Ein Gespräch über Masterpläne, EU-Fördermittel für deutsche Tourismusregionen, und wie neue EU-Richtlinien den Aufbau ganzer Organisationen infrage stellen.
Herr Zeiner, als Beratungsfirma unterstützen Sie Regionen wie das Saarland, das Sauerland und den Thüringer Wald. Wobei helfen Sie den Verkehrsämtern, Verbänden oder Landesmarketing-Organisationen?
Zeiner: Wir helfen bei touristischen Entwicklungs-Konzepten, um Weichenstellungen vorzunehmen. Wir schauen zum Beispiel, wie sich der Tourismus in einer Region in den nächsten fünf Jahren entwickeln soll – und welche Akteure daran beteiligt sein müssten. Wir identifizieren zusätzliche Angebote, die sinnvoll sein könnten. Auch die Ermittlung von Nachfragepotenzialen für bestimmte Einrichtungen gehören zum Portfolio. Aber wir schauen gar nicht immer nur nach vorne: Wir decken auch infrastrukturelle Defizite auf, etwa in den Bereichen Service und Organisation. Und all das hat je nach Region unterschiedliche Schwerpunkte. Im Kern geht es aber meist darum, Politik und andere Akteure davon zu überzeugen, dass sich Investitionen in das touristische Angebot für die Region lohnen.
Mit was für Daten arbeiten Sie, wenn sie die für eine Analyse wichtigen Benchmarks erheben?
Zeiner: Über das Nachfrageverhalten von Touristen allgemein, Übernachtungszahlen oder das Volumen an Tagestouristen gibt es zahlreiche Untersuchungen. Grundlagenforschung, die wir übrigens oft selbst bei uns im Hause im Auftrag von Bund und Ländern durchgeführt haben. Für die DZT zum Beispiel befragen wir über den Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus seit 2007 regelmäßig Gäste in ganz Deutschland zu ihrem Verhalten und zur Zufriedenheit. Allein dafür wurden bis heute 120.000 Interviews geführt. Das sind mächtige Datensätze, die regionale Spezifika schnell aufdecken. Das sind belastbare Informationen. Dazu bekommen wir über unsere Betriebsvergleiche im Gastgewerbe auch noch Rohdaten aus den touristischen Betrieben, die wir zielgerichtet aufbereiten können.
Zählt als Interview auch der Fragezettel, den ein Gast am Ende seines Urlaubs hoppla hopp an der Rezeption ausfüllt?
Zeiner: Nein. Das sind professionelle Interviewer, die ganz gezielt nach Vorgabe in ausgewählten Orten mit Gästen unterschiedlichster Couleur ein zirka 30-minütiges Gespräch führen. Diese großen Marktforschungsaktivitäten sind Kernbestandteil der Arbeit. Die unterschiedlichen Bedürfnisse
in- und ausländischer Gäste kann man so wunderbar herausarbeiten.
Beratungsfirmen sind häufig an Masterplänen beteiligt. Warum können Geschäftsführungen das nicht alleine?
Zeiner: Theoretisch könnten das manche. Aber wenn sie sich die Personalstärke von diesen meist schlanken Organisationen ansehen, dann sind derartige Konzepte on top nicht zu leisten. Die Mitarbeiter werden auch nicht dafür bezahlt, in anderen Teilen der Republik Interviews zu führen und Benchmarks zu erheben, sondern ihr Alltagsgeschäft zu organisieren. Outsourcing macht hier absolut Sinn, bevor man sich das ganze Know-how für einen so spezialisieren Vorgang selbst aneignen muss.
Welche Rolle spielt bei all dem die Bewilligung von EU-Mitteln? Braucht man da eine externe Beratung schlichtweg auch zur Bestätigung seines Konzepts, um an Fördermittel zu gelangen?
Zeiner: Ja. Es gibt entsprechende Förderrichtlinien auf Bundes- und Länderebene. Und die besagen ganz klar, welcher Masterplan mit welchen Themen für welche Förderung vorgelegt werden muss. Denn es nützt nichts, wenn zwei aneinandergrenzende Orte mit ähnlichen Voraussetzungen eigene Konzepte vorlegen, wenn diese dem übergeordneten Konzept der Destination völlig entgegenlaufen. Bei Fördermitteln geht es um sinnvolle Abstimmung. Das ist die Logik dahinter.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen für touristische Regionen in Deutschland?
Zeiner: Eine große Baustelle ist die entstandene Unsicherheit bei vielen aufgrund neuer EU-Richtlinien. Nicht nur beim EU-Beihilfe- und Vergaberecht. Jahrelang hat man allen gepredigt, sie müssten die privaten Akteure und Leistungsträger vor Ort mit in die eigene Organisation einbinden. Und jetzt steht das alles auf dem Prüfstand. Die wirtschaftliche Tätigkeit von Destinationsorganisationen ist stark limitiert worden. Fördergelder geraten jetzt schnell ins Zwielicht der Privatwirtschaft Konkurrenz zu machen. Der rechtliche Rahmen hat sich so stark verändert; mancherorts rüttelt das an den Grundfesten.
Wenn eine Destination genau mit diesen Herausforderungen umgehen muss, wie können Sie konkret helfen?
Zeiner: Wir würden zunächst die Situation tiefgreifend analysieren. Dann müssten Fachjuristen, mit denen wir seit langem vertrauensvoll zusammenarbeiten prüfen, was von dem Bestehenden kompatibel mit neuem Recht ist. Wir würden also die Probleme aufzeigen. Und wir würden Lösungen aufzeigen, um sich gegen Klagen zu wappnen.
Was macht das touristische Geschäft so komplex?
Zeiner: Im Tourismus hat man es mit der Schnittmenge vieler Branchen zu tun. Touristen fahren irgendwo hin und bleiben dort für eine Weile. Dieser ganze Prozess umfasst von medialen Dienstleistungen für die Informationsbeschaffung über die Anreise mit verschiedensten Verkehrsmitteln und Dienstleistern bis zur Beherbergung, Gastronomie und Freizeit-Einrichtungen viele Disziplinen. Man hat es im Tourismus nicht mit einer einzigen Branche, sondern mit der ganzen Klaviatur der Wirtschaft zu tun. Dazu kommt: Die Bedürfnisse der Gäste müssen mit denen der Einheimischen abgestimmt sein.
Wo endet ihre Arbeit?
Zeiner: Neben der Analyse und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen, begleiten wir auf Wunsch auch noch die Umsetzungsphase. Wir können das Umsetzungs-Management auch mit den Akteuren vor Ort gemeinsam leisten.
Und wenn es am Ende nicht klappt, dann waren die Berater schuld?
Zeiner: Das würde ich so nicht sagen, denn leichtfertig wird jedenfalls nichts von uns empfohlen. Und umsetzen müssen die Akteure vor Ort die Empfehlungen schon selbst.