Uwe Frers, Geschäftsführer ADAC Camping GmbH und PiNCAMP

Ein Gespräch über deutsche Campingplätze auf dem langen Weg in die digitale Welt, den fehlenden Mut, sich endlich von der Umsatzbremse Saisonpreise zu lösen, und warum PiNCAMP im Oktober das erste Barcmap für die Campingwirtschaft organisiert.

 

Herr Frers, seit dem Start von PiNCAMP im November letzten Jahres hat das Camping-Portal der ADAC SE viel Aufmerksamkeit bekommen und Preise gewonnen. Wo steht das Projekt derzeit?

Mit den Ergebnissen nach zehn Monaten sind wir sehr zufrieden. Zum einen, was unsere Bekanntheit im B2B-Bereich, also bei den Campingplatzbetreibern angeht, aber auch, was die Sichtbarkeit von PiNCAMP im Internet angeht. Von 26.000 Campingplätzen in Europa haben wir knapp 10.000 auf der Plattform. Und wir haben es geschafft, bei der Sichtbarkeit auf Google zur relevantesten Seite für Informationen rund um das Thema Camping zu werden. Auch die sogenannten „Branded Searches“, also Suchen, die bereits PiNCAMP als Wort bzw. Marke enthalten, steigen kontinuierlich an. Mit der Reichweite im ersten Jahr sind wir auch zufrieden,  wir erwarten 2019 zirka acht Millionen Visits, allein im Juli waren eine Million Besucher auf der Plattform. Dazu liefern wir 2019 bislang 1,5 Millionen Weiterleitungen und Buchungsanfragen direkt zu den Campingplätzen, ein echter Mehrwert für unserer B2B-Partner. Aber die große Herausforderung nach Sichtbarkeit und Reichweite ist es nun, auch für die Buchbarkeit zu sorgen. Daran arbeiten wir.

 

Bei vielen Plätzen können tatsächlich nach wie vor nur Reservierungen angefragt werden. Wo hakt es?

Im vierten Quartal startet die Online-Buchbarkeit auf PiNCAMP. Das hatten wir angekündigt. Und das tun wir auch. Aber die Umsetzung dieses Themas ist sehr anspruchsvoll.  Zum einen technisch, weil wir schauen müssen, mit welchen Schnittstellen wir wohin müssen. Aber auch hinsichtlich des Account-Managements. Wir müssen Verträge verhandeln, die regeln, was wir wann zu welchen Konditionen buchbar machen können. Dieses Jahr werden wir rund 200 Plätze direkt online buchbar haben. Bis Ende 2020 sollen es dann 2.000 sein. Die Markterschließung ist kein 100 Meter-Lauf, sondern ein Marathon. Hier ist Ausdauer gefragt.

 

Wie sehen die Verhandlungen hier speziell mit den deutschen Platzbetreibern aus? Oder anders gefragt: Wie viele der 2.000 Plätze, die kommendes Jahr online buchbar sein werden, liegen in Deutschland?

Wenn ich mir anschaue, dass Deutschland für uns, gefolgt von Italien, Frankreich und Kroatien, der wichtigste Markt ist, passt die Relation noch nicht. Deutschland kommt da nicht in die Top-Plätze. Das hat zum einen mit den notwendigen Investitionen in Technologie zu tun, deren Refinanzierung für Campingplätze in Deutschland wegen der kürzeren Saison schwieriger ist als in Südeuropa. Aber auch mit der grundsätzlichen Bereitschaft der Campingplätze, das Thema Online-Buchbarkeit anzugehen. So hat die Initiative des Bundesverbandes der Campingwirtschaft in Deutschland e.V. (BVCD), die die Buchbarkeit von Campingplätzen auf einem Marktplatz zusammenzuführt, zwei Jahre nach Einführung nur knapp 200 Campingplätze überzeugen können. Wir favorisieren die Grundidee eines neutralen, technischen Channelmanagers, würden dieses Thema gerne unterstützen und suchen nach Möglichkeiten, im Rahmen einer Kooperation eine für alle Marktpartner sinnvolle und am Ende auch erfolgreiche Lösung aufzubauen. Es bleibt festzuhalten, dass Deutschland beim Thema digitale Buchbarkeit noch nicht so weit ist wie andere Länder.

