Ein Gespräch über den Erhalt des Wintersports um jeden Preis, die Nachhaltigkeit von Schneekanonen zur Saisonverlängerung und die Zukunft der Skigebiete.
Herr Koster, anlässlich der erfreulichen Nachricht, dass bei Ihnen in Hoherodskopf der erste Schnee gefallen ist: Auf wie viele Tage im Jahr kommen sie ungefähr, an denen Wintersport vor Ort betrieben werden kann?
Da muss man ein wenig unterscheiden; die Wochen, wo wir mit dem Loipenspurgerät rausfahren können, belaufen sich auf vier bis sechs Wochen pro Jahr. Dies ist abhängig von der Schneehöhe. Wir benötigen mindestens 20 Zentimeter Schnee und einen festen Untergrund – sprich, der Boden muss gefroren sein. Aufgrund der Wetterbedingungen gehe ich persönlich davon aus, dass es auch nicht mehr Wintertage werden, sondern deren Zahl eher in der Zukunft sogar noch abnimmt.
Und für wen wird es bei Ihnen in der Region problematisch, wenn wenig Schnee fällt?
Für den Skiverleih und den Skiliftbetreiber ist natürlich jeder Tag, an dem nicht gefahren wird, erstmal finanziell ein Verlust, weil sie Material und Personal bereitstellen müssen. Und die Betreiber, die dort oben Langlaufski verleihen, bieten auch Kurse an. Wenn kein Schnee liegt, können sie kein Geld verdienen. Wir sind kein klassisches Skigebiet wie die Alpen. Wir haben zwar zwei Skilifte auf dem Hoherodskopf, aber das sind relativ einfache Abfahrten. Die Gäste, die wirklich Wintersport betreiben möchten, fahren in die Alpen. Und das Langlaufgeschäft ist für uns unheimlich schwer zu bewerben, weil ich nie weiß, wann welche Bedingungen sind. Wir haben Langlauf also als Tagesgeschäft. Unsere Gäste kommen dann bei entsprechender Schneelage von Frankfurt bis Gießen und aus dem Vogelsberg. 90 Prozent sind Wiederholungstäter. Touristisch liegt unser Hauptaugenmerk also nicht auf den Wintersport. Wir bewerben ihn mit, wenn ein guter Winter da ist, gespurt werden kann und die Bedingungen es hergeben, nicht im Voraus. Auf unserer Schneeberichtsseite finden Gäste immer die aktuellen Informationen zu den Wintersportbedingungen auf dem Hoherodskopf.
Wie verlief Ihre letzte Saison in Bezug auf den Wintersport?
Mittelprächtig. Der Januar und Februar waren ganz in Ordnung, zum Langlaufen konnte relativ häufig gespurt werden. Wir hatten letzte Saison dazu einige Wettkämpfe, also Skimeisterschaften, welche in der Rhön aufgrund von Schneemangel abgesagt wurden. Wir haben mit dem „Hoherodskopf-Gletscher“ ein Schneeloch, wo sich der Schnee in der Regel viel länger als anderswo hält. Da kann es sein, dass der Oberwald schon komplett schneefrei ist, aber auf diesem Teilstück noch Langlauf möglich ist.
Sie sind ja eine Region, die noch ohne Schneekanone arbeitet, wieso?
Es gab wohl vor meiner Zeit die Idee, Schneekanonen zu installieren, aber seitdem ich hier bin, ist das kein Thema mehr. Einfach wegen dem Thema Nachhaltigkeit. Wir müssten dort oben mindestens fünf bis sechs Schneekanonen mitten in den Wald stellen, einen Teich und Elektroleitungen bauen – und das hat dann nichts mehr mit Nachhaltigkeit zu tun. Das sind Maßnahmen, mit denen man den Klimawandel in meinen Augen eher noch befeuert. Wenn es keinen Schnee gibt, dann ist es eben so. Aber jetzt noch mal für die Zukunft aufzurüsten, das sehe ich sehr kritisch. Das will hier auch keiner.
Auch, wenn unser direkter Nachbar, die Rhön, versucht den Trend mit Schneekanonen aufzuhalten: Man muss sich langfristig mit dem Gedanken vertraut machen, dass der Wintersport in den Mittelgebirgen massiv an Bedeutung verliert. Wir werden sicherlich immer mal wieder Winter haben, wo es uns zuschneit, aber die langfristigen Bedingungen werden einfach nicht besser. Und die Entwicklung geht selbst in den Alpen immer mehr dahin, dass sich die Orte dort überlegen, wie sie den Winter anders nutzen können, als komplett auf Wintersport zu setzen.
Wie ich gesehen habe, gibt es zwei Ladesäule für E-Mobilität. Sie investieren also aktiv in das Thema Nachhaltigkeit. Sind in die Richtung weitere Projekte geplant?
Ja, wir sind dabei, das Thema Nachhaltigkeit immer mehr aufzugreifen. Bei uns gibt es zum Beispiel bei Veranstaltungen kein Plastik mehr und wir fördern den Fahrrad- und Wandertourismus ganz massiv. Und die E-Mobilität wollen wir weiter ausbauen. Im Moment planen wir Zusatzangebote für die Gäste, die mit dem Elektroauto oder mit der Bahn anreisen.
Wie sehen Sie denn die touristische Zukunft Ihrer Destination?
Zum einen werden wir als Kurzreise- und Tagesziel immer attraktiver für Gäste aus dem Rhein-Main-Gebiet. Von Frankfurt sind sie in einer Stunde im Vogelsberg. Zwar ist es gerade hier im ländlichen Raum besonders schwer, valide Zahlen zum Segment Tagesreisen zu bekommen, aber allein in unserem Informations-Zentrum Hoherodskopf zählen wir jährlich zwischen 30.000 und 35.000 Besucher. Auf dem Hoherodskopf selbst schätzen wir 350.000 bis 450.000. Die Übernachtungszahlen möchten wir bis Ende 2021 auf mehr als 80.000 Übernachtungen in den gewerblichen Betrieben steigern. Dazu haben wir unser komplettes Marketing für die nächsten drei Jahre neu aufgestellt.
Wir werden sicher keine Destination für den dreiwöchigen Haupturlaub. Aber als Naherholungsgebiet ist ein riesiges Potenzial vorhanden. Da sehe ich schon sehr große Chancen, dass wir uns als Stadt am grünen Vulkan und als Region Vogelsberg auf dem touristischen Markt für die Zukunft gut behaupten können.