Ein Gespräch über das diesjährige DestinationCamp #DCHH, die Ergebnisse der dazugehörigen WERKSCHAU, und warum es in schelllebigen Zeiten so wichtig ist, auf seine Fähigkeiten zu vertrauen und mehr Gelassenheit an den Tag zu legen.
Benjamin, das diesjährige #DCHH liegt nun einige Zeit zurück. Im Rückblick: Was bleibt hängen?
Zum einen waren da wieder jede Menge positive Begegnungen. Gefühlt noch mehr als in den Vorjahren auch schon. Ich kann es gar nicht genau greifen, warum das so war. Vielleicht, weil die letzten Monate vor dem Event mit Themen wie DSGVO, Pauschalreiserichtlinie etc. für viele Teilnehmer wirklich sehr fordernd waren und unser Setting neben all den Themen der Sessions auch zum Loslassen eingeladen hat. Und die Keynote von Martin Lennartz führte schon in eine sehr positive Richtung, sich und den eigenen Fähigkeiten wieder mehr zu vertrauen. Dieser Appell an das eigene Können hat dieses Jahr besondere Ergebnisse hervorgebracht und am Ende zu dem Fazit geführt, dass wir alle mit mehr Gelassenheit an die künftigen Aufgaben gehen können.
In einer Zeit, in der allen sonst immer eingeimpft wird, bloß schnell zu sein, um den nächsten Trend nicht zu verpassen, ist der Aufruf zu mehr Gelassenheit beinah einzigartig für eine so richtungsweisende Branchenveranstaltung.
Die Moderatoren und die Teilnehmer sind in den Sessions zu dem Ergebnis gekommen, dass Überraschungen inzwischen der Normalfall sind. Immer neue Richtlinien oder Vorgaben halten laufende Projekte und wichtige Dinge auf, weil wir teils sehr überraschend mit Neuerungen konfrontiert werden. Gelassenheit, und das ist wichtig, hat dabei nichts mit Tatenlosigkeit oder Behäbigkeit zu tun. Im Gegenteil muss man hellwach bleiben, um Dinge richtig anzugehen. Aber Gelassenheit schützt uns davor, nicht jeder Sau sofort hinterherzurennen, die gerade wieder durchs Dorf getrieben wird. Denn viele Fragen bleiben so oder so immer offen. Gelassenheit und bewusstes Handeln statt wilder Aktionismus ist daher eine Kernaussage des diesjährigen DestinationCamp.
Druckfrisch nachzulesen ist das jetzt alles in der neuen WERKSCHAU. Wenn du diese 112 Seiten noch mal vor deinem geistigen Auge durchblätterst: Welche Ergebnisse stechen heraus?
Die Ergebnisse der zukünftigen Rahmenbedingungen für Tourist-Informationen, DMOs und Kurorte sind sehr konkret von den Teilnehmern herausgearbeitet worden. Auch die Sessions zu Künstlicher Intelligenz, Open Data und Lobbyismus hatten einen Roten Faden, der vorher so noch gar nicht klar war. Und was ich erstmals so erlebt habe war, wie fokussiert diesmal DMOs, Gastgeber und Technologie-Anbieter gemeinsam Modelle einer zukünftigen Zusammenarbeit zu Papier gebracht haben. Früher hat jede Gruppe immer zuerst die eigenen Interessen in den Vordergrund gestellt. Jetzt war von vorneherein ein Miteinander spürbar.
Ein Roter Faden war auch das Thema „Faktor Mensch“. Schon im Vorfeld habt ihr hierzu eine Themenumfrage gemacht. Was kam heraus?
