Ein Gespräch über die Aufgaben der noch jungen Spessart Tourismus und Marketing GmbH, die Auszeichnung mit dem Hessischen Tourismuspreis und die Chancen einer Region, die gerade aus dem Dörnröschenschlaf erwacht.
Herr Mosbacher, Glückwunsch zum einjährigen Bestehen Ihrer Organisation! Sie haben aus Ihrer Zeit als Geschäftsführer der Bad Wildbad Touristik im Schwarzwald und bei Ameropa viel Erfahrung mit in den Spessart gebracht. Was sind die Besonderheiten, auf die Sie dort getroffen sind?
Ein großer Unterschied ist das Thema Tourismusbewusstsein. Wenn Sie hier im Spessart irgendjemand fragen, ob das hier eine Tourismusregion ist, würde der oder die vielleicht sogar Nein sagen. Das ist im Schwarzwald, dem Allgäu oder an der Nordsee ganz anders. Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Region über zwei Bundesländer erstreckt. Und auf hessischer Seite haben wir den Spessart inklusive seinem Vorland definiert, hier gehören also auch Orte wie Hanau und Ronneburg dazu, die mit dem eigentlichen Mittelgebirge nichts zu tun haben.
Brauchte es auch wegen dieser Besonderheiten die neue Tourismusorganisation?
Ja. Auf der bayerischen Seite gibt es seit vielen Jahren ein Destinations-Marketing, auf der hessischen war das Thema vorher beim Kreis angesiedelt, also auf Verwaltungsebene. Vergangenes Jahr wurde dann die Entscheidung getroffen, den touristischen Bereich zu professionalisieren. Ein Tourismusbewusstsein schaffen, das Binnen-Marketing neu aufstellen und Netzwerke knüpfen: Das sind die zentralen Aufgaben der kommenden Jahre – und natürlich die Marke Spessart zu kommunizieren und Neukunden zu gewinnen.
Auffallend ist, dass die IHK einer ihrer Gesellschafter ist.
Dahinter steckt die Erkenntnis, dass eine attraktive Region auch Fachkräfte anzieht und an sich binden kann. Tourismusmarketing ist also auch Destinationsmarketing, von dem genauso nicht-touristische Unternehmen profitieren. Touristische Infrastruktur wie Erlebnisparks, Schwimmbäder, Wanderwege, Mountainbiketrails wird genauso von Einheimischen genutzt und sind für viele Familien attraktiv.
Wo legen Sie bei Vermarktung und Produktentwicklung die Schwerpunkte?
Wir haben in einem Strategieprozess vier Leitthemen herausgearbeitet: Wandern, Mountainbiken, Kultur und Gesundheit. Diese Bereiche decken wir mit Premiumwanderwegen wie dem Spessartbogen, unserem neuen Flow-Trail für Biker, den in Hanau geborenen und im Spessart aufgewachsenen Gebrüdern Grimm, den Spessart-Räubern sowie unseren Kurorten Bad Orb und Bad Soden-Salmünster sehr gut ab. Unser Markenauftritt, also auch die Bildsprache, ist dabei stets kernig und bodenständig. Bei der letzten Destination Brand Studie 2016 zur Themenkompetenz hat der Spessart beim Thema „Märchen und Sagen erleben“ der erste Platz belegt. Das Thema müssen wir spielen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der bayerischen Seite?
Die Finanzierung ist zunächst einmal klar getrennt. Wir bekommen unser Geld als GmbH vom Main-Kinzig-Kreis und der IHK. Das Spessart-Mainland, unser Pendant auf bayerischer Seite, ist als Verein organisiert, in dem die jeweiligen Orte Mitglied sind, die gleichzeitig aber auch bei Franken Tourismus dabei sind. Der Austausch geschieht auf Arbeits- wie Marketingebene. Muss er auch, denn der Gast zieht auch keine klare Grenze, wenn er in den Spessart kommt. Diese Situation haben Sie ähnlich ja auch in der Rhön oder im Harz.
Was sind konkrete gemeisame Projekte?
Als erstes haben wir eine Weihnachtsmarkbroschüre herausgebracht, das sind über 100 Weihnachtsmärkte im Spessart aufgelistet, von Miltenberg und Wertheim bis Schlüchtern und zur Ronneburg. Sie wird uns regelrecht aus den Händen gerissen, so dass wir jetzt nachdrucken müssen. Parallel haben wir auch eine Webseite freigeschaltet zu diesem Thema. Anfang September waren wir mit einem gemeinsamen Messestand auf der Tour Natur in Düsseldorf. Das wird fortgesetzt. Wir planen aktuell zudem gemeinsame Infrastrukturprojekte wie Mountainbikerunden und Wanderwege. Irgendwann wird es wahrscheinlich nur noch eine DMO geben, was aus Gästesicht sinnvoll wäre. Aber bis dahin wird noch einiges Wasser den Main und die Kinzig hinunterfließen. In der Rhön hat es über 20 Jahre gedauert. Schon familiär bedingt gibt es meinerseits keinerlei Abstimmungsprobleme mit der anderen Seite: Meine Großmutter kommt aus dem bayerischen Spessart (lacht).
