DANIEL SEBASTIAN MENZEL, GESCHÄFTSFÜHRER TOURISMUSVERBAND FLÄMING

Ein Gespräch über die Idee, eine Region an das Thema Kreativität zu koppeln, innovative Projekte über eine Crowdfunding-Initiative Realität werden zu lassen und den Deutschen Tourismuspreis als Motor für eine gesteigerte Wahrnehmung des Verbandes auch außerhalb der Reisebranche

 

Herr Menzel, der Tourismusverband Fläming hat innovative Ideen vergangenes Jahr mit einem Crowdfunding-Wettbewerb unterstützt. Wie kam es dazu?

Menzel: Wir haben 2017 im Rahmen unserer Markenidentitätsentwicklung entschieden, uns als kreative Region zu positionieren. Das musste natürlich dann durch kreative Produkte und Ideen unterfüttert werden. Zu dem Zeitpunkt kam damals Dr. Alexander Schuler von BTE mit der Idee auf mich zu, Tourismus und Crowdfunding miteinander zu koppeln. Und so haben wir den Fläming hierfür gemeinsam zur Versuchsregion für dieses Projekt gemacht. Die Idee passte perfekt zu unserem neuen Markenprofil.

 

Das Projekt wurde letztes Jahr mit dem Deutschen Tourismuspreis ausgezeichnet. Die Jury sah in dem Wettbewerb gleichzeitig Geburtshelfer und Finanzierungsschub für kreative Projekte, Vermarktungsinstrument für die Reiseregion und Netzwerk. War das auch die ursprüngliche Idee? Oder hat sich das erst im Laufe des Projekts so entwickelt?

Diese Zusammenfassung trifft es tatsächlich gut. Aber natürlich konnten wir vorher nicht abschätzen, wie groß die Sichtbarkeit und Akzeptanz des Projekts am Ende werden würde. Dass sich lokale Netzwerke bilden würden, die den Aktionszeitraum überdauern, war ebenfalls so nicht absehbar. Auch, wenn wir das natürlich gehofft haben. Unser oberstes Ziel war ja, mit dem Wettbewerb Impulse für innovative Produktentwicklungen zu geben – und zugleich Finanzierungslücken zu schließen für Menschen, die Ideen haben und in der Regel auch schon etwas Kapital hatten. Es ging nie um Vollfinanzierungen. Die anderen positiven Effekte haben sich tatsächlich auch im gemeinsamen Arbeiten und in den Ideenschmieden – unseren Produktworkshops entwickelt.

 

Sich als Kreativregion zu positionieren, erinnert mich ein bisschen an Künstlerkolonien wie Ahrenshoop oder Murnau, die noch heute Kreative inspirieren und anziehen.

Diesen Vergleich sehe ich nicht. Uns ging es vielmehr darum, einmal zu klären, was unsere Region eint. Und zwar abgesehen von den kulturhistorischen Städten oder touristischen Maßnahmen wie, dass hier auch schon mal der Deutsche Wandertag stattgefunden hat. Über viele Gespräche mit den Menschen in der Region kristallisierte sich dann so langsam die Kreativität als gemeinsamer Nenner heraus. Und über ein Projekt mit der SRH Hochschule Berlin haben wir dann 2016/17 auch genauer herausgearbeitet, was es heißt, eine Kreativregion im touristischen Sinne zu sein.

 

Was bedeutet Kreativität also im Fläming?

Für uns sind das neun Kategorien, die dann auch die Grundlage für die FlämingSchmiede bildeten. Kreativ kann Interaktion mit der Natur sein, also etwa eine Kräuterwanderung. Oder Interaktion mit traditionellen Bräuchen und Handwerk, was für Gäste etwa in Mitmachwerkstätten erlebbar wird. Kreativ sein oder werden heißt auch raus aus dem Alltag. Heißt, den Geist frei zu bekommen, um sich weiterzuentwickeln. Auch das Thema Zelten kann kreativ sein, wenn es wie bei uns in „hanging tents“ zwischen Bäumen stattfindet. Kreativ ist es auch, wenn ein Forellenzüchter, der Störe und Kaviar für die Sternegastronomie liefert, mit seinem besonderen Quellwasser eine Wodkamarke an den Start bringt. Obendrein haben die Macher noch sogenannte „slubes“ auf ihrem Gelände aufgestellt, spezielle Boxen, in denen man übernachten kann. Diese Microhomes wurden auch auf der diesjährigen ITB präsentiert. Kreativ sein bedeutet also vieles. Aber oft wissen die Leute gar nicht, wie einfallsreich sie sind. Wir geben hier durch Projekte wie die FlämingSchmiede Orientierung, ohne beliebig zu werden.

