Ein Gespräch über das Boom-Segment Ferienhaus in Zeiten von Corona, Buchungssysteme und Portale als Lenkungs-Instrumente für Gästeströme, und den Umgang miteinander in Krisenzeiten
Herr Rakel, der Corona-Sommer ist vorbei. Obwohl viel von der Entzerrung von Gästeströmen die Rede war, haben sich die Urlauber Medienberichten nach nicht wie erhofft auch in unbekanntere Regionen verteilt. Was sagen Ihre FeWo-Systeme dazu?
Wir stellen in unserem System eine Konzentration der Nachfrage auf die bekannteren Hotspots fest. Regionen, die bisher gut liefen, sind auch jetzt stark gebucht. Und weil das Angebot in der ersten Reihe in den letzten Jahren stark ausgebaut worden ist, kämpfen an der Ostsee- und Nordseeküste Anbieter im Hinterland um Gäste und Umsatz. Für unbekanntere (Hinterland)-Regionen ist es also gerade nicht leicht. Selbst der im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent gestiegene durchschnittliche Reisepreis für die Objekte in erster Reihe führte nicht zu einer Verschiebung ins Hinterland.
Könnten Buchungssysteme dann hier nicht noch aktiver bei der Lenkung von Auslastungen steuern, etwa indem Alternativen zu den gesuchten Hotspots angezeigt werden?
Ich weiß nicht, inwieweit dies Aufgabe von Buchungssystemen ist. Da der Vertrieb heutzutage entweder auf der regionalen, lokalen Website der Destination oder in überregional agierenden Portalen erfolgt, wäre das ohnehin tendenziell schwierig lösbar. Jeder möchte verständlicherweise die anfragenden Gäste zuerst dort unterbringen, wo sie tatsächlich hinmöchten – sofern noch Kapazitäten vorhanden sind. Einige Portale verknüpfen allerdings inzwischen bekannte Regions- oder Ortsnamen mit weniger bekannten Angeboten aus der näheren Umgebung. So entsteht ein breiteres Angebot. Auch Buchungssysteme könnten technisch gesehen Alternativangebote aus der Umgebung anzeigen. Aber letztendlich möchten nur wenige Orte „fremde“ Angebote auf der eigenen Seite wiederfinde. Hier haben alle einen starken Fokus auf das eigene Angebot.
Das Segment FeWo würdest du aber auch als einen Gewinner der Krise sehen?
Ja, eindeutig. Urlaub in einer Ferienwohnung oder einem Ferienhaus hat im Moment deutliche Vorteile. Die Gäste schätzen die „eigenen 4 Wände“ im Urlaub und die Möglichkeiten, diesen sicher und mit Abstand zu anderen Gästen verbringen zu können. Viele Urlauber, die jetzt spontan nach einer Unterkunft suchen, konnten im Frühjahr geplante (Auslands-)Reisen nicht antreten und suchen jetzt nach Erholung im eigenen Land. Der Wunsch nach einer Auszeit und Abwechslung vom Homeoffice und Homeschooling-Alltag ist nach wie vor riesig.
Wie groß war der Buchungseinbruch in euren Systemen im Zuge des Lockdowns – und wie zieht das Geschäft aktuell wieder an?
Innerhalb weniger Tage erlebten wir einen Einbruch bis zu 90 Prozent, was sich aber schnell auf minus 70 Prozent „erholte“. Nach Verkündung der ersten Lockerungsmaßnahmen verbuchten wir dann neue Allzeithochs: Von minus 70 Prozent schossen wir von einem Tag auf den anderen auf plus 200 Prozent. Auch heute haben wir mehr als 100 Prozent Plus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, also als vor der Corona-Krise. Besonders stark sind Unterkünfte an Nord- und Ostsee gefragt, wo wir tausende hochwertige Unterkünfte im Angebot haben.
Wie hat sich die Rolle der Portale im Zuge der Krise verändert?
Während der Einbruchsphase kamen nahezu keine Buchungen über die Portale ins System. Nur die Agenturen vor Ort und die Destinationen buchten für Stammkunden ein. Unsere Partnerprotale haben sich uns und unseren Gastgebern gegenüber dabei äußerst fair und verständnisvoll verhalten, gerade im Rahmen der noch nie dagewesenen Stornowelle. Nach den Lockerungen stieg die Anzahl der Buchungen dann über die Portale wie schon gesagt in neue Dimensionen. Aber es kommen immer noch mehr als 50 Prozent der Buchungen über andere Wege zum Kunden – und dieser Mix ist auch gut so. Aktuell wollen einige Portale mit flexiblen Stornobedingungen und am besten mit kostenloser Stornierungsmöglichkeit bis kurz vor Anreise auf Gästefang gehen, was aber bei den Vermietern und Agenturen nachvollziehbar eher nicht gut ankommt.
In welcher Rolle sieht sich die SECRA selbst aktuell in Bezug auf einerseits Destinationen, aber auch in Richtung von Agenturen und privaten Vermietern?
Wir sehen uns als Dienstleister für alle Player im FeWo-Markt. Auf der einen Seite für Destinationen, Agenturen und Vermieter, die Ferienobjekte verwalten und hohe Reichweite brauchen. Auf der anderen Seite bedienen wir zahlreiche Buchungsportale und Websites mit unserem Ferienwohnungscontent und distribuieren unser Angebot multichannel. Wir verstehen uns als Marktplatz, auf dem Angebot und Nachfrage zusammenkommen. Und dadurch, dass wir mit unserem Service FeWo-Channelmanager.de selbst mehr als 10.000 Ferienwohnung direkt vermarkten, fließen diese Erfahrungen stets in die Entwicklung unsere Produkte und Schnittstellen mit ein. Deshalb zählen auch andere Buchungssysteme und andere Channelmanager zu unseren Kunden, die für ihre Kundschaft einen einfachen technischen Zugang zu allen namenhaften Vermietungsportalen mit nur einer Schnittstelle anbieten wollen.
Wie verändert die Krise das Thema Onlinebuchung – und für welche Regionen ist die Krise mit Blick auf das Segment eine Chance?
Die Vermieter sind offener, sich mit dem Thema Online-Buchung zu beschäftigen und haben die Krisenzeit genutzt, zum Beispiel durch Webinare mehr über den Vertrieb über Portale zu erfahren. Somit wächst das online buchbare Angebot auch in Regionen, die bisher nur per Anfragefunktion gebucht wurden. Die Erkenntnis setzt sich durch, dass Onlinebuchung das ist, was der Gast wünscht. Gerade jetzt, in Zeiten starker Nachfrage, will der Gast sofort eine Bestätigung – und nicht tagelang auf eine Antwort warten.