Christoph Kaufmann, Sprecher der Städtekooperation aboutcities & Abteilungsleiter Tourismusvertrieb Wolfsburg Wirtschaft und Marketing GmbH

Ein Gespräch über den Städtetourismus als Thema des 2. Niedersachsencamps, die Städtekooperation aboutcities und warum es vorrangig nachhaltige Themen sein müssen, die Städtetouristiker in Zukunft beschäftigen sollten.

 

Herr Kaufmann, das NiedersachsenCamp steht unter dem Schwerpunkt Städtetourismus. Warum gerade dieses Thema?

Initiator und Organisator dieses Barcamps ist die Städtekooperation aboutcities, bestehend aus 16 Städten Niedersachsens und Bremerhaven. Diese Städte haben die sich 2014 als EFRE-Projekt zu der Partnerschaft zusammengeschlossen und erwirtschaften heute einen signifikanten Teil der 40 Millionen Übernachtungen, die jährlich in Niedersachsen stattfinden. Das Thema ist also per se hoch relevant. Dazu bietet der Städtetourismus viele Facetten, zu denen es sich lohnt, miteinander in den Austausch zu kommen. Und zwar über politische Interessen und Kreisgrenzen hinweg. Und das ist auch ein Grundgedanke der aboutcities.

 

Das klingt wirklich richtig nach Barcamp.

Ja, das wird absolut spannend. Wir haben ja im Alltag eine Art Mittlerrolle zwischen Veranstaltern und Leistungsträgern. Auf der Veranstaltung lernen sich aber viele Akteure des Städtetourismus richtig auch mal untereinander kennen. Und über das offene Diskussionsformat und das Netzwerken bekommt man in recht kurzer Zeit ein ziemlich gutes Gefühl für die Herausforderungen und Möglichkeiten des Gegenübers. Es geht also darum, Verständnis zu schaffen. Denn ein Kulturbetrieb arbeitet anders als ein Anbieter von Citytouren, vermarktet sich anders, entwickelt sein Produkt anders weiter. Wenn man sich kennt, kann man Dinge viel besser gemeinsam voranbringen.

 

Wenn Sie eine Fünfjahres-Bilanz der aboutcities ziehen, wie fällt diese aus?

Sehr positiv. Die Zusammenarbeit ist nicht nur kollegial, sondern ein wirklich gutes Miteinander. Jede Stadt vermarktet sich zwar natürlich nach wie vor auch selbst, aber wir setzen dieses Jahr 75.000 Euro für gemeinsames Marketing ein. Wenn man bedenkt, dass wir keine Personal- oder Organisationskosten haben, das Geld also wirklich ausgeben können, dann kann man damit schon etwas erreichen. Zumal: Wir fokussieren uns ausschließlich auf Online-Kampagnen und dort auf dieselben Zielgruppen.

 

Welche sind das?

Wir zielen auf die Urban Professionals. Das sind erfahrene Städtereisende, die die großen Metropolen und Trendstädte schon gesehen haben, digital sehr affin sind, sich ihre Infos und Inspiration also im Netz holen und auf der Suche nach Neuem sind. Das können sowohl jüngere wie ältere Reisende sein. Oft sind es beruflich erfolgreiche Menschen, oft kinderlose Paare, die ihre Freizeit sehr genau planen, aber nicht konservativ ticken. Diese Zielgruppe haben wenige so wie wir im Blick. Und da haben wir schon viel erreicht. Das sehen wir nicht nur an den Reichweiten unserer Kampagnen in den Sozialen Netzwerken, sondern auch bei den Bloggerreisen. Wir haben 38 Reiseblogger, die regelmäßig über die aboutcities bloggen und 603 veröffentliche Blogbeiträge seit 2014. Wir haben Interesse geweckt, weil sich unsere Städte gerade ein Stückweit neu erfinden.

 

Woher kommt dieser Trend bei vielen, auch kleinere Städte sehen zu wollen?

Menschen wollen heute eine Region bewusster erleben. In kleineren Städten finden sich die entsprechend authentischeren Angebote. Statt Kettenhotels gibt es mehr Familienbetriebe. Regionale Küche und überhaupt Regionalität sind spürbar präsenter als in multikulturellen, anonymen Großstädten. Das finden immer mehr Gäste charmant, weil man intensiver in Kontakt kommt mit der Stadt. Und man entschleunigt auch besser, weil ein Aufenthalt nicht so überladen ist. Statt fünf Tagen Berlin buchen also immer mehr Touristen zwei Tage Celle, einen in Papenburg und zwei Nächte in Bremerhaven.

 

Welche Rolle spielt der Städtetourismus in Niedersachsen, haben Sie Zahlen?

4,7 Millionen Übernachtungen pro Jahr, mehr als 10 Prozent des Gesamtvolumens, werden allein in den Top-5 Städten generiert, also in Hannover, Goslar, Braunschweig, Wolfsburg und Göttingen. In Niedersachsen selbst hängen 293.000 Erwerbstätige direkt und indirekt am Tourismus. Der touristische Gesamtumsatz liegt bei 20,7 Milliarden Euro, die Bruttowertschöpfung bei 11,9 Milliarden Euro. Das entspricht 5,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Städtetourismus ist hier also ein großer Player.

 

Wann und warum machen Städtepartnerschaften überhaupt Sinn?

Vermarktungskooperationen müssen ein gemeinsames Thema haben. Das kann alles Mögliche sein: Städte, die alle am selben Fluss liegen; Städte, in denen derselbe Schriftsteller gelebt hat; Städte, die besondere Fachwerkensemble haben; Städte, in denen Autos gebaut werden usw. Es gibt ganze Busgruppen von Chinesen, die fahren von München über Ingolstadt nach Stuttgart und Wolfsburg, um sich alle großen deutschen Autowerke anzuschauen. Es braucht also einfach einen Roten Faden, um eine City-Kooperation auf die Reise zu schicken. Oder eine gemeinsame Zielgruppe wie bei uns die Urban Professionals und dazu die regionale Verortung.

 

Woher kommt eigentlich der Name aboutcities?

Das ist angelehnt an international bekannte Städte-Projekte in Nordamerika und Asien, wo fast jede Stadt auch eine about-Site hat. International lässt sich das also gut vermarkten. Im nächsten Schritt könnten wir das aboutcities dann entsprechend noch auf die einzelnen Partner herunterbrechen, also auf aboutwolfsburg.de, aboutcelle.de usw.

 

Wenn Sie den Blick mal weit machen: Welche Herausforderungen begegnen uns im Städtetourismus heute in Deutschland?

Da ist diese Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach einerseits mehr Gästen und andererseits dem Wissen, dass viel mehr Gäste einer Stadt vielleicht gar nicht mehr guttun. Deutschland ist mit 460 Millionen Übernachtungen jährlich bereits Europameister. Darüber können wir uns freuen. Aber die touristische Infrastruktur muss mitwachsen. Dem müssen sich insbesondere Städte oft schnell stellen, wo ein Plus von 20 Prozent oder mehr in wenigen Jahren manchmal schnell passiert ist. Entsprechend groß sind die Herausforderungen für Bereiche wie Verkehr und Mobilität, Stromverbrauch und Abfallwirtschaft. Es müssten also vorrangig nachhaltige Themen sein, die uns als Städtetouristiker in Zukunft stark beschäftigen.