Ein Gespräch über die Kur- und Heilbäder in Zeiten der touristischen Krise, wie Digitalisierung dabei hilft neue Zielgruppen zu erschließen, und warum den Reha-Standorten eine wichtige Rolle für die Zeit nach Corona zukommt.
Herr Krieger, durch das Coronavirus ist der Tourismus in Deutschland zum Erliegen gekommen. Wie gehen Sie als Kurort und Staatsbad mit der Situation um?
Krieger: Zunächst muss ich sagen, dass die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen trotz des hohen Tempos der Veränderungen hier gut funktioniert hat. Innerstädtisch hat die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und Partnern gut geklappt, während wir die Leistungen innerhalb einer Woche kontinuierlich heruntergefahren haben. Das zeigt, dass hier die Strukturen funktionieren. Und die aktuelle Situation bietet für uns als Kur- und Reha-Standort perspektivisch auch Chancen.
Inwiefern Chancen?
Es geht gerade überall um das Thema Gesundheit. Der Fokus vieler Menschen wird über diese Krise hinaus noch vielmehr dort liegen als früher. Und Gesundheit ist unser Kernthema. Die Kur- und Rehazentren werden auch in der Nachversorgung lungengeschädigter Patienten in Folge des Coronavirus eine zentrale Rolle spielen. Auch auf die psycho-sozialen Folgen dieser Zeit langer Isolation können wir reagieren. Denn es wird mehr Menschen geben, die in Folge von Arbeitsplatzverlust, Stressfolgen im beruflichen oder familiären Umfeld Hilfe brauchen werden. Wir haben das Know-how, die Erfahrung und speziell hier in Bad Salzuflen auch eine Struktur, die uns in der Therapie nun sehr zugute kommt. Als GmbH betreiben wir mit unserem Vitalzentrum selbst den medizinisch-therapeutische Mittelpunkt des Ortes. Wir können Angebote selbst aus dem Markt heraus entwickeln und dem Gast anbieten. Im Moment arbeiten wir schon mit mehreren Badeärzten sehr konkret an Ideen und Konzepten. Und was uns jetzt ebenfalls hilft, ist die Digitalisierung.
Bitte erklären Sie uns wie genau?
Digital sind wir als Staatsbad schon sehr gut aufgestellt, begleiten mittlerweile die ganze Customer Journey des Gastes. Unsere touristischen Angebote sind online sichtbar und buchbar, unsere GästeCard führt vor Ort viele Leistungen zusammen. Auch haben wir die Voraussetzungen geschaffen, den Gast über Veranstaltungen und Angebote noch vor Ort zu informieren und diese Erlebnisse in Echtzeit online buchbar zu machen. Den touristischen Bereich erledigen wir hauptsächlich in Deskline. Was wir jetzt noch tun, ist die Digitalisierung des ganzen Bereichs der medizinischen Nachsorge. Hier arbeiten wir mit CGM, der Software-Lösung, mit der auch unsere Kliniken arbeiten. Wir können die touristischen und medizinischen Gäste-Daten also theoretisch miteinander verschneiden.
Woran arbeiten Sie sonst noch an der Weiterentwicklung im digitalen Bereich?
Bald können wir Gästen über einen Chatbot rund um die Uhr Antworten auf die wichtigsten Fragen geben. Dann planen wir als erstes Heilbad in Deutschland eine Vermittlungsplattform für medizinische Leistungen und Angebote. Wir werden also zur Schnittstelle zwischen Fachärzten, Experten und dem Gast, können darüber dann auch selbst noch Leistungen offerieren, an die der Patient vielleicht noch gar nicht selbst gedacht hat. Über die Plattform kommen wir an viele wichtige Daten, die uns künftig helfen, unsere Angebote besser zu machen und zielgruppengenauer zu entwickeln. Wir wollen mit unserer ganzen Heilbadstruktur im digitalen Prozess sein, um Planung, Aufenthalt und Nachsorge mitzugestalten. Den Bereich Nachsorge bauen wir übrigens gerade schon um digitale Angebote aus, etwa im telemedizinischen Bereich.
Bis wann soll die neue Plattform stehen?
Ursprünglich wollten wir damit 2021 in Betrieb gehen. Da der Bedarf in Richtung unserer Kompetenzen, nach Sole-Anwendungen in Bezug auf die Nachsorge von Atemwegserkrankungen, allerdings schnell steigt, wollen wir das Projekt schon dieses Jahr starten. Was auch für die neue Plattform-Idee spricht ist der Fakt, dass immer mehr Menschen gut mit digitalen Medien umgehen können, sich im Alltag online informieren und buchen. Auch immer mehr ältere Menschen.
Über wie viele Gäste sprechen wir in Bad Salzuflen – und erwarten Sie vielleicht sogar ein Comeback des Kurwesens durch die Corona-Spätfolgen?
Wenn ich nur auf meine Zeit hier als Geschäftsführer schaue, dann sind wir im Jahr 2014 mit 740.000 Übernachtungen gestartet. 2019 waren es 865.000. Davon entfielen 450.000 auf den Klinikbereich, der über die Jahre stabil bis leicht stagnierend war. Die Zuwächse kommen also aus dem gesundheitstouristischen Selbstzahlerbereich. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass bald auch wieder mehr Gäste auf Rezept kommen werden. Hier muss es Gespräche mit den Krankenkassen geben. COVID-19-Betroffene können die Nachsorge nicht ausschließlich aus der eigenen Tasche bezahlen. Aber das Kurwesen wird nie wieder wie bis in die 90-er Jahre hinein zurückkehren. Das anzunehmen wäre illusorisch.
Noch einmal zur aktuellen Situation: Wie bleiben Sie mit Ihren Gästen in Kontakt?
Wir sind derzeit stark auf den sozialen Netzwerken unterwegs, stellen dort unsere Kernkompetenzen vor, etwa in Form von Gesundheits- oder Atemwegstipps. Dann ist unsere Website Dreh- und Angelpunkt vieler Aktionen, beispielsweise spielt dort einmal in der Woche im Live-Stream unser Staatsbad-Orchester. Wir bieten auch virtuelle Stadtführungen und thematisieren online schon unsere Gedanken und Ansätze für die Zeit nach Corona.