Ein Gespräch über die aktuelle Marktsituation und steigende Vernetzung im Bereich des Onlinevertriebs, die klimafreundliche Buchungsstrecke der DS, und wie man dem teilweisen Kontrollverlust in der Welt der Portale erfolgreich mit Software begegnet.
Frau Kies, Herr Kammerath, Wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein – und wie lief das Geschäftsjahr 2019 für DS Destination Solutions?
Kies: Der Markt ist angebots- und vertriebsseitig sehr stark fragmentiert. Und wir haben heute Kunden, die so etwas wie Portalstreue kaum noch kennen. Kunden, die am Ende immer öfter etwas ganz anderes buchen als sie ursprünglich im Kopf hatten. Wir sehen in den Suchabfragen, dass die Kunden während des Prozesses viel häufiger als früher zwischen den verschiedenen Unterkunftsarten hin- und herwechseln. Sie gehen mit der Idee online, ein Ferienhaus zu buchen, landen aber am Ende in einem Hotel mit Frühstück. Für Anbieter gestaltet es sich dadurch immer schwieriger, im richtigen Moment auf dem richtigen Portal präsent zu sein. Wir als DS Destination Solutions setzen genau hier mit unseren Lösungen an.
Kammerath: Was den Markt heute treibt, ist der hohe Grad an Vernetzung zwischen den vielen verschiedenen Portalen – und zwar über Länder und Kontinente hinweg. Hier werden große Datenmengen ausgetauscht, sodass technisch hochkomplexe, elastische Computersysteme sehr selbstständig Entscheidungen treffen können. Diese Vernetzung ist ein organischer Treiber des Marktes. Und obwohl das Segment der Ferienimmobilien in Bezug auf die digitale Vernetzung noch nicht den Stand der Hotellerie erreicht hat, ist es für den einzelnen Ferienhausbesitzer quasi unmöglich, das vertriebsseitig noch selbst zu managen. Diesem Kontrollverlust setzen wir eine starke Plattform entgegen und Software, die Gastgeber und Destinationen unterstützt.
Apropos Kontrollverlust: Der Deutsche Ferienhausverband hat zusammen mit 36 weiteren Akteuren eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht, weil Google Ferienobjekte jetzt direkt in der Trefferliste anzeigt und dabei scheinbar kleinere Anbieter außenvorlässt. Was halten Sie davon?
Kammerath: Wir sind ebenfalls Mitglied im Deutschen Ferienhausverband. Die Einschätzung dieser Beschwerde teilen wir als Technologie-Anbieter allerdings nicht uneingeschränkt. Regulatorische Instrumente haben bis heute immer dazu geführt, dass kein Player eine absolute Marktmacht besitzt. Auch im Flug- und Hotelbereich, wo Google schon länger Ergebnisse direkt in der Trefferliste anzeigt, hat dies nicht dazu geführt, dass reihenweise Vergleichs- oder Buchungssportale verschwunden sind.
Kies: Man kann der Argumentationslinie des Schreibens an die EU-Kommission zwar folgen, aber ob wirklich deshalb Anbieter in die Insolvenz gehen – oder ob nicht andere Faktoren in Wahrheit ausschlaggebender sind –, weiß ich nicht. Aber die Beschwerde macht umso deutlicher, dass man sich gar nicht erst so stark von einem einzigen Portal abhängig machen sollte. Und genau diese Herausforderung lösen wir ja.
Welche Probleme löst die DS noch – und für wen genau?
Kies: Wir betrachten immer die gesamte Wertschöpfungskette. Da ist an erster Stelle im Prozess unser PMS-System, also unsere Booking Solution. Darüber findet das buchbare Inventar seinen Weg in unseren Marktplatz, der als Plattform in alle Richtungen offen ist. Dieser große Marktplatz steht also in der Mitte des Prozesses. Hier stellen sowohl einzelne Gastgeber ihre Immobilien ein als auch größere Content-Lieferanten – einerseits über unsere Booking Solution, andererseits über verschiedene Partnersysteme und Sourcing Partner der DS. Daran schließt im nächsten Schritt die Distribution der Unterkünfte über unser ganzes Netzwerk an. Vom Leisure-Hotel bis zum Apartment schließen wir hier nichts aus und channeln zu 150 verschiedenen Vertriebskanälen: Von der großen OTA bis zur DMO-Website ist hier alles dabei. Grundsätzlich ist dieses Netzwerk so offen gestaltet, dass sich jeder über standardisierte Schnittstellen anschließen kann. Und hier liegt auch die Abgrenzung zu anderen Technologie-Anbietern im Markt: Wir channeln nicht nur, sondern unterstützen auf Wunsch entlang der ganzen Service- und Wertschöpfungskette.
