Ein Gespräch über Nachhaltigkeit in der Hotellerie, die Notwendigkeit eines international unabhängigen Öko-Labels und die steigende Nachfrage nach grünen Reisen
Frau Seipp, Sie betreiben mit Green Pearls eine Plattform für nachhaltige Destinationen und Hotels – auch in Deutschland. Bitte beschreiben Sie uns Ihr Konzept?
Seipp: Greanpearls wurde 2012 gegründet, seit 2013 sind wir online. Entstanden ist es aus der Idee heraus, dass es weltweit Hotels gibt, die nachhaltig arbeiten, oft sogar zertifiziert sind, dass der Gast diese aber oft nicht findet. Kaum ein Urlauber macht sich ja die Mühe, auf den einzelnen Hotelseiten im Kleingedruckten nach Informationen zur Nachhaltigkeit zu suchen. Unser Ziel war es also, wenn jemand Suchbegriffe wie „grünes Reisen“ oder „nachhaltiges Reisen“ eingibt, dass er dann auf einer Seite landet, wo er komprimiert Informationen zu Destinationen und Hotels findet.
Sie sagen auf Ihrer Website, Deutschland sei eine hervorragende Destination für nachhaltiges Reisen. Warum?
Seipp: In Deutschland steht allein schon beim Thema Architektur ganz weit oben. Sie können keinen Hotelneubau mehr ohne eine Vielzahl von Nachhaltigkeitskriterien bauen. Wir trennen hier den Müll, alle Geräte sind möglichst energiesparend. Der ganze Bereich der Hotelhardware stimmt also meist von vornherein schon mal.
Sie haben 15 Hotels in Deutschland auf ihrer Karte. Diese Häuser sind bei Ihnen Mitglieder, was bedeutet das?
Seipp: Zuerst muss ich vorwegschicken, dass wir kein Zertifikat vergeben. Wir verleihen ein Label, hinter dem sich ein umfassender Maßnahmenkatalog verbirgt. Die drei Säulen des Konzepts sind Architektur, Wasser- und Energieeffizienz sowie soziale und Kulturelle Themen. Wenn unser Label an der Eingangstür hängt, kann sich der Gast darauf verlassen, dass ein Hotel nach dem von uns geforderten Kriterienkatalog nachhaltig wirtschaftet. Wir machen die Kommunikation für die Hotels, betreiben unseren eigenen Blog, der gerade in UK als bester Nachhaltigkeits-Blog Europas ausgezeichnet wurde, wir organisieren Presse- und Blogger-Reisen und beleuchten das Thema Nachhaltigkeit aus verschiedensten Blickwinkeln.
Was macht Ihr Label glaubwürdig? Und was unterscheidet es zum Beispiel von Hotels, die den Titel TUI Umweltchampion tragen?
Seipp: Der Unterschied ist der, dass wir nicht einmalig einen Award verleihen. Vielmehr sind die Hoteliers unsere langjährigen Partner, mit denen wir gemeinsam stetig am Thema Nachhaltigkeit arbeiten.
Aber die TUI entwickelt doch auch ihre Hotels diesbezüglich stetig weiter und passt Kriterien an.
Seipp: Das stimmt. Aber beim Thema Nachhaltigkeit gibt es ein Transparenzproblem. Wir haben international inzwischen 139 verschiedene Zertifizierungen und viele nationale, die Hotels bekommen können. Wir brauchen aber endlich ein Label, das weltweit und losgelöst von wirtschaftlichen Interessen funktioniert. Und bei dem Kunden nicht sich nicht erst einlesen müssen, was dahinter steckt.
Apropos Kunde: Es heißt ja Angebot schafft Nachfrage. Sind eher die Anbieter gefordert mehr nachhaltige Produkte anzubieten – oder muss der Kunde Treiber der Angebote sein?
Seipp: Beides. Im Tourismus sind alle gefordert. Die Hoteliers und der Gast. Es gibt immer mehr Urlauber, die den Umweltgedanken nicht zuhause lassen, sobald sie auf dem Weg in die Ferien sind. Ganz wichtig ist beim Thema Angebot und Nachfrage, dass es in die Köpfe rein muss, dass ein nachhaltiges Hotel nicht teurer sein muss. Und weniger Komfort erwartet dort auch niemanden. Nachhaltigkeit ist leider noch bei zu vielen der letzte USP bei der Reiseentscheidung – aber es ist der wichtigste.
Wie viele Anfragen von Hoteliers bekommen Sie im Jahr?
Seipp: Viele. Allerdings müssen mindestens 80 Prozent unserer Kriterien für unser Label erfüllt werden. Das schaffen viele nicht. Aber natürlich wachsen wir. Doch nicht um jeden Preis. Die meisten unserer Mitglieder sind inhabergeführte Häuser. Und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass es so viele nachhaltige Ansätze wie Hotels gibt. Das Thema ist sehr dynamisch.
Lohnt es sich denn für einen Hoteliers, wenn man ihr Label trägt?
Seipp: Die Nachfrage nach grünen Reisen steigt, das wissen wir von unseren Hoteliers. Damit sich das Thema in den Buchungen niederschlägt, muss man sich aber klar positionieren. Als Hotel nur auf unserer Website zu stehen und das Label zu tragen, reicht allein nicht.
Speziell von Vielreisenden wie Geschäftsleuten fordern Sie mehr Sensibilität in Sachen Nachhaltigkeit ein. Sind die Ansprüche in diesem Segment anders als im B2C-Bereich?
Seipp: Erst einmal gibt es da keinen Unterschied. Aber der Bereich Green Meetings steht dieses und nächstes Jahr ganz oben bei uns auf der Liste. In diesem Bereich sprechen wir derzeit allen voran mit Kettenhotels. Hier kommt uns entgegen, dass immer mehr deutsche Unternehmen mittlerweile in ihre Reiserichtlinien aufnehmen, dass nach Möglichkeit bevorzugt nachhaltige Hotels gebucht werden sollen.