Schaut man auf die bisherige Krisenkommunikation der Tourismusbranche lässt sie sich in drei Phasen einteilen. Phase 1: Den Start verschlafen. Phase 2: Die Botschaft „Wir kümmern uns“ kam rüber. Phase 3: Die Urlauber sind wieder zu Hause – und jetzt? Was man aus der aktuellen Krise lernen kann und was für kreative Ideen es auch im Deutschlandtourismus jetzt gibt.
von Mario Köpers
Das Gebot der Stunde lautet: am Kunden dranbleiben
Als langjähriger Kommunikationsmanager großer Tourismuskonzerne dachte ich, ich hätte im letzten Vierteljahrhundert eigentlich alles an Krisen erlebt: Terroranschläge wie 9/11, schreckliche Unglücke mit vielen Toten und Verletzten, furchtbare Naturkatastrophen wie den Tsunami in Südostasien oder die Aschewolke, die 2010 weite Teile des Flugverkehrs innerhalb und außerhalb Europas lahmlegte. Nicht im Traum hätte ich mir vorstellen können, dass einmal ein Winzling wie das Coronavirus das öffentliche Leben derart beeinflussen und weite Teile der Wirtschaft in die Knie zwingen könnte; dass Reiseveranstalter ihre kompletten Programme auf unbestimmte Zeit einstellen, Fluggesellschaften fast die gesamte Flotte grounden, Kreuzfahrtschiffe für Wochen oder gar Monate menschenleer irgendwo vor Anker liegen, Hotels und Reisebüros einfach dichtmachen. Obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, dass sich große Konzerne wie beispielsweise die TUI, im Rahmen ihres Business Continuity Managements auf Szenarien eingestellt haben, die die Aufrechterhaltung des Betriebes gefährden könnten, hat diese Pandemie letztlich doch alles Vorstellbare übertroffen und uns alle eiskalt erwischt. Die Blaupause zur Bewältigung einer Krise diesen Ausmaßes muss erst noch geschrieben werden.
Schaut man auf die bisherige Krisenkommunikation der Tourismusbranche lässt sie sich in drei Phasen einteilen:
Phase 1: Den Start verschlafen
Spätestens als der Tourismus in Italien deutlich zurückging, auf Teneriffa ein Urlaubshotel unter Quarantäne gestellt wurde und erste Stimmen die Absage der weltweit größten Tourismusmesse forderten, hätte jedem Tourismusmanager klar sein müssen, was die Stunde geschlagen hat. Das Gebot der Stunde hieß Kunden, aber auch Mitarbeiter und Vertriebspartner auf dem Laufenden zu halten und damit Vertrauen zu schaffen. Wer sich allerdings in diesen Tagen durch die Internetseiten der großen Reiseanbieter klickte, um sich über das Coronavirus und seine Folgen für die geplante Urlaubsreise zu informieren, suchte zumeist vergeblich. Mich hat diese offenkundige Zurückhaltung sehr verwundert, denn bereits Ende Februar gab es kein Thema, das die Menschen mehr bewegt hat. Und es war keineswegs so, als hätten die Reiseanbieter keine Antworten auf die drängenden Fragen der Urlauber gehabt. Sie wurden schließlich jeden Tag tausendfach in Reisebüros und Callcentern gestellt. Warum also diese gefühlte Kommunikation im Hinterzimmer, warum diese Zurückhaltung? Hier hat es manch einer verpasst, durch eine klare, transparente und nutzwertorientierte Kommunikation frühzeitig Vertrauen aufzubauen.
Phase 2: Die Botschaft „Wir kümmern uns“ kam rüber
Als es dann in der zweiten Phase darum ging, die Krise operativ zu bewältigen, Hotels zu räumen, Kreuzfahrtschiffe in die Heimathäfen zurückzubeordern, Urlauber nach Hause zu fliegen und Stornos abzuwickeln, wurde es deutlich besser. Nicht nur das Krisenmanagement arbeitete auf Hochtouren, auch die Krisenkommunikation kam so richtig in Gang. Nützliche Hinweise und Antworten auf häufig gestellte Fragen wurden über alle Kanäle hinweg verbreitet und die vielfältigen Maßnahmen zum Schutz und zum Wohle der Urlauber transparent und detailliert kommuniziert. Die Botschaft „Wir kümmern uns“ kam klar und deutlich rüber. Besonders positiv stach die Ferienfluggesellschaft Condor heraus, die der „Luftbrücke“ der Bundesregierung mit zahlreichen Fernsehinterviews als Teil einer insgesamt erfreulich offensiven Pressearbeit ein sympathisches Gesicht gab. Hier wurde die Krise als Chance genutzt.
