Ein Gespräch über die Ergebnisse des Tagesreisenmonitors 2019, die Vielseitigkeit des Segments und die Tücken einer wirklich repräsentativen Erhebung, die zum Beispiel auch Berufspendler von touristischen Tagesgästen sauber trennt.
Herr Sporer, das dwif hat kürzlich die Ergebnisse des Tagesreisenmonitors 2019 herausgegeben. Was gab es für vielleicht neue oder überraschende Ergebnisse?
Sporer: Auf den ersten Blick war überraschend, dass es einen Rückgang der Tagesreisen in Deutschland gegeben hat. Fünf Tagesreisen weniger als noch 2017 haben die Bundesbürger im Schnitt vergangenes Jahr nach den Ergebissen des Tagesreisenmonitors unternommen. Ein Grund war der sehr heiße Sommer 2018, der das Ausflugsverhalten tatsächlich verändert hat. Freizeitparks haben in den Sommermonaten wegen der Hitze teils bis zu 11 Prozent Besucher verloren. Auch die Thermen haben unter den Temperaturen gelitten, wenn auch nicht ganz so stark. Aber nicht alle Regionen waren von einem Rückgang der Tagesreisen betroffen: Die Ostseeküste oder auch Thüringen verzeichneten hier beispielsweise letztes Jahr Zuwächse. Interessant ebenfalls: Trotz des insgesamt rückläufigen Volumens sind die Umsätze im Segment Tagesreisen mit rund 100 Milliarden Euro bundesweit stabil geblieben. Die Deutschen haben also für ihre Ausflüge etwas tiefer in die Tasche gegriffen als im Vorjahr.
Das Segment Tagesreisen gilt als analytisches „Problemkind“ für touristische Regionen. Wie kommen Sie an valide Zahlen?
Belastbare Daten werden von den Statistischen Ämtern tatsächlich nicht zur Verfügung gestellt bzw. erfasst. Diese Lücke schließen wir seit 2016 über ein Online-Panel und befragen gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Norstat Bundesbürger in über 15.000 Interviews zu ihrem Ausflugsverhalten gemäß der Definition für Tagestourismus der UNWTO, also etwa ohne Einschränkung bezüglich der Anreisedistanz. Das ist wichtig. Denn rund zwei Drittel aller Tagesreisen finden im Umkreis von unter 50 Kilometer statt. Dann liegt unseren Ergebnissen eine Quellgebietsbefragung zur Verfügung. Wir befragen die Teilnehmer der Studie also an ihrem Heimatort, nicht im Zielgebiet. Denn das würde keine repräsentative Datenbasis ergeben, weil man im Zielgebiet nur die sowieso ausflugsmotivierten Menschen antrifft. Jene, die warum auch immer keine oder wenige Tagesreisen unternehmen, würden durchs Raster fallen.
Noch einmal kurz zu den UNWTO-Richtlinien: Hier zählen auch die Tages-Geschäftsreisen dazu, korrekt?
Ja, das ist richtig. Die Motive für eine Tagesreise sind in der Realität ganz grob gesagt zweigeteilt – in private und geschäftliche Anlässe. Das bildet der Tagesreisenmonitor auch ab. Aber entscheidend ist, dass der Tagesreisenmarkt sehr volatil und dynamisch ist. Er hängt von vielen – auch kurzfristigen – Faktoren ab. Wetter, Feiertage, Ferienzeiten, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsstruktur, Mobilitätsangebote etc.: Es ist fast schon ein unendlicher Strauß an Merkmalen, der eine differenzierte Betrachtung für Regionen eigentlich unerlässlich macht.
Firmen wie Motionlogic, aber auch Outdooractive, stoßen gerade vor in den Bereich der datenbasierten Analysen zum Gästeverhalten während Tagesreisen. Was kann ein Onlinepanel wie Ihres, das anonymisierte Daten nicht können?
Anonymisierte Daten wie sie die großen Telefonanbieter über das räumliche Erfassen ihrer SIM-Karten bieten, zeigen in erster Linie Bewegungsprofile. Also wie sich ein Gast in einer Destination bewegt und woher er kommt. Auch soziodemografische Merkmale werden erfasst und ausgewertet. Was aber fehlt, ist der eigentliche Grund für eine Ortsveränderung. Zum Beispiel wird überhaupt nicht klar, ob es sich um einen Tagesausflügler oder einen Berufspendler handelt. Der Tagesreisenmonitor fragt das ab – und darüber hinaus Angaben zur Größe einer Reisegruppe. Denn wenn eine Familie zwei oder drei Kinder hat, würden bei den Telefonanbietern nur eine oder zwei SIM-Karten sichtbar, obwohl in Wirklichkeit vier oder fünf Menschen an den Strand fahren. Auch zu den Reisemotiven, Aktivitäten vor Ort, der Wochentagverteilung, der Verkehrsmittelwahl und – ganz wichtig für die Darstellung der ökonomischen Bedeutung des Tagestourismus – den Ausgaben vor Ort bekommen wir über die direkte Befragung Antworten. Aber wir arbeiten zum Beispiel in Bezug auf Großveranstaltungen jetzt auch mit Motionlogic zusammen, um die Besuchervolumen besser quantifizieren zu können.
Und was können Destinationen mit den Ergebnissen dann anfangen oder anders gefragt: Was kann man tun, um dieses Marktsegment erfolgreicher zu gestalten?
Zunächst muss den Regionen klar sein, dass Tagesgäste in vielen Destinationen die ökonomisch bedeutendste Nachfragegruppe stellen. Quantitativ ist das ohnehin so. Wo sich das Verhalten von Tages- und Übernachtungsgästen unterscheidet, ist die Spontanität. In der Kommunikation in Richtung der Tagesgäste spielen Tempo und Aktualität eine viel größere Rolle, um einen Reiseimpuls auszulösen. Bei Tagesgästen geht es stärker auch um Besucherlenkung, die räumliche Verteilung und die Verkehrsmittelwahl, etwa wenn größere Events anstehen. Hier können Regionen aktiv steuern, etwa über lokale Medien. Was sich dagegen nicht unterscheidet ist, dass Tagesgäste den gleichen Anspruch an Produkt und Qualität haben wie alle anderen Gruppen.
Ab Herbst 2019 wird das dwif den Tagesreisenmonitor um zwei Bezugsgrößen erweitern. Um welche. Und warum?
Zum einen werden wir den Tagesreisenmonitor um die Betrachtung von Sinusmilieus ergänzen. Denn die Lebensweisen, Interessen und Werte der Menschen sind sehr verschieden. Diese unterschiedlichen Lebensauffassungen erfassen wir ab Herbst für das Segment der Tagesgäste, damit die Zielgruppen für die Destinationen klarer werden. Diese können dann ihre Kommunikation entsprechend anpassen. Das Zweite, das wir neu implementieren, sind Ergebnisse zur Aufenthaltsdauer. Wir fragen ab, ob jemand nur für zwei oder drei Stunden irgendwo hinfährt, oder ob er den ganzen Tag bleibt. In Zusammenhang mit der Abfrage der Aktivitäten und dem eigentlichen Reisemotiv ergibt sich dann ein gutes Bild des Tagesablaufs, was dann Aufschluss über sinnvolle Kooperationen zwischen verschiedenen Leistungsträgern gibt.
Wie kommen Destinationen an die für sie relevanten Ergebnisse des Monitors?
Die Ergebnisse bekommen interessierte Destinationen direkt bei uns. Das Basispaket kostet 5.000 Euro. Aber je nach Bedarf können wir noch sehr individuell filtern. Was genau gebraucht wird, erörtert man am besten im persönlichen Gespräch.