Tourismusnetzwerke, Mailings, Wissensplattformen, Messen, Magazine: Das Feld der B2B-Kommunikation wird breiter bespielt als je zuvor. In der Pandemie hat der Bereich für Destinationen massiv an Bedeutung gewonnen. Ein Überblick.
Von Christian Leetz
Hätte es in der Coronakrise keine Tourismusnetzwerke gegeben – man hätte sie schnell erfinden müssen. Nie war der Informationsbedarf der Betriebe und touristischen Akteure größer als in der Zeit nach März 2020. Und selten zuvor gab es allen voran für Landesorganisationen mehr Gelegenheit, sich als Kümmerer, Ratgeber und Netzwerker zu profilieren. „Auf dem Höhepunkt der Krise hatten wir auf unserem Tourismusnetzwerk eine Steigerung der Zugriffe um 600 Prozent“, sagt Dr. Martin Knauer, Leiter Stabsstelle Kommunikation & Koordination Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg. Ständig neue Verordnungen, Corona-Hilfen, KfW-Programme, Landeskredite, städtische Zuschüsse, regionale Sonderfonds, ein Wirrwarr aus Schutzmaßnahmen und ständig neuen Regeln: Für den einzelnen Betrieb war es in bestimmten Phasen kaum noch möglich, den Überblick zu behalten. Und genau hier zeigte sich in der Pandemie der große Vorteil der B2B-Plattformen: Sie filtern aus einem Meer an Informationen das Relevante heraus, bereiten es auf und machen es schnell und 24/7 verfügbar. „Haben wir unsere Akteure bis Februar 2020 noch über die monatlich als PDF erscheinende Tourismuszeitung informiert, konnten wir jetzt minutenaktuell News mit der Branche teilen, auch via RSS-Feed“, so Tobias Woitendorf, Geschäftsführer Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem Start der Branchenplattform ist auch im Nordosten Corona das vorherrschende Thema. „Unsere Timeline dazu verzeichnet bis heute fast 600.000 Zugriffe, die Plattform insgesamt kommt seit ihrer Einführung vor zwei Jahren auf mehr als 1,5 Millionen Seitenzugriffe“, so Woitendorf.
Tourismusnetzwerke als digitale Feuerwehr
Dass die Tourismusnetzwerke sich als digitale Feuerwehr bewährt haben, ist Teil ihrer digitalen DNA. Denn der Wunsch nach Informationen, gegenseitigem Austausch, aber auch nach Führung, ist dem Konzept immanent.
Rückblick: Der Startschuss für die erste B2B-Plattform fiel in Rheinland-Pfalz. Um den Willen zur Zusammenarbeit der Akteure im Rahmen eines B2B-Partnernetzwerkes zu festigen, haben die Akteure des Bundeslandes auf dem Tourismustag 2011 einen „Letter of Intent“ unterzeichnet – darunter die Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH (RPT), zehn Regionen, die IHK Rheinland-Pfalz, der DEHOGA, der Verband der Campingplatzunternehmer Rheinland-Pfalz und Saarland e.V., die Jugendherbergen in Rheinland-Pfalz und im Saarland, das Landeswirtschaftsministerium und der Tourismus- und Heilbäderverband Rheinland-Pfalz. Kurz gesagt: Um ein solches Projekt ins Rollen zu bringen, mussten alle wichtigen Player ins Boot.
Die Intention der RPT damals: die Entwicklung einer gemeinsamen Plattform als zentrale Anlaufstelle für Informationen und zur Imagesteigerung, Qualitätsverbesserung, für den Know-how-Transfer und mehr Austausch zwischen den Akteuren. „Aber es ist uns neben Service und Beratungsleistung auch schon damals darum gegangen, zur Steigerung der Tourismusakzeptanz beizutragen“, erinnert sich Anja Wendling, Stellvertretende Geschäftsführerin bei der RPT. 2012 ging Deutschlands erstes Tourismusnetzwerk schließlich online. Mit Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen sind seither fünf weitere Netzwerkpartner dazugekommen, die dieselbe technische Plattform samt digitaler Kommunikationsräume (KoRa) nutzen. Die anderen Bundesländer haben eigene Plattformen gelauncht – und diese ihren Bedürfnissen entsprechend angepasst.