Woher kommen ihre Gäste?
Aus dem Umkreis mit ein bis zwei Stunden Fahrtzeit, also aus dem Rhein-Main-Gebiet, aus Hessen allgemein, Teilen Nordrhein-Westfalens, Rheinland-Pfalz und Unterfranken. Einzig relevanter Auslandsmarkt sind bislang die Niederlande, wobei sich das perspektivisch ändern könnte. Wir liegen ja nur 30 Minuten vom Frankfurter Flughafen entfernt und haben mit den Grimm-Brüdern ein international bekanntes Kulturerbe zu bieten.
Könnten Sie uns ein paar Kennzahlen zur Region nennen?
Auf hessischer Seite reden wir von ca. 1,4 Millionen Übernachtungen, im gesamten Spessart sind es rund 2,5 Millionen. Wenn man eine durchschnittliche Übernachtungsdauer von etwas mehr als drei Tagen zugrunde legt, kommen wir auf etwa 830.000 Übernachtungsgäste. Wir sind damit eine der mittelgroßen Tourismusregionen in Hessen. Das Preisniveau der Gastgeber liegt im Mittelfeld, also nicht Sylter Niveau, aber vergleichbar mit dem Schwarzwald. Zu Frankfurter Messezeiten ziehen aber die Preise an. Dieses Geschäft strahlt also positiv bis zu uns aus. Unter der Woche haben viele Hotels dazu Tagungsgeschäft – und begrüßen am Wochenende Wander- und Wellnessurlauber. Diese Situation ist ein echtes Plus.
Wie wollen Sie das Thema Auslandsmarketing in Zukunft treiben?
Wir sind zum Beispiel Mitglied im Arbeitskreis Frankfurt-Rhein-Main, der sich gemeinsam mit der Stadt Frankfurt als internationaler Anker um das Thema kümmert. Da gibt es bereits gemeinsame Marketingaktionen. Natürlich müssen wir auch die Webseite und unsere Kommunikation internationalisieren zu bestimmten Themen.
Wie schätzen Sie die touristische Infrastruktur des Spessarts ein?
Zum Teil sehr gut, gerade im Bereich Tagestourismus. Von der Ronneburg über die Fasanerie Hanau mit dem Wolfsrudel bis zum Erlebnispark Steinau wird einiges geboten. Auch bei den Hotels ist Qualität vorhanden, wenn auch noch zwei bis drei größere Player vorwiegend im Leisure-Bereich fehlen. Besonders bemerkenswert ist die gute Verkehrsanbindung, ob mit ICE-Halt, Autobahn oder dem nahegelegenen Airport Frankfurt. Gerade läuft eine Konzeption zur touristischen Infrastruktur, um das Markenerlebnis greifbar zu machen. Da möchte sich auch der Main-Kinzig-Kreis engagieren.
Erzählen Sie uns noch etwas mehr über die Gastgeberstruktur.
Die ist wie gesagt bis auf das Fehlen von ein bis zwei größeren Playern in der Ferienhotellerie gut. Größere Hotels sind selbstständig im Markt aktiv, die benötigen uns eigentlich nicht für das Marketing. Themen für kleinere Vermieter sind z.B. online Buchbarkeit, hier hat schon eine Schulung stattgefunden und Qualität. Außerdem Betriebsnachfolge, professionelles Marketing, Finanzierung. Da braucht es Unterstützung mit Know-how. Wie überall. In Bad Orb läuft ein Pilotprojekt zu diesen Feldern mit Unterstützung der IHK und des DEHOGA.
Was sind aktuell Ihre wichtigen Themen?
Neben dem im Juni 2017 eröffneten Flowtrail in Bad Orb sind wir mit dem Naturpark dabei, rund um die Ortschaften neue Premium-Spazierwanderwege auszuweisen, das sind kurze Runden von zwei bis drei Kilometer Länge, ein Trend, der dem Spessart sehr entgegen kommt. Und ganz wichtig ist für uns die neue Website, die jetzt online ist, da haben wir in den letzten Monaten viele Stunden investiert. Unser Spessart Blog läuft ja schon einige Zeit, da sind jetzt über zwanzig Geschichten veröffentlicht. Dort ist auch die digitale Zufallsreise „Spessart im Glück“ zu finden, mit der wir den Hessischen Tourismuspreis im September gewonnen haben in der Kategorie Digitale Produkte und Marketing, eine tolle Bestätigung unserer Arbeit und Rückenwind für das Team nach noch nicht einmal einem Jahr. Das Konzept des Experimentellen Reisens wird von uns weiterverfolgt, gerade wird eine Bachelorarbeit zu dem Thema geschrieben. Im Sommer haben wir unser Tourismuskonzept verabschiedet, das als strategische Grundlage für die nächsten Jahre dient. Ein wichtiger Punkt dabei ist die touristische Infrastrukturentwicklung in der Region, das Markenerlebnis greifbar zu machen.