Die zentrale Aussage ist, dass der Mensch im Mensch-Maschinen-System eine entscheidende Stellschraube in der Zukunft bleiben muss – und wird. Dass der Mensch durch die automatische Verarbeitung von Daten Freiräume gewinnt, die für kreative Produktentwicklung, Qualitätsmanagement oder die Verbesserung der Infrastruktur genutzt werden können. Diese Freiräume bieten zum Beispiel die Chance, sich als Destination wieder stärker mit seinen Themen zu differenzieren, nicht im drohenden Einheitsbrei unterzugehen. Es geht auf dem #DCHH übrigens nicht nur um DMOs, sondern um alles, was sich in einer Destination abspielt. Wir beziehen also immer alle Hotels und Leistungsträger mit ein. Für alle ist es nämlich ein Spagat zwischen neuen Systemen und traditionellem Handeln. Alle müssen Wege finden, die neuen Herausforderungen und das klassische Geschäft unter einen Hut zu bringen. Ein gutes Beispiel ist hier die Ausbildungsproblematik. Da haben die Teilnehmer nicht nur den Fachkräftemangel, sondern die Schwierigkeit, dass die Lehrpläne vieler Ausbildungsberufe nicht mehr unbedingt die täglichen Herausforderungen abbilden.
Was sonst kann so eine aufwändig produzierte WERKSCHAU leisten?
Wir machen uns jedes Jahr bewusst diese enorme Arbeit, um die Ergebnisse des DestinationCamp sowohl den Teilnehmern, als auch jenen, die nicht dabei sein konnten, zugänglich zu machen. Es geht also um Wissenstransfer. Tatsächlich werden erst in der Gesamtbetrachtung Zusammenhänge sichtbar, die man sonst so vielleicht für sich gar nicht zusammengeführt hätte. Die WERKSCHAU bietet zudem konkrete Handlungsvorschläge zu aktuellen Themenfeldern. Und für Zukunftsfelder liefert sie gute Ansatzpunkte für die weitere Diskussion und sagt, wo man am Ball bleiben sollte.
Aber wie greifbar sind so abstrakte Themen wie Open Data oder überhaupt Ergebnisse aus Sessions, wo viele bei Digitalthemen nur Halbwissen haben?
Digitale Zukunftsthemen verändern die Branche als Ganzes. Also müssen wir darüber sprechen, auch wenn immer noch einige meinen, dass Themen wie Plattformökonomie oder Open Data sie nicht direkt beträfen. Aber Amazon und andere große Player geben den Takt bei den Möglichkeiten zur Online-Buchung, bei digitalen Services und Online-Payment vor. Der Kunde gewöhnt sich daran. Und er wird nicht bereit sein, bei touristischen Angeboten immer einen Schritt zurückzugehen. Das muss man vor Augen haben, auch wenn noch nicht alles immer greifbar ist. Das #DCHH hilft an der Stelle dabei, ein Grundverständnis für bestimmte Entwicklungen zu gewinnen, die auf uns alle zurasen.
Sind diese Unwägbarkeiten eigentlich gerne mitgebrachte Themen bei den Magic Roundtables?
Dieses Format lebt tatsächlich von Überraschungen. In diesen Sessions weiß man ja vorher nicht genau, was einen erwartet, welche Themen also diskutiert werden. Man muss sich einlassen können. Das passt gut in die Zeit! Häufig beschäftigen sich die Teilnehmer in diesen Sessions mit sich selbst als Menschen, was aber absolut nicht negativ gemeint ist! Die Diskussionen drehen sich vielmehr oft um das, was aktuell um die Teilnehmer herum passiert, also etwa um das DestinationCamp an sich, das hier noch einmal anders, vielleicht persönlicher und emotionaler reflektiert wird. Auch das Thema Mann und Frau in Führungspositionen kommt immer wieder auf den Tisch. Überhaupt geht es regelmäßig um Verhaltensthemen.
Abschließend noch einmal zu den DMOs: Welche Themen liegen den Verantwortlichen hier gerade besonders auf dem Herzen?
Zum einen sind da die Dauerbrenner wie Aufgabenverteilung, Finanzierung und politische Einflussnahme. Themen, die in gewisser Weise ausdiskutiert sind. Und dann sind da neue Themen wie Open Data, wo meiner Meinung gerade viel zu viel an der Begrifflichkeit an sich herumüberlegt wird, als einfach mal den ersten Schritt zu tun. Einfach mal machen wäre gut. Wie man es dann genau nennt, ist zweitrangig, insbesondere wenn man bedenkt, dass Teile der aktuellen Open Data-Diskussionen schon seit acht Jahren einfach gemacht werden – bisher vielleicht mehr unter SEO-Gesichtspunkten, aber alles ist eben nicht immer brandneu, nur weil es anders heißt 😉