Carolin Wulke, Geschäftsführerin Die Nordsee GmbH

Ein Gespräch über acht Jahre UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer, Gästeempfehlungen im Online-Marketing und die Positionierung der Festlandthemen, wenn die Ostfriesischen Inseln Ende des Jahre Die Nordsee GmbH verlassen.

 

Frau Wulke, die niedersächsische Nordsee feiert dieser Tage acht Jahre UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer. Welche Bedeutung hat das Watt touristisch für die Region?

Das Wattenmeer ist das Alleinstellungsmerkmal der Nordsee. Das gibt es so in  anderen Küstenregionen nicht. Ebbe und Flut wirken sich wegen der extrem flachen Küste hier so stark aus, dass man bei Ebbe vom Festland auf einige Inseln laufen kann – natürlich nur mit einem erfahrenen Wattführer. Jetzt zum Welterbe-Geburtstag bieten wir zum Beispiel ein Frühstück am Watt inklusive einer Wattwanderung an. Zu entdecken gibt es viel, man muss sich der Natur hier aber auch nähern wollen. Auf den ersten Blick ist es erst mal viel Schlick, auf den zweiten Blick ist es ein Lebensraum mit etwa 10.000 verschiedenen Arten. Im Frühjahr und Herbst machen bis zu zwölf Millionen Zugvögel bei uns Rast, um sich im Watt satt zu futtern. Unsere Aufgabe ist es, den Gästen echte Erlebnisse zu offerieren, damit sie die Besonderheiten des Wattenmeeres schätzen und schützen lernen.

 

Anfang des Monats warnte das Bundesumweltamt vor der fortlaufenden Vermüllung der Küste durch Plastikmüll. Auch der Tourismus wurde als eine Quelle genannt. Was tun Sie als Organisation für eine saubere Umwelt?

Wichtig ist an der Stelle ist zu sagen, dass der meiste Müll durch die Flüsse ins Meer getragen wird und vom Meer aus an die Strände gespült wird. Die Entstehung des Problems ist also nicht nur ein regionales, sondern ein internationales. Trotzdem haben wir Verantwortung. Es gilt, unsere bereits bestehende nachhaltige Tourismusstrategie auf die Orte herunterzubrechen – und zwar gemeinsam mit  der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer und dem dazugehörigen Partner-Netzwerk. Was es schon gibt sind zum Beispiel Müllsammelaktionen in den Orten und Müllboxen an den Stränden. Auf Wangerooge gibt es eine Initiative, die sich gegen Plastiktüten wendet und konsequent auf Stoffbeutel setzt. Auch bei unserem Wattfrühstück wurde vollständig auf Einweggeschirr verzichtet, um die Gäste für das Thema zu sensibilisieren. Wir sind ebenso dabei eine Selbstverpflichtung der Orte auf den Weg zu bringen, stärker auf Plastikgeschirr und Luftballons zu verzichten. Aber das ist ein Prozess, der viel Überzeugungskraft kostet, weil wir letztendlich jeden Leistungsträger mitnehmen müssen.

 

Wenn man wie die Touristiker an der Nordsee Niedersachsens so große gemeinsame Highlights wie das Wattenmeer hat, warum wollen die Ostfriesischen Inseln dann raus aus dem Verband „Die Nordsee“?

Die Ostfriesischen Inseln wollen sich stärker selbst als Marke profilieren. Ende des Jahres scheiden die Inseln aus der GmbH aus. Für uns bedeutet das, uns in der Vermarktung stärker auf die Küsten- und Festlandthemen zu konzentrieren, wobei wir die Inseln weiter als Ausflugsziele darstellen werden. Das erwartet der Gast auch. Man muss aber klar sagen: Die touristische Region hier heißt nicht Ostfriesland, sondern „Die Nordsee“. Das macht in der Gesamtvermarktung auch Sinn, weil die Nordsee die stärkere Marke ist. Laut Destination Brand ist die Reihenfolge bei der ungestützten Bekanntheit für deutsche Reiseziele: Berlin, Ostsee, Hamburg, Nordsee. Die Nordsee kennt jeder.

 

Aber es gibt doch schon ein eigenes Ostfriesland-Portal.

Ja, es gibt sogar mehrere Organisationen. Und es läuft ein Prozess, diese Strukturen im Rahmen des Projekts „Destination 2030“ zu harmonisieren und uns gemeinsam besser aufzustellen.

 

Wie wird die künftige Positionierung des Festlandes ohne die Inseln aussehen?

