Ein Gespräch über die neue Wirtschaftsstandortmarke Rheinland-Pfalz, den in diesem Jahr erstmals ausgelobten Landestourismuspreis und die Themen des 6. Barcamp des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz, das vergangene Woche mit Rekordbeteiligung an der Hochschule Worms stattfand.
Herr Zindler, das 6. Barcamp des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz war auch das größte bisher mit über 100 Teilnehmern. Wie ist Ihr Eindruck davon allgemein?
Es war wieder eine sehr gelungene Veranstaltung insgesamt. Und es gab erfreulich viele neue Gesichter, was auch ein Stückweit an unserem neuen Veranstaltungsort an der Hochschule Worms lag. Das hatten wir gehofft. Denn wir waren vorher fünf Jahre in Boppard und haben nun bewusst mal einen anderen örtlichen Radius gesetzt. Allgemein mag ich das Barcamp-Format, weil es den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren aus Tourist-Information, Regionen, privaten Leistungsträgern und Politik auf Augenhöhe ermöglicht.
Welche Themen standen dieses Jahr im Mittelpunkt in den Sessions?
Zunächst fand ich es großartig, dass sich die Studenten der Hochschule hier so eingebracht haben. Sie haben den Austausch gesucht, haben durch die Teilnehmer viel über den Alltag draußen in der Praxis erfahren und sogar selbst zwei Sessions angeboten, in denen sie zum Bespiel die Erwartungen der Branche an sie selbst nach ihrem Abschluss evaluiert haben. Ansonsten ging es viel um digitale Themen wie Open Data, Sprachassistenten, Datenmanagement und Daten- und Contentqualität. Das bewegt die ganze Branche. Ansonsten gab es ein paar Dauerbrenner wie die Vernetzung von Tourismus- und Gastgewerbe oder Tourismusfinanzierung.
Aber es gab auch ein paar ganz aktuelle Themen.
Stimmt. Zum Beispiel gab es auch eine Session zum Thema Nachhaltigkeit. Aufhänger war hier die Friday for Future-Bewegung. Wir wissen aus der Marktforschung, dass das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger wird – es aber eher selten im Vordergrund bei einer Reiseentscheidung steht. Gerade wir im Tourismus müssen aber an morgen denken, um unsere Umwelt und Landschaften zu erhalten. Zwar stimmt es, dass Urlaub in Deutschland persé ökologisch vertretbarer ist als eine Flugreise, aber das Thema ist kein Selbstläufer. Für uns ist das ein Zukunftsthema. Umso mehr deshalb, weil irgendwann wohl jedem klar sein müsste, dass so günstige Flugreisen nur auf Kosten ökologischer, ökonomischer und sozialer Standards angeboten werden können. In einem Land wie Deutschland, mit so einem hohen Bildungsniveau, müssten wir uns damit also eigentlich noch viel mehr beschäftigen.
Zu den Sessions, in denen es um Digitalisierung ging: Da sagte jemand, er verstehe gar nicht, warum Brandenburg den Deutschen Tourismuspreis gewonnen hat für etwas, dass in Rheinland-Pfalz seit mehr als zehn Jahren schon gemacht wird.
Zunächst mal finde ich es toll, dass die Initiative der Kollegen von der TMB diese Beachtung findet. Wir sind tatsächlich schon seit längerem auf einem ähnlichen Weg. Auch wir haben ein Content-Netzwerk mit einer inzwischen gelernten Datenerhebungskultur geschaffen, um eine zentrale Datenbank (Deskline) mit qualitativen Informationen zu füttern. Diese Daten werden dann auch auf verschiedensten Kanälen ausgespielt. Uns hat er Preis an das Team aus Brandenburg darin bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und wir werden unsere Arbeit in diesem Bereich weiter intensivieren.
Mir fiel dabei auf, dass sich in der Vorstellungsrunde kein Teilnehmer mit den Worten vorgestellt hat, er/sie sei aus Rheinland-Pfalz. Stattdessen fielen Rheinhessen, Mosel oder Pfalz. Ist Rheinland-Pfalz überhaupt eine touristische Marke?
Naja, dass sich auf einem regionalen Barcamp niemand mit der Landesbezeichnung vorstellt, um seine Herkunft zu konkretisieren, ist eigentlich logisch. Auf dem DestinationCamp in Hamburg sieht das dann schon wieder anders aus. Aber richtig ist, dass wir jetzt erst an der Marke arbeiten. Wir suchen gerade eine Agentur für die Umsetzung.
Ok, und wie soll die Marke aussehen? Was soll sie transportieren?
