Ein Gespräch über touristische Analysen auf Basis von Bewegungsmustern, wie Mobilfunkdaten dabei helfen, eine Region effizienter zu bewerben, und wie sich aus dem Wissen um das Mobilitätsverhalten seiner Gäste Produkte entwickeln lassen, von denen auch POIs profitieren, die man bisher als DMO vielleicht noch gar nicht so im Blick hatte.
Herr Lange, Sie steigen als Telefonanbieter gerade in den Markt der Mobilitätsanalysen für den Tourismusbereich ein. Was für Daten haben Sie, die für Regionen und Städte interessant sind?
Telefónica als Mobilfunkanbieter verbindet in Deutschland die meisten Kunden. Im Tochterunternehmen Telefónica NEXT untersuchen wir in anonymisierter Form Bewegungsströme, die über 45 Millionen mobile Anschlüsse täglich mit ihren Signalen erzeugen. Hinzu kommen noch die Bewegungsströme ausländischer Nutzer, die in unserem Netz eingebucht sind und sich in einer Region bewegen. Das alles verläuft immer komplett anonymisiert. Neben Bewegungsdaten und Angaben zur Verweildauer einzelner Gruppen können wir auch Rückschlüsse auf sozio-demografische Werte wie Alter und Geschlecht ziehen. Für Städte und Regionen entstehen so Untersuchen auf Basis von riesigen Stichprobengrößen zu Reisegewohnheiten von bestimmten Personengruppen.
Über Bewegungsdaten wissen Sie also zum Beispiel viel über Tagestouristen? Diese Gruppe lässt sich bislang in der Regel oft schwer messen.
Richtig. Grenzüberschreitende Verkehre können wir gut sichtbar machen, weil wir erkennen, welche ausländischen SIM-Karten sich wann, wo und wie lange im deutschen Funknetz aufhalten. Aber nicht nur Tagestouristen werden so gut erkennbar. Auch ausländische Touristen, die in privaten Unterkünften übernachten, sind in unserer Analyse enthalten. Also auch Menschen, die mit dem Flugzeug aus dem Ausland landen – und dann hier am Flughafen ihr Handy nach tausenden Kilometern im Flugzeug anschalten.
Geben Sie uns bitte ein konkretes Beispiel für eine touristische Analyse auf Basis von Bewegungsmustern.
In Deutschland haben wir zum Beispiel den Düsseldorfer im Vergleich zum Kölner Karneval analysiert. Da wir hier aber gerade erst in den Markt gehen, haben wir viel mehr touristische Beispiele aus Spanien, wo die Kollegen dort mit vielen Städten und Regionen zusammenarbeiten. Ein gutes Beispiel ist das mehrtägige Blumenfest „Temps de flor“ in Girona. Dort konnten wir zunächst einmal genau sagen, wie viele Menschen das Festival überhaupt anzieht. 90 Prozent der Besucher kommen aus dem direkten Umland, 2 Prozent aus dem Rest Spaniens und 8 Prozent aus dem Ausland. Besonders erkenntnisreich für die Touristiker der Stadt war zu sehen, wie unterschiedlich die Aufenthaltsdauer der verschiedenen Gruppen ist. Beim nächsten Fest wird die Werbung und Kommunikation auf Basis dieser Erkenntnisse nun in Richtung der verschiedenen Kundengruppen angepasst.
Was für weitere Schlüsse kann man als DMO oder andere Organisation mit diesem Wissen über seine POIs, Veranstaltungen, Gäste usw. anfangen.
Gerade für die verkehrstechnische Organisation von Großevents wie Konzerte ist es Gold wert, wenn man weiß, wie die Besucher anreisen. Und sicherheitstechnisch ist es mehr als gut zu wissen, wie sich Menschen auf einem Event im Tagesverlauf erfahrungsgemäß bewegen. Man kann aber im Vorfeld auch Werbekampagnen viel besser auf Basis der Herkunftsorte seiner Gäste ausrichten und touristische Angebote auf die jeweiligen Zielgruppen zuschneiden oder besser bündeln. So profitieren die Gäste direkt durch optimierte Öffnungszeiten oder passende Paketangebote. Daraus folgt wiederum: Wenn ich meinen Gästen im Vorfeld die für sie wirklich passenden Angebote mache, erhöht sich meine Wertschöpfung und die Gäste-Zufriedenheit. Das ist langfristig die beste Werbung für eine Stadt oder Destination. Wir bereiten unsere Daten für Destinationen jedenfalls so auf, dass die Entscheider leicht die richtigen Schlüsse ziehen können.