Die Themen bleiben letztlich. Wir haben das Weltnaturerbe Wattenmeer und damit verbunden den Gesundheitsaspekt Thalasso. Wir werden aber das maritime Erlebnis noch mehr in den Vordergrund stellen, also die kleinen Sielhäfen mit ihren Krabbenkuttern, aber auch die größeren Häfen in Bremerhaven und Wilhelmshaven. Was wir in jedem Fall auch noch stärker herausarbeiten werden, ist die regionale Kultur und das Brauchtum, zum Beispiel die Teezeremonie oder die regionalen Produkte. Auch das Thema Deich ist vielseitig und befindet sich in einer fortwährenden Entwicklung, nicht zuletzt aufgrund des steigenden Meeresspiegels.

 

Sind die Gäste auf den Inseln ein anderer Schlag wie die, die auf dem Festland bleiben?

Teilweise schon. Selbst die Gästestrukturen auf den einzelnen Inseln unterscheiden sich voneinander. Der Grundgedanke, an die Nordsee zu wollen, ist aber derselbe. Aber an der Küste ist man als Gast mobiler, kann viel mehr Ausflüge machen. Auf der Insel gehen die Uhren etwas langsamer, die meisten unserer Inseln sind autofrei, man bewegt sich zu Fuß oder mit der Kutsche fort. Man hat mehr Abstand vom Festland, was für viele Gäste gleichbedeutend ist mit mehr Abstand vom Alltag. Aber der Bewegungsradius ist auf einer Insel natürlich wesentlich kleiner.

 

Wie verteilen sich die Gäste zwischen Inseln und Festland?

Gewerbliche Übernachtungen auf den Inseln hatten wir letztes Jahr 5,4 Millionen und an der Küste 7,9 Millionen. Aber ein sehr großer Teil bei uns ist nicht gewerblicher Struktur: In unserer Region kommen wir inklusive der Pensionen und Gästezimmer auf etwa 24 Millionen.

 

Wie steht es mit dem Thema Digitalisierung und was gibt aktuell für Social-Media-Projekte?

Mit entdecke.die-nordsee.de haben wir seit Anfang Juni eine neue Social-Media-Kampagne gestartet. Hintergrund ist, dass wir eine sehr aktive Community mit allein 71.000 Fans auf Facebook haben. Dort können unsere Gäste ihre persönlichen Tipps hochladen und so mit anderen teilen. Auf einer Karte wird eine Ortsmarke gesetzt, dazu kommt dann eine Beschreibung, kategorisiert nach Rubriken wie „Essen & Trinken“, „Lieblingsplatz“ oder „Fit & Aktiv“ und noch ein paar mehr. Das Ganze funktioniert auf Facebook und auf der einer Landingpage. Allein dort haben wir jetzt schon knapp 500 Empfehlungen online. Die Kampagne zielt übrigens auf Süddeutschland, um dort noch mehr Gäste für uns zu begeistern. Und ganz generell wollen wir noch stärker in den Bereich Online-Marketing gehen.

 

Die Nordsee hat auch alle ihre Broschüren und Kataloge digitalisiert. Wie wird das genutzt? Und wie gut ist diese Lösung?

Das ist eine Minimallösung. Ich würde sagen, die Möglichkeit online schon mal zu blättern, dient der Erstinspiration, um dann den Print-Katalog zu bestellen. Um richtig ausführlich zu lesen, dafür ist die Online-Lösung zu nutzerunfreundlich. Was wir aber dieses Jahr noch umsetzen wollen, ist ein Online-Magazin, das alle Geschichten, die wir über die Nordsee erzählen wollen, enthält. Kein Blog. Es wird leserfreundlich sein und muss vor allem Spaß machen.

 

Was sind die größten Herausforderungen, denen sich die „Die Nordsee“ als Destination gegenübersieht?

Das in Anführungszeichen Schlimme ist, dass es im Moment so gut läuft. Wir haben im letzten Jahr 3,5 Prozent allein bei den gewerblichen Übernachtungen zugelegt. Das heißt: Alle sind zufrieden. Das macht es schwieriger, Partner zu finden und Themen zu treiben. Wir müssen mehr dafür werben, dass weiter investiert wird, in Infrastruktur und Digitalisierung etwa. Gerade, weil es uns jetzt gut geht, müssen wir dranbleiben. Auch, weil wir perspektivisch ja eine Verjüngung der Gäste anstreben.