Zunächst soll es keine reine Tourismusmarke werden, sondern eine Wirtschaftsstandortmarke. Der Prozess wird auch vom Wirtschaftsministerium gesteuert und setzt auf unseren drei wirtschaftlich starken Feldern auf: der internationalen Außenwirtschaft, der Weinwirtschaft und dem Tourismus. Wir als RPT werden die Aufgabe haben, den touristischen Bereich in Wert zu setzen, indem wir die Marke dann touristisch aufladen. Es gibt aber auch wichtige Schnittstellen zu den anderen Bereichen, die wir künftig besser bedienen wollen, etwa über die Investorensuche und -begleitung. Von daher macht es Sinn, sich hier gemeinsam aufzustellen. Die Weinwirtschaft ist übrigens ein gutes Beispiel, wie Handel und Tourismus ineinandergreifen. Die Weinwirtschaft steht für eine unglaubliche Innovationskraft. Die vielen Vinotheken, die es heute gibt und uns auch als Land präsentieren, kamen ja erst mit einem Generationenwechsel zustande und zeigen auch die hohe Lebensqualität unserer Region, die wir al RPT transportieren wollen. Aber wir werden auch die Klassiker wie das Rheintal, die Pfalz und die Mosel bewerben, unsere Burgen, Weinfeste und Städte.
Zu den harten Zahlen: Die Übernachtungszahlen in Rheinland-Pfalz entwickeln sich leicht unter Bundesdurchschnitt. Und das Boom-Segment Camping taucht in der Tourismusstrategie nicht richtig auf, wieso?
Mit der Umsetzung unserer neuen Tourismusstrategie 2025 stehen wir gerade erst am Anfang. Wir haben uns aber die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre genau angesehen. Im Campingsegment hatten wir ein hohes Wachstum. Das deckt sich mit der Bundesebene. Allerdings haben wir im Städtebereich, der einen echten Boom erlebt, keine großen Cities wie Frankfurt, Köln oder München. Das macht sich in der Länderstatistik natürlich bemerkbar. Wir wollen daraus aber in Zukunft eine Stärke machen, indem wir in der Vermarktung auf unseren starken Mittelstand abheben, also auf Authentizität im Gastgewerbe statt auf Kettenhotellerie, wie es in den großen Städten der Fall ist. Interessant wird in puncto Tourismusstrategie übrigens auch sein, wie sich das nun auf Bundesebene gestaltet. Wir sind gespannt, wie die Einbindung der LMOs bei der Nationalen Tourismusstrategie konkret aussehen wird – und wollen uns hier gerne einbringen.
Und der Camping-Bereich?
Hier sind wir gut dabei. Einige Campingplatzbetreiber waren ja auf dem Barcamp. Und gerade die Verbindung zwischen der Weinwirtschaft und Wohnmobil-Stellplätzen hat viel Potenzial. Es gibt bereits Winzer mit Stellflächen. Die Camper können also erst eine Weinprobe machen – und dann mitten im Weinberg mit Weitblick vor ihrem Wohnmobil sitzen. Sonst spielt das Thema Camping natürlich beim Naturgenuss in Rheinland-Pfalz eine wichtige Rolle. Da sind wir dran das auszubauen.
Wie sieht es mit den Personas aus, die vor zwei Jahren im Marketing definiert worden sind? Wird danach wirklich gearbeitet oder sind es theoretische Konstrukte geblieben?
Nein wir haben damit in der Gästeansprache konsequent gearbeitet. Und die Regionen und Ortsebenen tun das inzwischen auch. Aber wir haben auch gesehen, dass das ein längerer Prozess war, alle Akteure auf fünf definierte Zielgruppen einzunorden. Aber die Personas verändern sich auch. Wir gleichen die Definitionen immer wieder mit neuen Entwicklungen aus der Marktforschung ab. So entsteht für jede Zielgruppe jedes Jahr ein individueller Marketingplan.
Die RPT schreibt nun erstmals auch einen Rheinland-Pfalz Tourismuspreis aus. Warum jetzt diese Maßnahme?
Wir wollen regionalen Projekten eine Plattform geben und ins Schaufenster stellen. Dabei geht es wie bei jedem Preis um einen nachgelagerten Wissenstransfer, darum Impulse zu geben. Prämiert werden beim Rheinland-Pfalz Tourismuspreis die besten Tourismuskonzepte aus drei Kategorien: „Gastgeber des Jahres“ für Tourismusprojekte aus dem Gastgewerbe, das „Projekt des Jahres“ für touristische Organisationen, Einrichtungen, Vereinen, Unternehmen oder Privatpersonen sowie die „Innovation des Jahres“. Hier können auch Ideen eingereicht werden, die noch in der Entwicklungsphase stehen. Die Kriterien haben wir übrigens nah an den Deutschen Tourismuspreis angelehnt. Auch, um mehr unserer Akteure zu ermutigen, sich mit ihren Ideen auch auf Bundesebene zu bewerben. Leider stellen noch zu viele ihr Licht unter den Scheffel. Und: Es ist uns gelungen, für den Preis namhafte Partner wie den ADAC an Bord zu holen. Schirmherr ist der Landeswirtschaftsminister.