Ein Gespräch über die wiederentfachte Lust auf Live-Inspiration, das Berlin Travel Festival als Bühne für Destinationen und neue Zielgruppen, und warum „Balance Hunter“ und „Escape Seeker“ nur mit Authentizität für ein Zielgebiet zu begeistern sind.
Herr Neff, 2018 fand das Berlin Travel Festival (BTF) erstmals statt, damals als Mischung aus B2B-Plattform und Verbrauchermesse. Wie nah an der damaligen Idee ist das diesjährige Festival (1. bis 3.12) in den Hallen der Messe Berlin?
Neff: Wie alle Akteure mussten auch wir unser Konzept in der Coronakrise hinterfragen. Aber zum Glück lagen wir schon vor der Krise sehr richtig mit unserer Idee, sodass wir im Kern und vom Feeling her ein farbenfrohes Reise-Festival geblieben sind. Einzig vom B2B-Segment haben wir uns verabschiedet, weil sich darauf jetzt zu 100 Prozent die ITB Berlin fokussiert. Als offizielle Nachfolgeveranstaltung der ehemaligen ITB Berlin-Publikumstage ist das Berlin Travel Festival gemeinsam mit der Boot & Fun Berlin, der Angelwelt Berlin und der Auto Camping Caravan dafür jetzt Teil eines neuen Netzwerks von Freizeit- und Erlebnisveranstaltungen. Zur Premiere 2022 kamen fast 50.000 Besucher. Ich würde sagen, wir sind heute ein Direct to Consumer-Format (D2C). Wir sind bunter als andere Endkunden-Messen, bei uns stehen die Erlebnisse viel stärker im Mittelpunkt als die Produkte. Und Bling-Bling wird man bei uns überhaupt nicht finden – obwohl unsere Zielgruppen durchaus bereit sind, eine Menge Geld in ihre Reisen zu investieren. Das Geld fließt aber eher in einen Van als in die Buchung von Luxushotels. Der Luxus, den wir auf dem Berlin Travel Festival verkaufen, heißt Zeit.
Wer genau sind Ihre Zielgruppen?
Alle, die aus den bekannten Blickwinkeln ausbrechen wollen und die in einer Destination das authentische und nachhaltige Erlebnis suchen. Unsere Zielgruppen haben wir deswegen auch etwas anders definiert. Zu uns kommen die „Slowtrotter“, „Balance Hunter“, die „Escape Seeker“, „Culture Surfer“ und „Professional Weekender“ – nach unseren Besucherzahlen alles übrigens mehr Frauen als Männer. Entsprechend frisch und anders präsentierten sich deshalb auch die Aussteller bisher. Neben bekannten Regionen wie Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und dem Vogtland waren auch junge Unternehmen, die ganz neue Reisekonzepte und Erlebnisse im Programm haben dabei. Das Spektrum reicht vom Tiny House am See bis zum Ski-Adventure im Hochgebirge.
Mal konkret: Wie sollte man sich als Destination auf dem Berlin Travel Festival präsentieren, um mit möglichst vielen potenziellen Kunden in Kontakt zu kommen?
Hier mussten die Destinationen erst einmal lernen, umzudenken. Anfangs haben alle versucht, ihre Standkonzepte so zu gestalten, dass Besucher möglichst lange dortbleiben sollten, sich womöglich sogar eine Weile hinsetzen. So ticken viele unserer Besucher aber nicht. Sie schlendern lieber durch die Hallen, wollen viel sehen, haben viele Kontaktpunkte und wollen nicht irgendwo hängenbleiben. Entsprechend müssen die Präsentationen so sein, dass die Messages schnell ankommen. Durch die steigende Zahl an Besuchern steigt dafür die Frequenz an den Ständen. Denn das ist die wirklich gute Nachricht: Die Leute haben wieder richtig große Lust, auf Messen zu gehen. Die bisherigen Reisemessen zeigen allesamt: Die Menschen suchen wieder Inspiration zum Anfassen. Sehr viele Menschen sind den ganzen virtuellen Terminen und Formaten in ihrem Leben überdrüssig und froh, endlich wieder rauszukommen.
Was wird Ausstellern und Besuchern geboten?
Zunächst einmal eine, wie ich finde, in Deutschland einmalige Mischung aus Festival, Ausstellerflächen und Inspiration. Die Ausstellungsbereiche haben wir unterteilt in Outdoor Escapes, Travel & Lifestyle, Culture Journey, Slowtrotting und NEST, letzteres für kleinere Aussteller mit ganz neuen Ideen und Reiseansätzen. Die Aussteller können entweder an ihren individuellen Ständen präsentieren oder sie greifen auf drei standardisierte Raumkonzepte zurück. Dazu kommen buchbare Marketing- und Kommunikationspakete. Besucher erwartet zusätzlich zu den Ständen ein sehr hochkarätiges Programm auf den Stages. Zum Beispiel werden Jochen Schlieman und Michael Dietz vom Podcast Reisen Reisen und seit kurzem Spiegel Bestseller-Autoren, von ihren Abenteuern erzählen. Es warten Workshops und eine Test Area, wo man bestimmte Sachen wie E-Bikes einfach mal ausprobieren kann. Und nicht zu vergessen: Kulinarisch wird an vielen Ständen einiges geboten.
Abschlussfrage: Was wird 2023 eigentlich für ein Reisejahr?
Tendenz in jedem Fall stark steigend. Und der Inlandsmarkt hat mehr denn je seine Fans, auch wenn die Sehnsucht nach einer Fernreise wieder erfüllbar ist. Doch egal wohin es geht: Der Wunsch nach Naturerlebnis und Slow Travel sind bestimmend für immer mehr Reiseentscheidungen.
30.03.2023