Markus Schlichenmaier, Executive Director und Leiter Risiko- und Krisenkommunikation Wilde & Partner Communications

Urlaub Made in Germany: Warum der Deutschlandtourismus sich
im Zuge der Krise profilieren und sogar neu erfinden kann.

Covid-19 ist omnipräsent und die Tourismusbranche im Krisenkommunikationsmodus. Das in diesen Zeiten oft bediente Max-Frisch-Zitat, dass die Krise eigentlich ein produktiver Zustand sei, wenn man ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nimmt, gilt besonders für die Kommunikation.

Der Großteil unserer Agenturkunden kommt aus den Branchen, die besonders hart betroffen sind: Tourismus, Hotellerie und Luftfahrt – darüber hinaus auch viele Destinationen in Deutschland. Unsere Stärke in der PR-Disziplin und unsere Beratungsspezialisierung im Bereich Risiko- und Krisenkommunikation sind ein Vorteil. Und zusammen mit unserer 24-7-Erreichbarkeit bei unseren Bestandskunden und für Neumandate derzeit besonders intensiv nachgefragt. Die zum Großteil mittelständisch geprägte Reisebranche verfügt oft nicht über ausreichende interne Strukturen und Ressourcen für eine umfassende und nachhaltige Krisenkommunikation.

Die Tourismuswirtschaft macht kommunikativ viel richtig. Doch die aktuelle Situation ist keine individuelle Unternehmenskrise, mit der man sich analog seines Krisenhandbuchs mit Checklisten auseinandersetzt. In jeder Krise herrschen erhöhter Informations- und Kommunikationsbedarf. Und gerade in dieser Situation, die unser soziales und wirtschaftliches Leben derart beeinträchtigt, haben Menschen Sehnsucht nach Normalität, nach inspirierenden Geschichten und positivem Content.

Der hiesige Tourismus hat unserer Ansicht nach eine einzigartige Kommunikationschance. Wenn sich Mobilitätsbeschränkungen wieder lockern, dann werden viele Menschen Deutschland als Reiseziel womöglich den Vorzug geben – selbst, wenn sich die Grenzen wieder öffnen. Sie möchten ihr Wohnzimmer der letzten Wochen mit dem Bayerischen Wald eintauschen, ihren Balkon mit der Nordsee, etc.

Neben die traditionelle Kundschaft könnte eine ganz neue Zielgruppe treten – nämlich die, die die schönsten Wochen des Jahres vielleicht auf Bali oder Sansibar verbringen wollte und Inlandsziele normal nur für ein verlängertes Wochenende in Betracht zieht. Was kann die hiesige Tourismuswirtschaft tun, um sie außerhalb von Hochsaisonzeiten für zwei Wochen in den Schwarzwald oder an die Ostsee zu locken? Gastgeber konkurrieren schließlich mit Yoga in tropischer Umgebung, traumhaften Boutique-Hotels und hippen Avocado-Kreationen. Hier ist auch ein völlig neues Denken im Hinblick auf die Produktentwicklung und -kommunikation gefragt.

Die Player im Deutschlandtourismus sollten sich aber jetzt nicht nur vorbereiten auf die Zeit „danach“, sondern ihre Kommunikation bis dahin strategisch und selbstbewusst weiter fortführen. Pro-aktive Kommunikation ist das Gebot der Stunde – wenngleich das Storytelling achtsam der jeweiligen Tagesberichterstattung anzupassen ist.

Wir bekommen von unseren Deutschland-Kunden, darunter viele Stadt- und Landesmarketing-Organisationen sowie regionale Tourismusverbände, in dieser Krise meist dieselben Fragen gestellt. Zum Beispiel, was und ab wann soll ich kommunizieren, wie kann PR nach der Krise „auf Knopfdruck“ vertriebsfördernd unterstützen, wie kommuniziere ich in dieser Situation richtig gegenüber meinen Gästen, Mitarbeitern und Partnern? Ist es sinnvoll, Werbung komplett zu stoppen?

Wir erstellen in diesen Tagen für unsere Kunden individuelle Recovery-Pläne für die aktuelle Kommunikation und die Zeit nach der Krise gleichermaßen. Zu definieren sind inspirierende Botschaften und kreativer Content, die passenden Kanäle sowie der richtige Zeithorizont. Die gestiegene  Verweildauer in den sozialen Medien lässt sich für Social Media-Kampagnen und erweitertes Community Management optimal nutzen, um so den direkten Draht zu bestehenden und zukünftigen Gästen auszubauen. Nicht zuletzt ist kommunikativ verstärktes Engagement auch intern gefragt – Mitarbeiter sind das Rückgrat von Unternehmen und Organisationen. Sie gilt es, in ihrer Verunsicherung abzuholen und den Team-Spirit zu festigen. Nicht zuletzt kommt auch der Kommunikation mit externen Stakeholdern eine wichtige Rolle zu.

Die Deutschen sind und bleiben Reiseweltmeister. Der Deutschland-Tourismus hat jedoch eine historische Chance, sich und seine Kommunikation neu zu erfinden. Allerdings müssen jetzt die kommunikativen Hausaufgaben gemacht werden.

krise@wilde.de