Ein Gespräch über die zukünftige Rolle der eigenen Website im Onlinemarketing, die Notwendigkeit Klickraten kritisch zu hinterfragen und den Fakt, dass Google und Facebook Werbetreibenden immer weniger Daten zur Verfügung stellen, um ihre Marktmacht zu zementieren.
Frau Kirchner, ich bekomme viel Werbung im Netz eingespielt, auch von Regionen, für die ich mich zwar irgendwann einmal interessiert habe – aber nicht gerade dann. Wie gut funktioniert personalisierte Werbung?
Aus meiner Sicht durch das Retargeting eigentlich recht gut. Aber die Analyse des Kundenverhaltens ist noch etwas zu ungenau. Der Kunde löst ja beim ersten Kontakt oft nicht die gewünschte Interaktion aus, also etwa eine Buchung, wird aber nun „weiterverfolgt“. Das kann problematisch sein.
Beziehungsweise nervt den Kunden. Und kostet Ihr Geld. Ist das nicht inneffizient?
Zum Teil. Aber bei vielen Usern funktioniert das auch. Und man muss natürlich die Werbeausspielung wechseln, also andere Inhalte anbieten, um neue Aspekte einer Region zu zeigen. Außerdem ist Retargeting immer zeitlich begrenzt.
Auf welchen Online-Kanälen sind Sie aktiv?
Da ist zunächst unsere Website, Facebook, Instagram und YouTube. Wobei YouTube kein Schwerpunkt ist. Die dort hochgeladenen Videos nutzen wir eher für die anderen Kanäle. Bei Google+ haben wir auch einen Account, aber nur aus Gründen der Auffindbarkeit. Was aber auffällt ist, dass uns Werbetreibenden von den großen Playern immer weniger Informationen über unsere Kampagnen zur Verfügung gestellt werden. Es kommen zwar neue Tools dazu, aber altbewährte werden einfach abgeschaltet oder minimiert. Das fängt bei Key-Words an und geht über Suchkombinationen bis zum Suchvolumen im Zeitverlauf. Informationen, die wir für eigene SEO-Maßnahmen gut nutzen könnten. Aber da geht es um Marktmacht. Man muss sich einfach klar sein, dass man nicht in der Position ist Wünsche zu äußern. Wir können nur up to date bleiben, uns ständig anpassen.
Wie hoch ist der Stellenwert des Online-Marketings in Ihrer Organisation?
Hoch. Aber nicht losgelöst von den anderen Bereichen. Die klassische Pressearbeit und Print-Kampagnen sind nach wie vor unverzichtbarer Bestandteil unserer Maßnahmen. Doch zuallererst müssen die Produkte stimmen, die wir bewerben. Die Realität muss einlösen, was das Onlinemarketing verspricht. Damit einher geht also auch eine stetige Produkt- oder Qualitätsentwicklung. Der Gesamtetat der DMO liegt laut Jahresbericht bei 1,5 Millionen Euro. Davon fließt rund eine Million in Marketingmaßnahmen – also auch ins Online-Marketing.
Welche Rolle spielt Ihre eigene Website?
Sie ist nach wie vor der Dreh- und Angelpunkt unserer Aktivitäten.
Aber die aktuelle Diskussion geht in eine andere Richtung. Nämlich, dass man den Gast dort mit seinen Inhalten erreichen muss, wo er sich aufhält – und das ist in der Regel nicht die Website des Chiemgaus.
Dem stimme ich zum großen Teil zu. Aber zum richtigen Zeitpunkt kann man mit SEO-Maßnahmen viel erreichen, um den Gast während seiner Suche zu begegnen. Wir machen uns natürlich auch Gedanken, wie und wo wir unsere Infos in Zukunft ausspielen. Auch vor dem Hintergrund des wachsenden Angebots an Sprachassistenten. Dafür müssen wir unseren Content fit machen.
Wann ist für Sie eine Kampagne erfolgreich?
Dann, wenn die Ziele erreicht wurden, die man sich vorher selbst gesetzt hat. Das hört sich jetzt vielleicht trivial an, ist aber wichtig. Und gar nicht so einfach. Denn gerade eine Kennzahl wie die Klickrate muss sehr kritisch hinterfragt werden. Zielt eine Kampagne auf Kunden, die uns schon kennen, hilft die Verwendung des Logos und unseres Namens dabei, die Rate nach oben zu treiben. Werben wir mit AdWords um Neukunden mit dem Claim „Wandern in Bayern“, also ohne das Keyword Chiemgau, dann ist die Klickrate viel niedriger. Jede Werbeform muss in jedem Kanal anders bewertet werden. Denn der Wille zu klicken ist überall anders.
Viele Regionen werben online sehr klassisch: schönes Bild, Logo und vielleicht ein Claim wie „Der Frühling kommt“. Meist ohne jeden Call-to-Action. Dagegen erwartbare Motive. Ist das nicht überholt?
Das kommt auf das Ziel der Kampagne an. Call-to-Action ist natürlich wichtig, um Buchungen zu generieren. Aber auch das Klassische kann gut funktionieren. Für die Sommerkampagne 2018 denken wir allerdings eher in Richtung Content-Marketing in Verbindung mit Nischenthemen.
Wie aktiv gestalten Sie laufende Kampagnen?
Unsere aktuelle Winterkampagne zum Beispiel machen wir gemeinsam mit einer Agentur. Wichtig ist, dass man da kontinuierlich im Austausch bleibt und ein sehr detailliertes wöchentliches Reporting bekommt. Die wichtigsten KPIs schaue ich mir aber natürlich auch selbst in Google Analytics an und ziehe Rückschlüsse.
Wohin geht der Trend im Online-Marketing?
Wie vorhin schon kurz angerissen, wird die Website irgendwann nicht mehr der Dreh- und Angelpunkt einer Destination sein. Wir müssen intelligenten Content produzieren, den wir dann dort zum Gast bringen, wo er sich im Netz gerade aufhält. Das kann eigener Inhalt sein, aber auch User-generated Content. Ein Weg, in Zukunft gut gefunden zu werden, kann sein, Inhalte nicht mehr so allgemein aufzubereiten, sondern konkret Antworten zu einem bestimmten Feld anzubieten. Also echte Antworten.