Gute B2B-Kommunikation braucht eine Gesamtstrategie
Trotz viel Bestätigung während der Coronakrise blieben und bleiben die Zugriffszahlen der Tourismusnetzwerke oft hinter den Erwartungen zurück. Wichtige Artikel, Fachbeiträge oder Weiterbildungsangebote werden daher zusätzlich über Zielgruppen-Newsletter verlängert und in sozialen Medien geteilt. „Über einen wöchentlichen Newsletter werden bei uns jeweils die Artikel der letzten Woche an rund 3.500 Abonnenten versendet, darüber hinaus haben wir eine Facebook-Fanpage für das Tourismusnetzwerk und nutzen Twitter und YouTube“, sagt Anja Wendling. Andere Landesorganisationen nutzen auch noch XING und LinkedIn, um Inhalte zu teilen.
Dass gute B2B-Kommunikation viel mehr als ein gut befülltes Tourismusnetzwerk ist, bestätigt Tobias Woitendorf: „Von Beginn der Pandemie an informieren und diskutieren wir regelmäßig über Teams in unserer Corona-Videokonferenz die neuesten Entwicklungen mit Partnern und Branchenvertretern. Wir geben darüber hinaus Informationen und Handreichungen für Gastgeber heraus. Außerdem kommt die Branche einmal im Jahr auf den MV-Tourismustagen zusammen.“ In Baden-Württemberg hat man die Coronakrise sogar zum Anlass genommen, die komplette B2B-Kommunikationsstrategie zu überarbeiten.
Dr. Knauer von der TMBW: „Mit externer Unterstützung haben wir eine komplett neue Strategie samt Krisenkommunikation entwickelt. Das Ganze entstand nicht zuletzt auf Basis von Expertengesprächen und einer Umfrage. Und das Ergebnis war ziemlich eindeutig: Die Stakeholder im Land möchten noch stärker aktiv in die Kommunikation eingebunden werden. Als neuen Baustein haben wir daher unter anderem eine Videosprechstunde eingeführt, in der alle Interessierten regelmäßig in einen direkten Austausch mit uns treten können.“
Dass alle Akteure am liebsten bei allem immer eingebunden sein wollen, ist natürlich nicht neu. Die Ergebnisse dieser Beteiligungswünsche in der Praxis ebenso wenig. Es überrascht daher kaum, dass auch die Idee, dass möglichst viele Akteure und Partner die Tourismusnetzwerke mit Content bereichern, sich in keinem Bundesland wirklich erfüllt hat. In der Regel hat die Landesmarketingorganisation den Hut auf.
Beispiel Niedersachsen: „Die Realität hat gezeigt, dass den Partnern die Zeit fehlt, noch eine zusätzliche Plattform zu betreuen“, analysiert Meike Zumbrock, Geschäftsführerin TourismusMarketing Niedersachsen GmbH. In der Sitemap des Netzwerks werden daher überwiegend TMN-Inhalte abgebildet. Die Infos zu und von den Regionen bereitet man zudem redaktionell auf, bevor sie online gehen – und man tut das gerne. Denn: „Die Corona-Krise hat vielen Akteuren vor Augen geführt, welchen Stellenwert die Branchenkommunikation einnimmt“, so Zumbrock. Die TMN als Unternehmen sei während der Pandemie zum Sprachrohr der gesamten Tourismusbranche in Niedersachsen geworden. Und ganz gleich, was man für eine Message senden wolle, „wichtig ist, dass die Daten visuell und kommunikativ gut aufbereitet sind, damit sich die Leser nicht in einem Dschungel von Zahlen verlieren“, so Zumbrock.