 

Eine weitere Idee war, die Campingplatzbetreiber davon zu überzeugen, sich von zwei oder drei Saisonpreisen zu verabschieden und ihre Flächen zu dynamischen Konditionen, ähnlich der Hotellerie, zu verkaufen. Was ist daraus geworden?

Dieses Thema steckt noch in den Kinderschuhen. Die Campingwirtschaft ist geprägt von Saisonpreisen. Yield Management, also eine Nachfragesteuerung mittels Kapazitätsverfügbarkeiten und Preisen, ist hierzulande noch nicht verbreitet. In Kroatien, wo große Plätze teils zu Hotelketten dazugehören, sehen wir dagegen schon einige Vorreiter. Aber das Thema wird in Deutschland kommen. Denn Yielding ist eine große Chance für die Plätze, ihre Wertschöpfung deutlich zu erhöhen. Ein neuer Kunde, der zu einem bestimmten Slot in der Hauptsaison noch einen Restplatz buchen möchte, ist zahlungsbereit. Zudem sind Neukunden oft jüngere Menschen mit Hotellerie-Erfahrung. Sie finden an tagesaktuellen Preisen also nichts ungewöhnlich. Aber zuerst mal müssen wir einfache Online-Buchungsstrecken implementieren, danach können wir über dynamisches Pricing reden.

 

Um für dieses und weitere Themen zu sensibilisieren, veranstalten Sie im Oktober erstmals das Barcamp „Zukunft Camping“.  Bitte erzählen Sie ein bisschen mehr über die Veranstaltung.

Am 23. Oktober bringen wir in Mainz Camping- und Stellplatzbetreiber, Fahrzeughersteller, Tech-Anbieter, Regionen, Verbände und weitere Akteure der Branche im Rahmen einer „Un-Konferenz“ zusammen. Um die Diskussion auf der Veranstaltung Zukunft Camping ergebnisoffen zu gestalten, findet sie in Form eines moderierten Barcamps statt. Das Barcamp-Format kommt ursprünglich aus den USA, mittlerweile ist es aber auch in Deutschland etabliert, in den vergangenen zehn Jahren fanden schon über Hundert deutschsprachige Barcamps statt. “Zukunft Camping” ist allerdings das erste Barcamp für die Camping-Branche.

 

Und was genau erwartet die Teilnehmer?

Zu Beginn der Veranstaltung haben alle die Möglichkeit, die für sie wichtigsten Fragestellungen als Session vorzuschlagen. Je nach Interesse aus dem Publikum werden die Themen dann per Abstimmung in 15 unterschiedliche große Sessions aufgeteilt und in drei verschiedenen Strängen parallel durchgeführt. Wie die einzelnen Sessions konkret ablaufen werden, entscheiden die Initiatoren der einzelnen Session zusammen mit den Teilnehmern. Manche Initiatoren bereiten kurze Impulsvorträge für ihre Sessions vor, manchmal entstehen die Themen aber tatsächlich sehr spontan. Mögliche Sessions könnten beispielsweise sein „Erfolgreiches Social Media Marketing – Was sind die 10 wichtigsten Punkte?” oder “Digitalisierung aus Kundensicht – was erwarten Camper von uns, was nicht?” oder “Benchmark: Welche Software und Tools setzen wir auf dem Campingplatz ein” oder “Status Quo Mietunterkünfte – bewegen wir uns in das Geschäft der Ferienwohnungen?”. Ein Moderator pro Strang unterstützt die Teilnehmer bei der Durchführung. Zugleich verantwortet er die Einhaltung der Barcamp-Regeln: Alle Teilnehmer kommunizieren per Du, keine Werbung, kurze Wortbeiträge, ergebnisoffene Diskussion. Um die Ergebnisse der Veranstaltung auch für Außenstehende transparent zu machen, werden alle Sessions protokolliert, die Protokolle werden kurzfristig nach der Veranstaltung veröffentlicht. PiNCAMP stellt hier nur die Organisation zur Verfügung, alle Teilnehmer partizipieren im selben Maße voneinander. Ziel der Veranstaltung ist es, für alle Fragen und News rund um Innovation und Digitalisierung eine Plattform zu bieten, von den unterschiedlichen Sichten und Erfahrungen der Teilnehmer zu lernen und natürlich neue Kontakte zu knüpfen.

