?
Vom Durchsetzen sind wir noch weit entfernt. Es gibt die ersten Versuche, die amerikanische Denkweise in deutschen Wellness-Hotels einzuführen. Aber das ist nicht einfach, weil sich über Jahrzehnte ein anderes Verständnis etabliert hat. Gästen heute klar zu machen, dass sie selbst etwas tun müssen, erfordert Zeit. Aber die Ansätze sind da.
Gibt es in Deutschland Musterresorts?
Das Esplanade Resort in Bad Saarow fällt mir hier ein. Hier wurde ein Life-Coaching-Konzept entwickelt. Gäste können unter Anleitung eines Coaches eine Lebensanalyse erstellen lassen. Der Coach erfasst dabei die Verbesserungspotentiale, die der Gast hat, um sein Leben positiv zu verändern. Dann werden neue Wege der Lebensbetrachtung, aber auch neue Verhaltensweisen eingeübt – das geht hin bis zum Einkaufscoaching.
Was war der Grundgedanke in Ihrem Verband, eine Zertifizierung für Wellnessbetriebe einzuführen?
Für die Begriffe „Wellness“ und „Wellness-Hotel“ gibt es in Deutschland keine Regulierung, und es ist manchmal schwer, qualifizierte Betriebe zu finden. In Publikumsmedien kommt das Thema immer mal wieder hoch, wenn es um Schwarze Schafe und Enttäuschungen geht. Um hier Orientierung zu geben und die guten Betriebe der Branche zu schützen, haben wir das Deutsche Wellness-Zertifikat ins Leben gerufen. Rund 125 Betriebe haben sich in Deutschland bislang auf der Basis- oder dem Premiumstufe für jeweils zwei Jahre zertifizieren lassen.
Welche Kriterien werden in der Hotellerie überprüft und worin unterscheiden sich Basis- und Premiumlevel?
Zu den Anforderungen gehört, dass beim Basislevel (Kosten: 1.500 Euro) mindestens sieben Quadratmeter Indoor-Wellnessfläche pro Zimmer bestehen müssen. Im Premiumbereich (Kosten: 3.200 Euro) sind dies zehn bis zwölf Quadratmeter. Wichtig ist auch, dass zertifizierte Hotels nicht nur Massage- und Kosmetikabteilung, sondern auch ein Aktiv-Kursangebot vorweisen können. Zudem müssen verschiedene Warmbadegelegenheiten angeboten werden sowie Ruheräume mit mindestens 0,5 Liegen pro Gästezimmer. Nicht zuletzt gibt es Anforderungen im gastronomischen Bereich. Es dürfen keine Convenience-Produkte verwendet werden, und vegetarische Angebote müssen selbstverständlich sein.
Welche Mindestanforderungen stellen Sie als Verband an das Fachpersonal?
Im kosmetischen Bereich erwarten wir die staatlich anerkannte Kosmetiker-Ausbildung und im Bereich der Massagen ausgebildete Physiotherapeuten. Dies ist – wie auch Masseur und medizinischer Bademeister – eine geschützte Berufsbezeichnung, und wir erwarten, dass sich die Ausübenden weiterbilden, um den Erfordernissen im Wellnessmarkt nachzukommen.