Größere Regionen brechen das Prinzip der Tourismusnetzwerke sogar noch eine Ebene weiter herunter. In Ostbayern gibt es beispielsweise zusätzlich zum landesweiten B2B-Portal der Bayern Tourismus Marketing GmbH noch die lokalere Plattform PartnerNet. Warum ein solches Vorgehen für Destinationen Sinn machen kann, erklärt Dr. Michael Braun, Geschäftsführender Vorstand Tourismusverband Ostbayern e.V.: „Im Tourismus arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen mit regional unterschiedlichen Themenfeldern. Unsere Projekte wie der Onlinevertrieb oder die Beteiligungsmöglichkeiten unterscheiden sich teils doch noch einmal sehr von den landesweiten Initiativen. Beteiligungen und Vertriebsinformationen kommunizieren wie so auf unsere Regionen und Zielgruppen zugeschnitten.“ Intention war aber auch in Ostbayern, relevante Informationen zu bündeln „und aus einem Wirrwarr aus Newslettern und Anschreiben eine zentrale Informationsquelle aus einem Guss aufzubauen“.
Mit Bayern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hamburg setzen vier Landesorganisationen trotz aller digitalen Kanäle zudem auf eigene Printmagazine. Diese lösen das Problem der „Holschuld“ für Informationen seitens der Partner und Akteure im Land ganz klassisch – über den Postweg. Denn niemand muss aktiv werden, um Themen und wichtige Informationen zu bekommen. Bis zu dreimal im Jahr stecken die teils sehr hochwertig gemachten Printprodukte im Postkasten von bis zu 5.000 Akteuren, Partnern und Politik.
Printmagazine beleuchten das große Ganze und erreichen alle
Dabei haben alle Magazine immer auch eine stark politische Komponente: Da gibt es Gastbeiträge von Kulturstaatssekretären, touristische Stadtspaziergänge mit Oberbürgermeistern oder Interviews mit Wirtschaftsministern. Und seien wir ehrlich: Seine Fotos in einer mehrseitigen Printstrecke auf den Tisch zu bekommen, macht bei den meisten politischen Entscheidern mehr Eindruck als ein Artikel im Tourismusnetzwerk.
Inhaltlich gehen die Magazine teils innovative neue Wege – und sind wie bei Bayern und Hamburg echte Hingucker. Die Hansestadt gibt sogar das erste touristische B2B-Magazin im Look and Feel eines Stadtmagazins heraus. Von der allzu häufig gelebten Absenderorientierung der B2B-Kommunikation hat man sich konsequent gelöst und stellt die eigene Perspektive nicht zu sehr in den Mittelpunkt. „Stattdessen stellen wir die Mutmacher und Pioniere unserer Stadt vor“, sagt Sascha Albertsen, Head of Communications Hamburg Tourismus GmbH. Gerade in der Pandemie habe man häufig gehört, „wie viel Kraft das Magazin gegeben hat“. Dafür nutzt man in Hamburg neben einer authentischen Bildsprache wechselnde Erzählformate, beispielsweise das „Blind Date“ an Bord einer Barkasse. Zwei Protagonisten mit Tourismusbezug, die sich aber nicht oder nur wenig kennen, werden auf eine Fahrt durch den Hamburger Hafen eingeladen – ohne vorher voneinander oder von den Themen zu wissen. „Wir zeichnen das Ganze auf und spielen die Inhalte im Magazin und als Podcast aus“, sagt Albertsen.
Und noch etwas wird durch Printmagazine erreicht: eine höhere Aufmerksamkeit beim Lesen – und damit für die Themen. Während am PC meist mehrere Fenster parallel geöffnet sind, E-Mails mit akustischen Signalen eingehen oder Chats aufpoppen, wirkt auf Papier nur ein Inhalt. „Vor allem für längere Texte und Analysen wünschen sich die Befragten daher weiterhin Informationen auf Papier. Dafür nehmen sie sich dann auch richtig Zeit“, bestätigt TMBW-Sprecher Dr. Knauer. Nicht zuletzt deshalb, weil die großen Themen wie Transformation, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tourismusakzeptanz in Magazinen gut beschrieben und miteinander in Verbindung gesetzt werden können. Ja müssen! Eine Sammlung verschlagworteter Artikel im Netz kann das nicht leisten. Nicht umsonst denken derzeit nach Informationen von TN-Deutschland gleich mehrere LMOs und Destinationen darüber nach, wieder oder erstmals B2B-Printmagazine herauszugeben.
Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen. Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER