Barbara Radomski, Geschäftsführerin der BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH (by.TM)

Ein Gespräch über den touristischen Erfolg Bayerns, das 20. Jubiläum der BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH und die Aufgabe, den „Urlaub dahoam“ noch stärker als Hauptreise zu etablieren.

Foto ©Bayern.by-Gert Krautbauer

Frau Radomski, Bayern ist das touristisch erfolgreichste Bundesland. Und die by.TM als Vermarktungseinheit feiert dieses Jahr ihr 20. Jubiläum. Wie ist die Arbeit als LMO im Freistaat?

Wir haben den Anspruch Impulse zu setzen, verstehen uns als Agenda-Setter. Mit unserem innovativen Botschafter-Konzept, das wir sukzessive ausweiten, waren wir Trendsetter im aktuell viel zitierten Resonanztourismus. Auch, was die Bildsprache angeht, weg vom touristischen Hochglanz hin zu einem redaktionellen Stil und angelehnt an die Social-Media-Welt, waren wir die ersten. Und wir sind damit erfolgreich: Bayern ist auch 2019 wieder Deutschlands beliebtestes Reiseziel für Gäste aus dem In- und Ausland. Im vergangenen Jahr wurden erstmals mehr als 100 Millionen Übernachtungen im Freistaat gezählt – ein Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr und das 10. Wachstumsjahr in Folge.

 

Und das M in LMO, wofür steht das heute?

Für mich ist wichtig, dass es neben den zunehmenden Managementaufgaben auch in Zukunft noch für Marketing steht – auch wenn es in der digitalen Welt natürlich keine absolute Markenführung aus einer Hand mehr gibt. Als eine der Destinationen mit einem profilierten Image und echten Markenwerten gilt es für uns, die touristische Marke Bayern auch weiterhin mit inspirativem Content aufzuladen. Basis dafür ist zu wissen, was die Gäste bewegt und was ihre Bedürfnisse sind. Deshalb wäre für mich der Begriff LMMO vielleicht passender …

 

Seit einigen Jahren werben quasi alle mit dem Thema Authentizität, mit Regionalität und neuerdings auch wieder mit dem Begriff Heimat. Hat Bayern das nicht eigentlich schon immer so gemacht?

Richtig ist, dass Bayern schon immer eine starke Marke ist, dazu eine, die polarisiert. Wenn man Bayern sagt, geht beim Gegenüber das Kopfkino an. Das ist für unsere Arbeit natürlich ein Vorteil. Aber für uns als LMO standen bis in die späten Nullerjahre hinein noch einzelne Produktlinien im Fokus, nicht die Marke selbst. Die Dachmarke wurde erst später emotional aufgeladen, sodass Claims wie „Bayern, traditionell anders“ in Kombination mit modernen Elementen erst funktionieren können.

 

Aber wie schaffen Sie es, auf die regionalen Unterschiede einzugehen? Das Allgäu und Franken sind ziemlich unterschiedlich. Nicht zuletzt sagt man Bayerns DMOs einen Hang zur Kirchturmpolitik nach.  

Die regionalen Besonderheiten, diese Vielfalt, das ist Bayerns Stärke. Für uns als LMO ist das ein Glücksfall. Wir können ein starkes Markendach aufbauen und gleichzeitig thematisch aus dem Vollen schöpfen: die Bier- und Weinkultur, die Berge und Seen, unsere Landschaften, die Städte und Events, die vielen Kunstangebote – das alles ist inspirierend. Zur Kirchturmpolitik: Das hat sich viel getan. Der Austausch mit den Destinationen ist sehr eng geworden. Seit anderthalb Jahren haben wir bei uns eine Stelle nur für das Partner-Management eingerichtet, wodurch sich der Informationsfluss noch einmal verbessert hat. Die Zusammenarbeit ist in meinen Augen absolut positiv. Nicht nur im Marketingbereich übrigens, sondern zum Beispiel auch bei vielen anderen Projekten.

 

Bei welchen konkret?

