Gerald Kassner, Inhaber und Geschäftsführer Schauinsland Reisen

Ein Gespräch über 100 Jahre als Veranstalter, die aktuelle Lage im Flug- und Pauschalreisesektor und warum es so schwer ist, für Deutschlandangebote seinen Marktanteil vorher zu kalkulieren.

 

Herr Kassner, Schauinsland Reisen geht 2018 ins 100. Jahr als Unternehmen. Wenn Sie zurückblicken: Warum hat SLR es geschafft so groß und erfolgreich zu werden – und viele andere nicht?

Dieses Jubiläum ist wirklich etwas Emotionales für mich. Ich glaube ein wichtiger Teil unseres Erfolges ist unsere Struktur als effizient arbeitendes Familienunternehmen, das bald in die 4. Generation geht. Wir zeichnen uns durch kurze Entscheidungswege und eine hohe Eigenverantwortlichkeit unserer Mitarbeiter aus. Und wir haben rückblickend wenig nach links und rechts geschaut und uns auf Kunden konzentriert, die im Warmen Urlaub machen möchten. Dabei haben wir uns von den 60er bis zu den 80er Jahren von einem Busreiseveranstalter mit Fluganteil zu einem reinen Flugreiseveranstalter entwickelt. Und Qualität und Service wurden immer hochgehalten.

 

Das behaupten aber viele von sich.

Ja, aber wir sind nicht ohne Grund vor kurzem wieder bei einer Umfrage der Bild-Zeitung als Service-Champion auf Platz 3 gelandet. Auch bei den Rankings in Fachmagazinen belegen wir Spitzenplätze, etwa für unser Call-Center. Und trotz all unserer Affinität für Technik haben wir immer zu 100 Prozent auf die Reisebüros und Agenturen gesetzt. Dort schätzt man uns als verlässlichen Partner.

 

Wie oft gab es in der Vergangenheit schon Avancen von den Großen – und warum sind Sie lieber ein Familienunternehmen geblieben?

Angebote gab es immer wieder. Für alles Mögliche. Aber die Freiheiten, die wir haben, der Umgang miteinander, der gegenseitige Respekt am Standort und auch in Richtung der Kunden und Geschäftspartner, das ist etwas Wunderbares. Und es gab nie die Notwendigkeit eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung einzugehen. So wie es ist, macht es viel Spaß. Auch, wenn es gerade fordernde Zeiten sind.

 

Mit Blick auf die aktuelle Lage: Was macht Ihnen die größten Sorgen – und wo liegen vielleicht auch Chancen?

Zunächst sehe ich immer die Chancen. Mit etwas Fortune werden wir uns weiter immer ein Stück besser entwickeln als unsere Mitbewerber. Wenn man wie wir schon 1,5 Millionen Reisen im Jahr verkauft, wird es zwar schwieriger, weiter zweistellig zu wachsen, aber wir sind für das neue Geschäftsjahr sogar hoch zweistellig bei Umsatz und Gästen. Aber unbegrenztes Wachstum ist gar nicht unser Ziel. Wir wollen nachhaltig wirtschaften, investieren und unseren Mitarbeitern eine Tantieme zahlen können. Dann ist alles gut.

 

Aber es gibt doch auch Risiken.

Ja, wir wissen alle nicht, wie sich der Reisemarkt in Zukunft im Detail entwickeln wird. Wir wissen auch nicht, wer uns als Reiseveranstalter als Player noch gegenübertritt. Konkret müssen wir im Auge behalten, ob die großen US-Internet-Konzerne hier auf dem europäischen Reisemarkt stärker in den Vertrieb einsteigen – und was das dann für uns bedeutet. Aber meine Prognose ist: Wir werden in Deutschland nicht so schnell eine  Trendwende erleben. Denn Vertrauen ist gerade bei einer Pauschalreise  ein hohes Gut. Und fachkundiger Rat erst recht. Im Netz ist ein Urlaub zwar schnell gebucht. Aber die Prozesse im Online-Bereich zielen weniger auf Beratung. Jemand, der seinen Familienurlaub bucht, wird sich also genau überlegen, wie und wo er das macht.