Phase 3: Die Urlauber sind wieder zu Hause – und jetzt?
Mittlerweile ist es in der Kommunikation ruhiger geworden. Die Urlauber sind dank der gewohnt professionellen Arbeit der Krisenmanager größtenteils wieder zu Hause. Und jetzt? Die Menschen sitzen daheim, dürfen bis auf Weiteres nicht mehr reisen und ein Ende der Restriktionen ist nicht wirklich in Sicht. Glaubt man einer aktuellen Studie des Hamburger Marktforschungsinstituts Appinio zu den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf den Alltag und das Konsumverhalten der deutschen Bevölkerung, dann macht sich derzeit auch kaum jemand Gedanken über Urlaub. Nur etwa jeder Achte ist aufgrund verringerter Reisemöglichkeiten besorgt, so dass derlei Bedenken in die Kategorie „kleinste Sorgen“ fallen.
Es ist nicht die Zeit für Marketing-Sprech
Das ist nicht wirklich schön, darf aber auch kein Grund sein, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Gegenteil: kommunizieren, am Kunden dranbleiben und kreativ sein, lautet das Gebot der Stunde. Wer einen direkten Zugang zu seinen Kunden hat, der sollte ihn auch nutzen. Wer in der Vergangenheit regelmäßig Newsletter verschickt hat, sollte dies auch weiterhin tun. Nur bitte nicht mit dem üblichen Marketing-Sprech. Es ist nicht die Zeit für „Reiseangebote zum Verlieben“ oder „zum Blättern in attraktiven Schnäppchenangeboten“. Inhalte und Sprache sollten der Situation angepasst sein. Für zielführend halte ich beispielsweise einen eher journalistisch gemachten Newsletter, in dem man über das Unternehmen und seine Mitarbeiter in Zeiten der Corona-Krise berichtet: über Wissenswertes, Aktuelles, Hintergründiges und vielleicht sogar Unterhaltsames. Als Stammkunde eines Clubs oder Hotels möchte ich doch wissen, was vor Ort gerade passiert: Ob beispielsweise gerade renoviert wird, die eingelagerten Lebensmittel an die örtlichen Tafeln gespendet werden und wie es meinem Lieblings-Barkeeper oder der netten Rezeptionistin geht? Auch ein Blick hinter die Kulissen des Krisenmanagements könnte spannend sein. Auf diese Weise hält man die Marke im Mind-Set der Kunden weiterhin hoch, bindet sie an das Unternehmen, bleibt eng am Kunden dran und kann frühzeitig wieder Buchungsimpulse setzen, sobald sich abzeichnet, wann es wieder losgeht.
Kreative Aktionen sind gefragt
Der Kreativität sind derzeit keine Grenzen gesetzt. Erfreulicherweise hat es gerade in den letzten Tagen einige sehr schöne Aktionen gegeben. Beispielsweise die virtuelle Deutschland-Kampagne der DZT, die im Ausland unter dem Hashtag DiscoverGermanyFromHome Erlebnisformate aus verschiedenen Regionen aller 16 Bundesländer zeigt. Oder der virtuelle Sonntagsspaziergang durch Thüringen, an dem immerhin 300 Gäste auf der Facebook-Seite „Thüringen erleben“ teilnahmen.
Eine sehr gelungene und zur Nachahmung empfohlene PR-Maßnahme ist aus meiner Sicht auch die Aktion der Schweizer Gemeinde Engelberg, die sich beim medizinischen Personal der Schweizer Spitäler und Institutionen mit 1.000 Gratis-Ferienwochen bedanken. Angefangen vom Hotelier über die Bergbahnen bis hin zum Restaurant-Betrieb – alle machen mit. Eine wirklich tolle Initiative, von der nicht nur eine ganze Berufsgruppe profitiert, die es aufgrund ihres außerordentlichen Engagements wirklich verdient hat, sondern auch Engelbert, die es damit als sympathische Gemeinde in so manches Herz und ganz sicher in viele Medien geschafft haben dürfte.
Über den Autor:
Mario Köpers ist Geschäftsführer und Inhaber der Kommunikationsagentur KC3 (Köpers Corporate & Crisis Communications GmbH). 20 Jahre lang war er Kommunikationschef der TUI Deutschland und hat den Reisekonzern als Mitglied des Krisenstabes kommunikativ durch viele Krisen geführt. Für seine Arbeit während der Aschewolke-Krise im Jahr 2010 wurde er mit dem Internationalen Deutschen PR-Preis für Veränderungs-, Konflikt- und Krisenkommunikation ausgezeichnet.