Kammerath: Noch einmal zum Netzwerkgedanken. Dieser ist deshalb so wichtig, weil es im Segment der kleineren Ferienimmobilien nicht das eine, alles bestimmende Portal gibt. Vielmehr entsteht über unsere 150 verschiedenen Kanäle erst dieser leistungsstarke Marktplatz, der eine der dominierenden Plattformen in Europa für Ferienunterkünfte ist. Dieses Netzwerk entsteht übrigens auch, weil wir andere Tech-Anbieter über Kooperationen einbinden, zum Beispiel feratel, die ihren Content auch über unseren Marktplatz mit vertreiben. Für wen wir Lösungen bieten? Für Gastgeber und Hoteliers einerseits, aber ich möchte einmal die DMO herausgreifen, weil dieses Thema viele beschäftigt.
Bitte erläutern Sie das.
Kammerath: Die Rolle der DMO verändert sich im Zuge der Digitalisierung stark. Und als sozusagen übergeordnet Verantwortliche für den Erfolg einer Destination, muss es die DMO schaffen, dass ihre Gastgeber den Weg in die Onlinewelt mitgehen. Sie muss dafür sorgen, dass ihre Akteure einerseits nicht den Anschluss an die relevanten Vertriebsnetzwerke verlieren. Anderseits muss die DMO den Überblick behalten, was im Markt gerade wie zusammenspielt. Und genau dabei unterstützen wir die Verantwortlichen mit einer vollelastischen Cloud-Lösung, die vorne und hinten skaliert. Und weil es viele DMOs vor zehn Jahren versäumt haben, ihre Gastgeber systemisch einheitlich in die Onlinebuchung zu führen, haben sich viele natürlich längst verselbstständigt – was ihr gutes Recht ist. Mit DS Destination Solutions kann die DMO nun alle wieder einsammeln und in den Vertrieb integrieren. Das zahlt positiv auf das Image der Tourismusorganisation ein, welche letztlich aber ja auch an den Übernachtungszahlen gemessen wird.
Kies: Darüber hinaus erhält eine DMO über ein leistungsstarkes PMS-System viele relevante Kundendaten aus Buchungen und Reservierungen. Diese können dann wiederum für Marketingzwecke genutzt werden. Noch mehr und bessere Daten laufen bei der Destination ein, wenn dazu noch Freizeitaktivitäten, also Erlebnisse, angeboten werden. Wir kooperieren dazu – übrigens als einziger Anbieter in Deutschland – mit bookingkit. Wenn jemand also die passende Unterkunft gefunden und gebucht hat, werden im Anschluss in der Buchungsstrecke auch Aktivitäten, Erlebnisse und Events angezeigt. Wenn ein Kunde zeitlich allerdings weit im Voraus seinen Aufenthalt bucht, macht es mehr Sinn, ihn bei den Erlebnissen erst später abzuholen. Denn die Wenigsten beschäftigen sich fünf oder sechs Monate vor ihrer Reise damit, was sie vor Ort unternehmen wollen. Aber die Kontaktaufnahme zum richtigen Zeitpunkt ist technisch gut möglich. Denn die Kontaktdaten liegen ja vor. Kurz vor Reiseantritt steigt die Wahrscheinlichkeit für die Buchung von Aktivitäten dann deutlich an.
Wie sehen die künftigen Entwicklungen im Markt der Online-Buchung und des Vertriebs aus, und wie reagiert die DS darauf?
Kammerath: Fest steht, dass wir den vollen Reifegrad im Ferienhaus-Segment noch nicht erreicht haben. Entsprechend haben einige große Player ihre Börsengänge auch vorerst verschoben. Ich denke, dass wir daher noch eine Marktkonsolidierung erleben werden, also einige Portale verschwinden könnten. Software-seitig wird die Vernetzung trotz der weiterhin bestehenden Segmentierung des Marktes allerdings weitergehen. Wir bei der DS arbeiten daran, die Abwicklung der Prozesse möglichst vollständig zu automatisieren, wofür wir auch KI-Anwendungen testen oder bereits im Einsatz haben. Die Kunst dabei ist, dass die sichtbaren Services trotzdem immer noch als menschlich wahrgenommen werden sollten, obwohl Algorithmen dahinterstehen. Die Technik wird in Zukunft immer mehr Einfluss darauf nehmen, wohin jemand am Ende letztlich reist.
Abschlussfrage: Wie wird die klimafreundliche Buchungsstrecke der DS in Kooperation mit Klimapatenschaft Tourismus GmbH angenommen?
Kies: Wir werden gerade tatsächlich von immer mehr Regionen aktiv auf diese Möglichkeit angesprochen. Destinationen, die diese Variante bereits nutzen, sind zum Beispiel der Edersee und das Nordseebad Carolinensiel-Harlesiel. Von daher gehen wir davon aus, dass dieses Thema in der Branche weiter an Fahrt aufnehmen wird.