Alte Zöpfe abschneiden: Ein Plädoyer für einen mutigen Weg zum Destinationsmanagement 2020+
Von Dr. Mathias Feige & Markus Seibold
Business as usual in den Destinationen nach dem weitgehenden Ende des Lockdowns?
Natürlich nicht! Auch wenn Tagesausflüge, Übernachtungsreisen und damit das Geschäft in den letzten Wochen glücklicherweise wieder angelaufen sind, stottert der Motor. Zwar drängeln sich an Hotspots schon wieder die Massen, aber Kapazitätsbegrenzungen und die Zurückhaltung vorsichtiger Menschen lassen viele Anbieter nur sehr verhalten aufatmen. Außerdem sind noch lange nicht alle Marktsegmente und Leistungsträger wieder am Netz, zum Beispiel im Städtetourismus, im MICE-Segment, bei Gruppenreisen und erst recht nicht im Incoming.
Szenarien gehen davon aus, dass vor 2022 oder sogar 2023 nichts wieder wirklich im Lot sein wird. Schließlich ist noch unklar, welche temporären beziehungsweise dauerhaften (wirtschaftlichen) Schäden von der Corona-Zeit bleiben werden, wie viele Betriebe sie nicht überleben. Was die Krise für die DMO akut bedeutet, ist in den letzten Wochen intensiv diskutiert worden, viele ad hoc-Maßnahmen soll(t)en die Folgen lindern, Willkommensund andere Kampagnen werben um Stamm- und Neukunden, alle streben nach einem „new normal“.
Nach der ersten Phase der akuten Krisenbewältigung wird zudem nun allmählich der Blick frei für schwierige Langfrist- und Spätfolgen (z. B. sinkende Ausbildungs-Zahlen), um die man sich intensiv kümmern muss. Gleichzeitig, wie in fast jeder Krise, ergeben sich daraus aber auch Freiheitsgrade und neue Möglichkeiten. Um die geht es uns. Wir sind überzeugt: die größte Chance liegt im Abschneiden alter Zöpfe, in der gründlichen Überprüfung all dessen, was sich über die Jahre eingeschlichen hat, nicht mehr zeitgemäß war, was man schon lange ändern wollte, wozu aber nie der „richtige Moment“ kam oder was „immer blockiert“ wurde.
Jetzt ist die Gelegenheit für Neu & Anders!
Unser Schlüsselbegriff dafür ist die Suche nach einer neuen Balance für die wichtigsten Themen der DMO: die Markenbildung und das Marketing, die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, die Qualitätsentwicklung, die Kommunikation nach innen und das Netzwerken. Unser dwif-DMO-Radar leistet hier Unterstützung. Hinzu kommen Fragen zur Arbeitsteilung mit ihren Partnern, den (Organisations-) Strukturen und natürlich nach den erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen. „Neue Balance“ deshalb, weil es bei vielen Veränderungen nicht um ein Entweder-Oder geht, sondern vor allem um mehr oder weniger starke Anpassungen an Veränderungen der Gästebedürfnisse und deren Kommunikationsverhalten, um die Digitalisierung oder um Strukturveränderungen in der Organisation der DMO-Arbeit. Viele DMOs sind in diesem umfassenden ChangeProzess in den letzten Jahren bereits weit vorangekommen.
Allerdings beklagen selbst Verantwortliche aus den innovativen Leitregionen, dass es immer noch (zu) viele Beteiligte gibt, die nicht so mitziehen, wie sie es der Region und sich selbst für einen besseren Markterfolg wünschen. Das gilt erst recht für die DMOs, die sich erst am Anfang der erforderlichen Erneuerung sehen. Praktisch überall sind „multiple Beharrer- und Bremserkräfte“ in den Destinationen aktiv und behindern die Ausschöpfung neuer Marktchancen. Schade.
Aber wann, wenn nicht jetzt die Chance für größere Schritte nutzen?
Zum Beispiel für eine zeitgemäße Zielgruppenansprache? Für wirklich leistungsfähige interkommunale Kooperationen von Tourismusorten? Für glaubwürdige, ganzheitliche Mobilitäts- und Nachhaltigkeitsstrategien? Für ein neues Beziehungsmanagement mit den (notleidenden) Leistungsträgern? Für neue, partizipative Finanzierungsformen?
Es geht uns nicht darum, die vielen schmerzhaften Folgen der Krise kleinzureden, im Gegenteil: Gerade deren Bewältigung klappt mit alten Instrumenten und Aktivitäten nun überhaupt nicht mehr. Ermutigend ist aber gerade die positive Erfahrung Vieler, dass mit Corona plötzlich Dinge möglich wurden, die noch vor Kurzem undenkbar schienen. Diese Chance gilt es miteinander zu nutzen, um in der jetzigen, instabilen Phase in jedem Handlungsfeld der DMO die nebenstehenden vier zentralen, eigentlich ganz einfachen, Fragen zu beantworten.
Auf dem Weg zu einer neuen Balance geht es nicht darum, alles über den Haufen zu werfen und anders zu machen als bisher. Balance meint vielmehr die gesunde Neujustierung dessen, was erhalten und dem, was erneuert werden muss. Die durch die Krise klammer gewordenen oder werdenden öffentlichen Haushalte werden die meisten DMOs ohnehin dazu zwingen, diese Fragen zu beantworten, damit die öffentliche Hand auch künftig mit Überzeugung die freiwillige Aufgabe Tourismus mir ihren vielfältigen Positiveffekten finanziell unterstützt. Die dwif-Corona-MindMap kann die DMO auf dem Weg zu ihrer neuen Balance unterstützen, um die Vielfalt der damit verbundenen Themen und Fragen nicht aus den Augen zu verlieren und zukunftsfähige Antworten dafür zu finden.
Über die Autoren: Dr. Mathias Feige ist Geschäftsführer der Tourismusberatung dwif mit Standorten in Berlin und München, Mediator und Businesscoach und begleitet seit langem anspruchsvolle Strategieprozesse. Markus Seibold ist Prokurist und Bereichsleiter Destinationsmanagement im dwif und aktuell intensiv im DMO-Coaching auf Basis der dwif-CoronaMindMap tätig.
Kontakt: m.feige@dwif.de | m.seibold@dwif.de | www.dwif.de