Günther Praher – Founder & CEO INCERT eTourismus GmbH & Co KG

Ein Gespräch über Crowd-Funding als alternative Finanzierungsmethoden im Tourismus, die Bedeutung von Loyality in der Krise, und wieso man im Pre-Sales und Gutscheingeschäft die Vorfreude auf die nächste Reise über Highlight-Produkte wecken sollte – nicht über den Preis.

 

Herr Praher, die Corona-Krise hat für viele touristische Betriebe den Cash-Flow zum Erliegen gebracht. Welche Mittel oder Strategien haben sich bewährt, um doch noch Umsätze zu erzielen?

Nicht nur, dass die Umsätze vielfach weggebrochen sind, auch die Hausbanken haben sich anfangs bei den KfW-Krediten oder anderen Hilfen quergestellt. Deshalb sind alternative Finanzierungsmethoden im Tourismus, wie gezieltes Upselling von Gutscheinen oder Crowd-Funding, in den Fokus gerückt, um auch während der Schließungsphase für Umsatz zu sorgen und Nachfrage für die Zukunft zu generieren. Die Falkensteiner Hotels haben das bereits vor Jahren sehr erfolgreich vorgemacht. Und jetzt in der Krise sind einige Akteure mit diesen Ansätzen nachgezogen.

Wie genau muss man sich das vorstellen? 

Anders als beim Crowd-Funding von Start-ups, die irgendwelche fremden Investoren erst von ihrer neuen Idee überzeugen müssen, bitten hier etablierte touristische Leistungsträger ihren Kundenstamm um Vertrauenskapital. Gerade Stammgäste von Hotels sind, das hat sich in der Krise gezeigt, gerne bereit ihr Geld in einen gewissen Rahmen beim Hotelbetrieb ihres Vertrauens anzulegen. Als Gegenleistung bekommen sie Gutscheine für die nächsten Aufenthalte und beim Crowd-Funding auch eine Verzinsung in Form von Mehrleistungen oder zusätzlich Wertbeträgen in GutscheinformKunden, die einem Betrieb so zu einer Finanzspritze verhelfen, werden seitens einiger Hotels dann in sogenannten Investor- oder Loyality-Clubs zusammengefasst. Die Investoren steigen als Gäste damit in eine eigene Liga auf. Für Falkensteiner haben wir einen solchen Club technisch umgesetzt, also die Abwicklung und die Vergütungen 

Also funktionieren Crowd-Funding und Loyality in der Krise als Kundenbindungsinstrumente. 

Genau richtigKunden geben nicht nur einfach Geld und Vertrauen in ein Produkt, das sie bereits kennen und schätzen – sie werden langfristig an den Betrieb gebunden. Für Betriebe ist das Thema Loyality zudem die Möglichkeit, die Kommunikation mit ihren Gästen neu zu denken. Für die Mitglieder des Loyality-Clubs kann es zum Beispiel in der Zukunft auch einmal im Jahr ein exklusives Event geben. Oder sogar einen eigenen Bereich auf der Website, in dem nur sie bestimmte Leistungen kaufen können bzw. besondere Gutscheine zur Verfügung haben 

 

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Wie muss man so einen Loyality-Club in der Umsetzung angehen?

Das Wichtigste ist erst einmal, dass ich eine gute Gastbeziehung habe. Das ganze Thema Pre-Sales funktioniert dann am besten mit besonderen Produkten, mit Highlights oder exklusiven Leistungspaketen. Weiter ist für alles, das online angeboten und verkauft werden soll, die Technik ein entscheidender Erfolgsfaktor. Kann die Technik nur einfaches E-Commerce? Oder unterstützt sie auch meine Datenprozesse innerhalb des Betriebs mit offenen Schnittstellen und hilft im Upseeling und Vertrieb? Der letzte Punkt ist in meinen Augen sehr wichtig, denn gute Angebote dürfen nicht verramscht werden! Gerade Gutscheine haben eine hohe emotionale Wertigkeit und werden nicht über den Preis verkauft. 

 

Aber der Kunde sucht immer auch den günstigsten Preis. 

Im Pre-Sales geht es aber nicht um den günstigsten Preis, sondern um das Wecken von Vorfreude und besondere Leistungen und Erlebnisse. Dinge, auf die sich Menschen freuen, weil sie endlich wieder verreisen dürfen, kann ich zum vollen Preis verkaufen. Das zeigen unsere Daten eindeutig. Bloß keine Rabattschlacht mit guten Produkten! Das schadet mehr als es nützt. Pre-Sales hat laut unseren Daten einen weiteren Vorteil: Die Kunden leisten sich vor Ort mehr. Es entsteht mehr Wertschöpfung. Der Grund ist psychologisch leicht zu erklären: Wer sich vor einem halben Jahr einen Hotelgutschein gekauft oder bekommen hat, startet während des Aufenthalts gefühlt bei null. Die Ausgabe für die Buchung liegt weit in der Vergangenheit – aber im Hier und Jetzt will man sich etwas gönnen. Das kann jeder bei sich selbst beobachten. Upselling funktioniert also sehr gut.  

 

Wie lange sollte ein Gutschein gültig sein?

Die Gültigkeit sollte nicht zu sehr eingeschränkt sein. Im Pre-Sales empfehlen wir drei Jahre Gültigkeit. So ist es gesetzlich auch verankert. Die lange Gültigkeit hat nicht nur für den Gast Vorteile. Auch die Betriebe werden dadurch viel flexibler, weil sie mehr Gutscheine in den Verkauf geben können und gleichzeitig ein steuerndes Element in die Hand bekommen, beispielsweise weil Pre-Sales-Angebote nur für Wochenenden oder beispielsweise von SO-MO gelten können. Oder für andere auslastungsschwache Zeiträume. Das ist immer individuell.  

 

Abschlussfrage: Gibt es den in vielbesagten Digitalisierungsschub durch Corona wirklich? 

Ja, den gibt es. Und zwar nicht nur auf der Ebene der Destinationen, sondern jetzt besonders stark auf der betrieblichen EbeneSelbst Gastronomen haben in der Corona-Zeit Onlineshops gelauncht, dort Genusspakete, Take-Away oder Gutscheine verkauft. Auch Hotels, Freizeitbetrieben, und Thermen haben in der Krise im digitalen Bereich investiert. Von dieser Entwicklung wird die Branche und die Gäste auch nach der Pandemie profitieren. 
(30.3.21)