Ein Gespräch über den neuen Data Hub in NRW von destination.one, erste Anwendungen in der Praxis, und warum Open Data immer dann schwer umsetzbar wird, wenn Menschen auf Bildern zu sehen sind.
Tourismus NRW startet nun auch mit einem eigenen Data Hub. Was sind die Ziele?
Das Hauptziel ist, dass Daten in die Lage versetzt werden, sich miteinander zu vernetzen. Dass Daten also nicht nur auf unseren Websites ausgespielt werden können, sondern auch in Apps und neuen, zum Beispiel sprachgesteuerten, Services performen. Daten sind bei uns heute vielfach noch eine Text-Bild-Kombination. Aber wir müssen uns darauf vorbereiten, Dinge so aufzubereiten, dass Algorithmen und KI die Inhalte entlang individueller Userprofile automatisch so gut miteinander verknüpfen können, dass am Ende ein besseres Nutzererlebnis entsteht. Und es geht natürlich auch darum, die dann gezieltere und verbesserte Kunden-Inspiration in Buchungen umzuwandeln. Digitalisierung und speziell dieses Projekt sind kein Selbstzweck.
Wenn Sie jetzt den Hebel umlegen, werden dann sofort Unmengen von Daten aggregiert und die Systeme beginnen mit dem Vernetzen der Informationen?
Schön wäre das. Am Anfang steht zunächst einmal die technische Infrastruktur mit ihrem Open Data-Ansatz. Diese Architektur steht. Wir haben also die Datenbank, die Schnittstellen und die Standards für das Bereitstellen von Informationen definiert, haben aber immer noch eine Vielzahl von unterschiedlichen Systemen in unserem Bundesland. Wir können nicht in die Kommunen hineinregieren, sondern nur dafür werben, mitzumachen. Wir starten aber direkt mit mehreren Tausend Datensätzen, die dann zum Beispiel auch gleich in der ADAC Trips-App ausgespielt werden. Parallel läuft der Prozess, dass immer Akteure auf Open Data setzen. Aber wir müssen immer noch Überzeugungsarbeit leisten. Nicht allen fällt es leicht, ihren Content zu öffnen und neue Wege zu gehen.
Was hören Sie denn für Bedenken?
Was immer wieder zu Diskussionen führt, ist das Thema Bilder. Die Regionen haben sich hier viel Mühe gegeben, sich zu präsentieren, und dafür Geld in die Hand genommen. Nun zuzulassen, dass jeder diese Bilder im Prinzip frei nutzen darf, ist ein Paradigmenwechsel. Dazu kommen echte Rechteproblematiken: Es gibt viele Bilder, auf denen Menschen zu sehen sind. Fotos mit Menschen, die der Zielgruppe ähneln, sind ein Trend der letzten Jahre. Hier wird aber nun in Persönlichkeitsrechte eingegriffen, wenn die Daten geöffnet werden. Bei Landschaftsaufnahmen ist das viel einfacher. Hier müssen also noch Hürden weggeräumt werden und alle müssen lernen, dass Reichweite der größte Nutzen für jede Region ist. Ich bringe mal einen Vergleich: Wenn Tourismus NRW oder irgendeine Region eine Pressemitteilung verschickt, besteht doch auch niemand darauf, dass zwingend der Absender in den Medien genannt wird. Was zählt ist, dass die Message bei möglichst vielen Menschen ankommt, dass jemand unseren Content abdruckt und veröffentlicht. Darum geht es!
Andere Bundesländer sind beim Thema Hub-Thema schon weiter. Warum wird NRW erst jetzt aktiv?
Wir sind auch schon seit längerem an dem Thema dran. Aber in einem so großen Flächenland mit stark kommunal verfassten Tourismusstrukturen kann man nicht einfach einen Schalter umlegen. 18 Monate intensive Arbeit sind geleistet worden, um ein einerseits dezentrales, andererseits durchlässiges System zu schaffen. Das war in jeder Hinsicht aufwendig – technologisch, juristisch und auch bezogen auf sehr unterschiedliche Denkweisen bei den Partnern. Dass die DZT ihr Open-Data-Projekt für en Deutschlandtourismus angestoßen hat, war wichtig und hat viele überzeugt, hier mitzugehen. Die Pandemie hat viele Themen- und Lebensbereiche stark verändert, sodass es sich mehr denn je lohnt, in Daten zu denken und darüber zu Lösungen zu kommen. Und gerade die Tourismusbranche hat in der Krise gezeigt, dass sie viele Dinge schnell digital lösen kann. Von der Besucherlenkung über die Gästeregistrierung bis zum Verkauf von Zeitfenstertickets – Tech-Anbieter und Regionen waren sehr kreativ. Kurzum: Unser Hub kommt jetzt zum richtigen Zeitpunkt.
Wo sehen Sie die denn die größten Chancen bzw. Themenfelder, die sich mit Daten gut bearbeiten lassen?
In allem, was auch für die Bürger relevant ist. Denn Tourismus ist immer auch Standortmarketing. Wir können mit unseren Daten einen Beitrag leisten, dass digitale Services entstehen können, die die Lebensqualität der Menschen steigert. Der ÖPNV muss vernetzt sein mit den POIs. Wenn man für ein bestimmtes Datum nach einer Freizeitmöglichkeit im Outdoorbereich sucht, aber die Wetterdaten Regen melden, muss ein guter Service direkt auch Alternativen anzeigen. Wenn ein Gast vegan essen möchte, müssen die entsprechenden Angebote auffindbar werden. Und je mehr gleich auch buchbar wird, desto besser. Das Ziel ist der perfekte digitale Service aus einer Hand, um eine Region als Ganze wirklich erlebbar zu machen.
Wie wird denn die touristische Infrastruktur nach der Corona-Krise aussehen, haben Sie einen Überblick über Insolvenzen?
Wir haben wie alle Landestourismusorganisationen keine eigenen Zahlen. Klar ist aber, dass Lücken in der Servicekette die Erlebnisqualität mindern. Doch auch hier kann die Digitalisierung helfen: Wenn alle Daten gut gepflegt sind, musss niemand vor einem Biergarten stehen, der die Krise nicht überlebt hat. Im Idealfall wird der Gast gleich woanders hingeführt. Und wir sehen, dass gerade die junge Generation von Gastronomen, Hoteliers und Freizeitanbietern die Möglichkeiten der Digitalisierung sehr gut nutzen – und sich damit Wettbewerbsvorteile erarbeiten.
Was erwarten Sie für ein Tourismusjahr 2021?
Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder starten können, dass unsere Branche ab April endlich eine Perspektive bekommt. Unsere Betriebe haben gute Hygienekonzepte, die ergänzt durch eine Teststrategie sicheres Reisen möglich machen. Eine Prognose, bei wie vielen Übernachtungen NRW am Ende des Jahres landen wird, kann aber niemand seriös abgeben. Die Unwägbarkeiten sind einfach zu groß. 2021 wird aber hoffentlich das Jahr, in dem wir uns aus dieser Krise kämpfen, um 2022 einen echten Schritt nach vorne zu gehen. (9.3.21)