 

Sie haben eben auch Dinge genannt, die vom ersten Eindruck her nicht rein touristisch sind. Geht ihr Ansatz also darüber hinaus?

Ja, das war unsere Intention. Deshalb waren auch früh die Wirtschaftsförderung unserer Landkreise Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming, die IHK Potsdam sowie das Wirtschaftsministerium des Landes Brandenburg mit eingebunden. Der Tourismus bietet hier als Querschnittsbranche den Anlass, Impulse für die Region auf verschiedenen Ebenen zu geben, konkret auch im Bereich der Unternehmensansiedlung. Und durch die FlämingSchmiede hatten uns plötzlich auch Akteure aus anderen Wirtschaftsbereichen auf dem Schirm, die uns als Tourismusverband vorher nicht als ihren Ansprechpartner wahrgenommen haben. Auch das also ein sehr positiver Effekt. Denn schließlich leisten nicht nur Gastronomen und Unterkünftebetriebe einen Beitrag für den Tourismus.

 

Wie genau ist die FlamingSchmiede dann im sichtbaren Teil abgelaufen?

Angefangen hat es nach unseren internen Planungen mit einer Auftaktveranstaltung mit rund 90 Anmeldungen. Diese wurden überwiegend über digitale Kanäle und Netzwerke generiert, obwohl es auch 500 Flyer gab. Dort haben wir unter anderem erst einmal erklärt, was Crowdfunding ist, wie das funktioniert etc. Vom Start weg war also das Interesse groß. Und direkt auf dieser Veranstaltung hat sich schon gezeigt, wie kommunikativ die Menschen hier sind. Da wurde sofort genetzwerkt. Im zweiten Schritt gab es zwei Ideen-Schmieden, also Produkt- und Qualifizierungsworkshops gemeinsam mit BTE. Dort konnten die Teilnehmer ihre Projekte vorstellen, mit anderen darüber diskutieren und wurden auch gleich professionell beraten. Hier waren jeweils 30 Leute dabei.
Am Ende mündete das in 23 echten Bewerbungen, über welche die Jury dann beriet. Und zwar auf Basis von sechs Kriterien. Unter anderem mussten die Projekte einen touristischen Bezug haben, realistisch sein und auch den Bogen zu uns als Kreativregion spannen.

 

Wie viele der eingereichten Projekte wurden letztlich realisiert?

19 der 23 Bewerbungen wurden von der Jury für das Crowdfunding zugelassen. Letztendlich gingen dann 14 an den Start. Unter anderem musste leider eine Kommune noch zurückziehen, weil der Kämmerer in der Kürze der Zeit nicht final klären konnte, wie die möglichen Einnahmen über Crowdfunding korrekt verbucht werden. Andere haben ihre Kampagne nicht fertigbekommen oder noch zurückgezogen, weil ihnen zu diesem späten Zeitpunkt bewusst wurde, dass ihr Projekt noch nicht reif für den Markt war. Hier haben unsere Landkreise jedoch ihre Lotsendienste ins Spiel gebracht und sinnvolle Unterstützung im Bereich der Unternehmensgründung geboten. Wir waren jedenfalls bis hierhin schon einmal Geburtshelfer vieler toller Ideen. Und auch jene, die nicht zugelassen worden sind, haben viel für sich mitgenommen.

 

Und das Crowdfunding selbst, wie ist das abgelaufen?

Unsere Partnerplattform war Startnext, auf der wir eine eigene Page hatten und wo die Projekte immer noch sichtbar sind. Für alle, die hier online auf die Suche nach Unterstützern gegangen sind, haben wir vor dem Start einen Crowdfunding-Workshop veranstaltet und die Teilnehmer fit für die Finanzierungsphase und den Contest gemacht. Am Ende wurden über 61.000 Euro eingesammelt. Das Finanzierungsziel erreicht haben final dann vier Projekte mit zusammen gut 40.000 Euro.

 

Wird es die FlämingSchmiede noch einmal geben?

Zum einen entwickeln wir aus dem Wettbewerb heraus gerade ein regionales Kreativ-Netzwerk, das wir auch FlämingSchmiede nennen werden. Dafür haben wir bereits im Frühjahr einen GRW-Fördermittelantrag eingereicht. Unser Vorhaben wird von mehreren Seiten im Land und in unserer Region befürwortet. Ich denke, was wir seinerzeit angestoßen haben, wird nicht verpuffen. Als einzelne Region werden wir nicht noch einmal einen Crowdfunding-Wettbewerb durchführen. Jedoch setzt das Land Brandenburg auf Basis unserer Arbeit und Lernerfahrungen gerade ein solches Projekt landesweit auf. Hier wird sich der Fläming selbstverständlich beteiligen. Die FlämingSchmiede lebt also so oder so in Brandenburg weiter.