Zum Beispiel bei diversen Digital-Projekten. Aktuell entwickeln wir gerade zusammen mit unseren Regionalverbänden den größten digitalen Veranstaltungskalender Bayerns in Deutsch und Englisch. Wir als LMO setzen mit Landesmitteln die digitale Grundlage auf – die Verbände spielen es aus. Und schon seit letztem Jahr gibt es eine neue, landesweite Bilddatenbank. Auf dieser Plattform stellen wir viele Bilder nutzbar für unsere touristischen Partner und die öffentliche Hand bereit. Umgekehrt können auch andere ihre Bilder dort hochladen und mit verschiedenen Nutzungsrechten versehen. Damit bieten wir nicht nur einen guten Service auf der Suche nach geeignetem touristischen Bildmaterial an, sondern setzen mit unseren Bildern einen Standard für ein modernes Bayernbild. Mittelfristig ist auch die Verstetigung des Forschungsprojekts BayernCloud zur BayernCloudTourismus angedacht – eine gemeinsame Daten-Drehscheibe für offene Daten werden, die von unserer neuen Kompetenzstelle Digitalisierung in Waldkirchen entwickelt werden soll. Die Cloud ergänzt damit das Open Data-Projekt der DZT mit einem Daten-Navi auf Landesebene, das dem Knowledge-Graphen strukturierte Daten liefert und gleichzeitig für die bayerische Tourismuswirtschaft nutzbar macht.

 

Woher kommen Ihre Gäste?

Rund 79% Prozent unserer Gäste reisen aus Deutschland an. Und von denen wiederum sind rund 35 Prozent Bayern. Dass die Bayern gerne in Bayern sind, ist daher wichtiger Bestandteil unseres Marketings und unseres Botschafterkonzepts. Denn je größer die Kenntnis über Bayern ist, desto komplexer und vielschichtiger können wir unsere Gäste ansprechen: Mit ungewöhnlichen Geschichten, mit authentischen Tipps unserer Botschafter und   Unsere Marketingstrategie fürs Inland funktioniert deshalb nicht eins zu eins in den Auslandsmärkten – auch wenn unsere zweit- und drittstärksten Märke Österreich und Schweiz sind. Vor allem im fremdsprachigen Ausland arbeiten wir deshalb eher mit den Leuchttürmen.

 

Was für Reisen finden in Bayern überwiegend statt und was sind dieses Jahr Ihre Themen?

Bayern ist als Reiseland sehr divers. Wir können natürlich die klassische Urlaubsreise, sind aber besonders stark bei Tages- und Kurzreisen. Das liegt auch an den großen Städten wie München, Nürnberg und Augsburg mit ihrem starken Geschäftsreisetourismus. Klares Ziel ist es derzeit aber, Bayern noch starker für die Haupturlaubsreise zu positionieren. Das Thema „Urlaub dahoam“ begeistert immer mehr Menschen. Deshalb stellen wir das in den Mittelpunkt unserer Kommunikation. Unser Schwerpunkt dabei für die nächsten drei bis fünf Jahre in all seinen Facetten ist das Wasser, vom Camping am See bis zur Kanutour auf unseren Flüssen. Wir ziehen hier mit den Regionalverbänden an einem Strang. Das hat schon mit dem Thema Wald vergangenes Jahr hervorragend funktioniert, wobei wir allerdings keine Jahresthemen mehr setzen. Denn der Wald bleibt zusätzlich zum Wasser in der Kommunikation, rückt aber erst im Herbst in den Vordergrund. Weitere Themen sind das Kneipp-Jubiläum 2021 sowie das Programm „Gesund kann jeder“, was wir mit Philipp Lahm und den Heil- und Kurbädern gemeinsam entwickeln. Das erste Modul startet jetzt im Mai.

 

Und im B2B-Bereich, welche Themen beschäftigen Sie hier?

Da ist zum einen das Thema Tourismusakzeptanz bei der Bevölkerung und auch bei der Politik, wo Tourismus längst noch nicht überall als Pflichtaufgabe begriffen wird. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung unserer Branche klar zu machen, müssen und werden wir also immer wieder betonen. Dann beschäftigt uns das große Thema Nachhaltigkeit, wobei wir das nicht nur unter Umwelt- und Klimaaspekten betrachten, sondern auch unter Gesichtspunkten der Wertschöpfung vor Ort. Was ebenfalls immer wichtiger wird, ist uns als by.TM noch stärker als Service-Partner für unsere touristischen Leistungsträger zu positionieren.