Aktuell suchen Sie anlässlich des Markteintritts eine deutsche Pilotregion. Diese erhält eine umfangreiche Analyse und ein Mediapaket. Bitte stellen Sie uns die Aktion genauer vor.
Die Pilotregion (Hier bewerben) wird mit zwei Paketen unterstützt: Das Analysepaket umfasst im Wesentlichen die zuvor bereits genannten Möglichkeiten, einen Point of Interest mit Umkreis von fünf Kilometern mittels anonymisierter Daten genau anzuschauen, z.B. zu Einzugsgebiet und Demographie. Der zweite Teil ist ein Mediapaket mit unserem Location-based Messaging Service o2 More Local. 4 Millionen Nutzer haben sich explizit angemeldet, um die standortbezogenen Angebote zu empfangen. Hier ist wichtig zu unterscheiden, dass dieses datenbasierte Angebot komplett unabhängig von den anonymen Analysen gestaltet ist, denn diese Kunden wollen von uns explizit Werbung erhalten zu Themen, die sie interessieren könnten. Das Zusenden der entsprechenden Angebote erfolgt im Rahmen einer gemeinsam ausgearbeiteten SMS/MMS-Kampagne an 100.000 hochwertige Nettokontakte, wobei die Ausspielung deutschlandweit in ausgewählte Geozonen erfolgen kann – hier können auch die Erkenntnisse aus der Analyse in die Planung einfließen.
Ist SMS nicht mittlerweile out?
Im Gegenteil, das ist ein sehr wertiger Kanal. Die Öffnungsquote einer über uns versandten SMS liegt im Schnitt bei 98 Prozent. Das zeigt auch, wie relevant diese Kontakte sind.
Welche weiteren digitalen Lösungen bietet Telefónica Next für Tourismuskunden?
Kern unseres touristischen Angebots sind die Analyse von Bewegungsdaten und das Ausspielen von ortsbezogenen Kampagnen über unsere Kanäle an relevante Personen. Aber wir können auf Wunsch noch viel tiefer in bestimmte Fragestellungen eintauchen und Dinge beantworten, die über das bisher genannte hinausgehen. Ich könnte mir zum Beispiel das Thema Overtourism gut vorstellen. Wenn wir analysieren, was die Menschen, die einen Ort stark frequentieren, noch interessiert, kann eine Destination Alternativen anbieten. Man könnte also Strategien entwickeln, wie auch andere Attraktionen von der Masse an Besuchern profitieren.
Wo könnte man noch tiefer einsteigen?
Auch ein detaillierter Blick auf das Thema An- und Abreise dürfte sich für viele Destinationen hinsichtlich der Organisation von Großevents lohnen. Wir können aber auch tiefer in einzelne Locations hineinschauen – und zum Beispiel die Frage beantworten, wann ein Museum oder eine Tourist-Information von welchen Kundengruppen wie lange genutzt wird. Analysen im Inneren von Gebäuden funktionieren allerdings nicht über das Mobilfunknetz, sondern über Wifi-Technologie, wo wir eine entsprechende Sensortechnologie anbieten können.
Über dem ganzen Datenthema schwebt sehr aktuell die Debatte um den Datenschutz. Was für Daten verwenden Sie genau – und ist das save auch für Kunden?
Bei all unseren Analysen ist die Privatsphäre von einzelnen Personen immer geschützt. Da werden wir sehr genau kontrolliert. Unser Anonymisierungsverfahren ist patentiert, TÜV-geprüft und wurde von uns über Jahre mit der für Telefónica zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde, der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), abgestimmt. Alle gesetzlichen Anforderungen an den Datenschutz, z.B. aus der DSGVO, setzen wir dabei selbstverständlich um. Im Werbebereich bekommen nur solche Kunden Nachrichten, die den Service gebucht haben – und in beiden Fällen können Nutzer immer die Wahl treffen, sich jederzeit von Werbung oder Datenanalyse abzumelden. Unsere Kunden sind mit dem, was sie von uns erhalten, also auf der sicheren Seite.