 

Was haben Sie über das Thema Camping selbst gelernt, seit Sie sich so intensiv damit beschäftigen?

Oh, wo soll ich da anfangen (lacht). Ich war persönlich in meinen jungen Jahren nie der richtige Camper, abgesehen von ein paar Zeltreisen als Jugendlicher und Student. Aber das hat sich seit dem Start von PiNCAMP nachhaltig verändert. Dieses Jahr war ich bereits viermal mit dem Wohnmobil unterwegs, angefangen vom Wintercamping über einen langen Campingurlaub in der Hochsaison bis zum verlängerten Wochenendkurztrip. Ich  habe ganz verschiedene Campingplätze ausprobiert und diese Mischung aus Sicherheit und Freiheit absolut lieben gelernt. Ich mag es, dass die Plätze so heterogen sind, man entkommt auf den Plätzen schnell seinem Alltag. Man ist in der Natur. Kein Hotelkomplex bildet einen vordesignten Erlebnisraum. Das alles finde ich großartig! Fachlich habe ich gelernt, dass die Campingbranche eine sehr bodenständige ist, beim Thema Digitalisierung wird das deutlich. Es wird zu oft aus Anbietersicht gedacht, nicht unbedingt aus Kundensicht. Aber am Ende wird das Nutzungsverhalten der Konsumenten die Branche zu neuen Entwicklungen treiben.

 

Auf dem Caravansalon haben der ADAC und der CIVD gemeinsam darauf hingewiesen, dass die Infrastruktur nicht mit der Zahl der Neuzulassungen mithält. Wie bewerten Sie das?

Da muss man zunächst zwischen Stell- und Campingplätzen unterscheiden. Die Campingplätze haben in der Tat ihre Kapazitäten trotz des Booms in den vergangenen Jahren kaum erweitert. Das liegt oft an fehlenden Bau- oder Erweiterungsgenehmigungen. Das dauert in Deutschland in der Tat zu lange. Stellplätze federn diese Engpässe aber teilweise ab. Und Kommunen können Stellplätze relativ schnell und unkompliziert realisieren. Aber an den touristischen Hotspots wird es in den Ferien immer Engpässe geben. Deswegen ist das Thema Online-Buchbarkeit auch so wichtig. Denn ein Wachstum von zehn bis 15 Prozent bei den Neuzulassungen pro Jahr muss gesteuert und planbar gemacht werden. Die Zeiten, in denen man einfach losfährt und schaut, wo man steht, sind vorbei. Sowohl für Familien, die in der Hauptsaison verreisen müssen als auch für Paare in Wohnmobilen, die alle paar Tage einen neuen Platz besuchen.

 

Abschlussfrage: Ist PiNCAMP schon rentabel?

Nein, das war aber auch nicht geplant. PiNCAMP ist erst seit zehn Monaten auf dem Markt, aktuell beschäftigen wir 32 Mitarbeiter, zum Ende des Jahres werden es 40 sein. Wir haben den Aufbau von PiNCAMP bewusst auf eine Investitionsphase von fünf Jahren angelegt, die Rentabilität ist für 2022 geplantDer Markt ist mit 3,4 Milliarden Euro Buchungsumsatz in Europa groß genug, um unsere Investitionen sinnvoll zu refinanzieren.