Ein Gespräch über die Ansprüche heutiger Wintergäste, die Professionalisierung der privaten Zimmervermieter und warum Kundendaten das Rohöl das 21. Jahrhunderts sind.
Herr Joas, ich habe in Nesselwang in den 80ern Skifahren gelernt. Seit damals hat sich viel verändert. Was sind heute die größten Herausforderungen als Wintersportort?
Die Anforderungen an ein Skigebiet haben sich seit damals total verändert. Ob es die Liftanlagen sind, die Präparation der Pisten oder die technische Beschneiung. Der Gast will verlässlich zu bestimmten Zeiten seinen Schnee haben, um Wintersport zu machen. Ich glaube man kann sagen, dass wir uns heute weniger nach der Natur richten als damals.
Damals war Schnee aber kein Problem. Der war zwischen Weihnachten und Ostern einfach da. Ganz ohne Schneekanonen.
Der Schnee kommt heute auch noch verlässlich. Er stellt uns nur manchmal auf eine Geduldsprobe (lacht). Die letzten Jahre kam der Schnee knapp vor Weihnachten und wir hatten im März noch richtig viel Schnee.
Was konkret tut Nesselwang, um für Gäste attraktiv zu sein?
Wir orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Gäste. Und die sind wie gesagt anders als früher. Heute wollen Urlauber zum Beispiel Nachtskifahren, wir bieten das täglich von 18 bis 21 Uhr. Das wird gerade von den Wintersportlern aus dem Umland sehr gut genutzt. Viele kommen aus Ulm, um unter der Woche noch unter Flutlicht in den Feierabend zu wedeln. Was wir auch verstärkt festgestellt haben, ist, dass immer mehr Gäste einfach nur mit der Bergbahn auf die Alpspitze wollen – also ohne Ski. Für diese Kunden haben wir diese Saison oben am Berg einen neuen Winterwanderweg geschaffen. Da geht es einfach um das Naturerlebnis in einer herrlichen Landschaft. Dazu passt auch gut, dass wir unsere Langlaufloipen neu konzipiert haben.
Wer sind Ihre Hauptzielgruppen? Sprich wie positioniert sich Nesselwang?
Das ergibt sich ein Stückweit durch die natürlichen Gegebenheiten. Unser Skigebiet liegt zwischen 800 und 1500 Höhenmeter und bietet acht Pistenkilometer. Das eignet sich besonders gut für Familien mit kleineren Kindern und für Einsteiger. Für viele reicht dieses Angebot – und man bekommt es für ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei uns zahlen zwei Erwachsene mit Kind für den Wochenskipass nicht mehr als eine Person in Kitzbühel. Snowboarder dagegen können sich bei uns auf hohem Niveau austoben: Unser Red Bull-Snowpark ist deutschlandweit so ziemlich die beste Anlage.
Wie viele Gäste haben letzte Skisaison ihre Ferien in Nesselwang verbracht?
Im ganzen Jahr 2015 hatten wir 270.000 Übernachtungen. Ein Drittel davon entfällt auf den Winter. Wir rechnen diesen Winter mit 90.000 plus x, da wir mit dem Bundesfinale von „Jugend trainiert für Olympia“ eine große Sportveranstaltung im Ort haben. Dazu ist die Saison etwas länger als im Vorjahr, weil Fasching spät fällt.
Welche Rolle spielen die Tagesgäste für Ihren Erfolg als Wintersportort?
Eine sehr große. Über die A7 sind wir sozusagen von Norden kommend der erste erreichbare Wintersportort im Allgäu. Das sieht man an den im Schnitt über 5000 täglichen Durchgängen an der Alpspitz-Bahn.
Was waren in den vergangenen Jahren die größten Investitionen?
Wenn man die letzten zehn Jahre nimmt, ist als allererstes die Alpspitzbahn zu nennen. Dort gibt es jetzt zwei Kombibahnen. In einer Beförderungsanlage hängen also sowohl 6er-Sessel wie auch 8er-Gondeln. Da waren wir die ersten in Deutschland. Vor fünf Jahren wurde die obere Sektion als größte Investition der vergangenen Jahre abgeschlossen. An der Bergstation haben wir dann noch den „Alpspitzkick“ gebaut. An einem Drahtseil geht insgesamt 1,2 Kilometer talwärts. Dabei werden Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h und Höhen bis zu 60 Metern erreicht. Auch in das Alpspitz-Bade-Center wird fortlaufend investiert.
Was hat sich im Übernachtungsbereich getan?
2013 haben wir ein neues großes Hotel eröffnet: das Explorer Hotel Neuschwanstein. Und aktuell erweitert unser einziges 4-Sterne-Hotel, der Nesselwanger Hof, sein Zimmer- und das Restaurantangebot. 25 Prozent unserer Bettenkapazität entfallen auf das Hotelwesen. Ein weiterer großer Teil unserer Gäste geht ins Feriendorf Reichenbach. Dort haben wir 120 Ferienhäuser.
Wie sieht es im privaten Bereich aus?
Mit Ihrer Kindheit können Sie das nicht mehr vergleichen. Früher haben viele Gastgeber die Ferienzimmer nebenbei betrieben. Heute ist dieser ganze Bereich professionalisiert, angefangen bei der Bewerbung der Zimmer bei OTAs über die Ausstattung bis zum Service. Wer diesen Schritt nicht gegangen ist, dem hat der Markt im Prinzip kaum mehr Geschäft gelassen. Aber wir sind nach wie vor kleinteilig strukturiert, haben viele Stammgäste, und es gibt immer noch Zimmer auf Bauernhöfen. Gerade im privaten Bereich finden viele Gäste, was sie hier so schätzen: viel Authentizität und Allgäuer Traditionen. Aber eben in die Moderne übersetzt, wo es sein muss.
Leidet Nesselwang auch darunter, dass viele Jüngere die Ferienzimmer ihrer Eltern nicht weiterführen wollen?
Prinzipiell haben wir dieses Nachfolgerproblem auch. Die Situation stellt sich aber trotz eines leichten kontinuierlichen Rückgangs stabil dar.
Wie stellen Sie sich in Sachen Gästewerbung für die Zukunft auf?
Für uns ist ganz wichtig, uns um die Gäste zu kümmern, die schon einmal bei uns waren. Es geht uns um ein gutes Customer Relationship Management. Hier intensivieren wir unsere Bemühungen, mit den Daten, die wir haben, sinnvoll und effektiv zu arbeiten. Es ist schon was dran, wenn man sagt, dass Daten das Rohöl des 21. Jahrhunderts sind. Wir werden in jedem Fall versuchen, in allen Bereichen innovativ bleiben.