Ein Gespräch über die Digitalisierung der Städte, QR-Codes im Straßenpflaster und die anfängliche Skepsis der Alten.
Herr Sander, Minden ist nicht gerade eine Großstadt und trotzdem in vielerlei Hinsicht Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Wie kam es dazu?
Wir haben frühzeitig erkannt, dass die Digitalisierung der Schlüssel für die Stadt der Zukunft ist. Deshalb versuchen wir, neue Technologien für die Stadtentwicklung nutzbar zu machen und Tourismus, Events, Kultur, Einzelhandel und Gastronomie zu vernetzen.
Aus welchen Bausteinen setzt sich das Projekt „Digitales Minden“ zusammen?
Ein Ansatz ist, den virtuellen und realen Stadtraum zu vernetzen. Deshalb haben wir als erste Stadt in Deutschland QR-Codes im Straßenpflaster und auf Infostelen hinterlegt – als Touchpoints mit denen man ins virtuelle Minden kommt. Außerdem haben wir Webcams aufgestellt und die Minden-App neu aufgelegt. Weil wir einen heimischen Anbieter gefunden haben, der die Störerhaftung auf seine Kappe genommen hat, konnten wir auch das freie WLAN schnell in der Innenstadt ausbauen. Unser digitaler Marktplatz fungiert als Shoppingportal und eine Art Schaufenster, mit Anbietern aus Handel, Gastronomie, Tourismus und Kultur.
Und dann haben Sie vor kurzem als erste Stadt in Deutschland eine „Beacon-Mile“ (deutsch: Leuchtfeuer) installiert. Können Sie erklären, wie Touristen, Einzelhandel und Gastronomie davon profitieren?
Beacons sind kleine Bluetooth-Sender, 40 davon machen unsere touristischen Sehenswürdigkeiten auf dem Smartphone erlebbar, in Wort und Bild oder als Audio-Guide. Die zweite Ebene sind Handel und Gastronomie, die Beacons nutzen können, um Kunden zu gewinnen und zu binden, zum Beispiel über Rabatte. Da stehen alle Beteiligten am Anfang eines Lernprozesses. Auf der dritten Ebene haben wir die Kulturpartner vor Ort und auf der vierten sollen Nachrichten verbreitet werden. Der Ansatz besteht darin, den Kunden mit Angeboten nach Minden zu locken, um so Tourismus und Handel zu fördern. Die Technologie funktioniert, jetzt geht es darum, das auch in die Köpfe der Anbieter und Nutzer zu bekommen.
Seit wann gibt es das Projekt?
Die Website gab es quasi schon immer – obwohl wir auch da ständig weiterentwickeln –, ebenso die Webcams. 2013 kamen dann die QR-Codes dazu, 2014 das freie WLAN in weiten Teilen der Innenstadt und parallel dazu haben wir die App entwickelt. Im letzten halben Jahr haben wir dann die Beacon-Mile und den digitalen Marktplatz aufgebaut. Damit bieten wir auch Lokalkolorit und Geheimtipps, weil hier auch die kleinen Geschäfte vertreten sind, die keinen eigenen Internetauftritt haben. Die digitale Infrastruktur steht und jetzt soll das Ganze mit noch mehr Leben gefüllt werden.
Wer ist bei dem Projekt mit im Boot und was haben Sie bisher investiert?
Programmierer und Fachleute aus dem Mindener Land, die unser Konzept als Modellprojekt technisch begleiten, machen das für uns zum „Minden-Preis“. Dank der Unternehmen, die uns unterstützen, sind die Kosten im Rahmen geblieben. Hätten wir zwei Millionen Euro investieren müssen, hätte das nicht funktioniert.
Gab es auch Widerstand?
Natürlich müssen wir auch Überzeugungsarbeit leisten und auch dem ein oder anderen die Dollar-Zeichen aus den Augen nehmen. Aber Minden hat die ideale Größe für so ein Projekt. Man hat schnell einen Überblick, wen man als Modellpartner ins Boot holen kann. In einer Großstadt würde es wahrscheinlich Jahre dauern, alle unter einen Hut zu bekommen.
Wie ist die Minden Marketing GmbH aufgestellt – woher holen Sie sich Ihre Ideen und wer setzt sie um?
Die Kernarbeit machen wir selbst mit einem kleinen Team. Auch die Ideen kommen vom Stadtmarketing – sie sind das logische Fazit aus dem, was in der Welt passiert. Unsere Aufgabe ist es, diese Entwicklungen kreativ in Konzepte und operativ in ein Gesamtsystem zu überführen. Wichtig für den Erfolg ist auch, die richtigen Partner richtig zu motivieren.
Gibt es schon Feedback zu den verschiedenen digitalen Angeboten?
Die Resonanz ist sehr erfreulich. Natürlich haben viele ältere Leute noch Probleme. Wir hatten gerade ein Gourmetfest auf dem unsere Mitarbeiter permanent damit beschäftigt waren, den Leuten zu erklären, wie sie Bluetooth an ihrem Smartphone einschalten, damit sie die über Beacons angebotenen digitalen Gutscheine abrufen können. Aber auch die Menschen, die nicht so digital affin sind, bekommen mit, dass wir ganz vorne mit dabei sind. Dem Image der Stadt tut es gut, wenn über Minden überregional berichtet wird.
Sind noch weitere Neuerungen in naher Zukunft geplant?
Um das System weiter mit Leben zu füllen, wollen wir bald im Verbund, unter anderem mit Tageszeitung und Radio als Partner, eine große Kampagne starten. Über positive Beispiele gilt es für Anbieter und Kunden aus Tourismus, Handel, Gastronomie die Nutzung des „Digitalen Mindens“ zu lernen. Eine Blaupause haben wir nicht, wir probieren es einfach aus. Und wenn es nicht funktioniert, machen wir etwas anderes.