 

Wie beurteilen Sie die Turbulenzen auf dem Flugmarkt, die insbesondere durch die Insolvenz von Air Berlin ausgelöst wurden?

Was die Fernstrecke angeht, konnten wir alles, was auf Air Berlin zum Beispiel Richtung Karibik gebucht war, über Condor und Eurowings auffangen. Richtung Asien haben wir mit Emirates, Etihad und Turkish Airlines viele andere Möglichkeiten. Auf der Mittelstrecke bleibt das Programm von Niki zum Glück bestehen. Hier gibt es also eine Vertragsfortführung. Insgesamt hatte Schauinsland bei Air Berlin und Niki zusammen aber nur noch einen Fluganteil von 15 Prozent. Vor ein paar Jahren waren die Kapazitäten noch höher. Aber unser Wachstum der vergangenen Jahre war nicht auf Air Berlin. Von daher ist das für uns jetzt alles verkraftbar – auch wenn es Geld gekostet hat. Und mit unserer Sundair haben wir auch noch einen eigenen kleinen Ball im Spielfeld.

 

Wie läuft es denn mit Sundair?

Wir haben seit Oktober zwei Maschinen des Typs A320 und fliegen seitdem als einzige Airline zu den klassischen Badezielen ab Kassel-Calden.  Die zweite Maschine fliegt ab Berlin. Ab Sommer 2018 planen wir noch zwei weitere eigene Maschinen einzusetzen. Über die Standorte ist aber noch nicht entschieden.

 

Mit Blick auf die Jubiläumskataloge: Was sind die Themen?

Ganz neu sind Kreuzfahrten von MSC sowohl im Paket inklusive Hotelverlängerung und Flug als auch nur mit Flug buchbar. Mit Aida gibt es mehr Fahrten insgesamt und dazu erstmals verschiedene Nord- und Ostseetouren ab Hamburg, Kiel und Warnemünde. Im Flugreisebereich setzen wir weiter stark auf die Balearen, Griechenland, die Türkei, Fernreisen und Familienpakete. Ägypten und Türkei verdoppeln gerade ihre Buchungen. Auch Tunesien wird wieder stärker nachgefragt.

 

Wie sieht es mit exklusiven oder sogar eigenen Hotels aus?

Das Thema hat bei uns nach wie vor eine hohe Priorität, um uns in Top-Destinationen Betten zu sichern. Wir investieren hier jedes Jahr zweistellige Millionenbeträge – auch in die Qualität der Häuser. Wir schließen übrigens gerade ein größeres Investment im Garantiebereich in Deutschland ab. Ich kann zwar noch nicht viel verraten, aber liegt zentral und ist ein spannendes Produkt

 

Welche Rolle spielt das Eigenanreise-Segment allgemein bei SLR?

Dieser Bereich hat sich bei Schauinsland sehr positiv entwickelt. Lange war Deutschland für uns ein bisschen ein unbekannter Faktor. Wenn ich auf den Malediven oder in der Karibik investiere, weiß ich ziemlich genau, wie hoch am Ende dort mein Marktanteil sein wird. Das ist im Inland schwerer zu kalkulieren, weil es viel mehr Player gibt. Trotzdem macht die Eigenanreise bei uns fast vier Prozent der Teilnehmer aus.

 

Mitbewerber kooperieren mit Booking.com oder Expedia. Ist so etwas auch für SLR denkbar, um mehr Hotels im Inland anbieten zu können?

Tendenziell nicht. Unsere Firmenpolitik ist es, Hotels selektiv auszusuchen. Wir wollen keine Volumenbettenbank hinter unser System hängen. Eine Zusammenarbeit wäre also nur möglich, wenn man ein adaptives Modell fände.