Dr. Ute Jäger, Vorsitzende des Bundesverbandes der Gästeführer in Deutschland e.V (BVGD)

Ein Gespräch über den Boom im Bereich Touren und Erlebnisse, sich daraus ergebende Chancen für das  Gästeführerwesen im Zeitalter der Digitalisierung und den 4. Deutschen Gästeführertag als wichtigen Branchentreffpunkt Anfang 2019.

 

Frau Dr. Jäger, mit dem Deutschen Gästeführertag kommt am 15.2.2019 eine Veranstaltung nach Köln, die jährlich an Zuspruch gewinnt. Warum?

Ein Grund ist sicherlich, dass Gästeführer mit dem, was sie tun, sehr stark und vielseitig in der Gesellschaft verankert sind. Hinzu kommt, dass der Markt der „geführten Touren und Erlebnisse“ so wie der Deutschlandtourismus allgemein boomt. Und ich denke, wir haben den richtigen Zeitpunkt dafür gewählt, unsere früher immer in sich geschlossene Jahreshauptversammlung geöffnet zu haben. Jetzt ist es ein Forum, bei dem die Destinationsverantwortlichen mit denen zusammenkommen, die für sie arbeiten bzw. von ihnen vermittelt werden – und diskutieren miteinander. Auch die Workshops am Vortag sind für alle Touristiker offen. Einer dreht sich zum Beispiel um Social-Media-Marketing. Dazu stellen wir den Gästeführertag  jedes Jahr unter ein Thema, das viele beschäftigt. Das sozusagen in der Luft liegt.

 

In diesem Jahr ist es die Digitalisierung. Google, Expedia und Booking steigen hier vertriebsseitig gerade richtig ins Geschäft mit Tours & Activities ein. Erkennen die DMOs gerade das enorme Potential?

Ob die DMOs das so genau sehen, weiß ich nicht. Man kann aber in jedem Fall sagen, dass hier gerade ein neues Bewusstsein für die Bedeutung dieses Segments wächst, speziell auch im Online-Vertrieb. Davon können wir als Gästeführer enorm profitieren. Aber auf den großen Portalen kann leider jeder alles Mögliche anbieten, auch wenn die entsprechende Qualifikation fehlt. Und das ist einer unserer Kritikpunkte. Das mögliche Wachstum im Freizeitbereich müssen die Regionen also unter dem Aspekt der Qualität im Auge behalten, sonst ist es nicht nachhaltig. Ganz abgesehen davon, dass es für die Wertschöpfung vor Ort viel besser wäre, wenn die TI oder eine regionale Agentur die Vermittlungsprovision erhielte statt ein US-Konzern. Seitens der Tech-Anbieter nehmen auf dem 4. Deutschen Gästeführertag in Köln Matthias Wirz, Head of Business Development bei bookingkit und Florian Ziegler, Geschäftsführer von rent-a-guide, an der Podiumsdiskussion teil. Für die Destinationen ist Stephanie Kleine Klausing, stellv. Geschäftsführerin KölnTourismus, auf der Bühne.

 

Der BVGD feiert 2019 sein 25. Jubiläum. Wenn Sie zurückblicken: Wie hat sich das Berufsbild seither verändert und entwickelt?

Im Prinzip gar nicht so viel. Denn Audioguides oder Touren-Apps können nach wie vor eine professionelle, unterhaltsame, persönlich motivierte und mit Lokalkolorit präsentierte Gästeführung nicht ersetzen. Aber was die zusätzliche Nutzung digitaler Möglichkeiten angeht, können wir sicher noch eine Schippe drauflegen. Denn die Bandbreite, die Gästeführer thematisch abdecken, ist riesengroß, und das sollten wir für unsere Vermarktung besser nutzen. Es macht auch nach wie vor einen großen Unterschied, ob man in Großstädten führt, wo teilweise Massentourismus herrscht. Oder ob man seine Touren auf dem Land anbietet. Was sich aber verändert hat, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Gäste, egal wo sie hinkommen, erwarten, professionelle Führungen zu bekommen. Das Qualitätsbewusstsein ist also deutlich gestiegen. Wenn künftig immer mehr Gästeführer diese Tätigkeit zum Hauptberuf machen und sich langfristig durchsetzen wollen, müssen sie und auch die vermittelnden Einrichtungen viel Wert auf ihre Qualifikation legen. Für dieses Bewusstsein haben wir als Deutscher Gästeführerverband seit der Gründung mit Nachdruck gearbeitet und das, wie ich meine, auch erfolgreich.

 

Ist das Thema Qualität also das Kernanliegen Ihrer bald endenden zwölfjährigen Zeit an der Spitze des BVGD gewesen?

Tatsächlich war die Entwicklung des Standards EN15565 eine sehr zentrale Aufgabe. Das Ausbildungssystem für Gäste und -Fremdenführer wurde 2008 vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) erstellt. Mit dieser Norm, die wir mitgestaltet haben, wurde ein einheitlicher und vergleichbarer europäischer Standard hinsichtlich der Ausbildung von Gästeführern geschaffen. Da hat sich also wirklich viel getan. Und speziell dieser Bereich der Qualifizierung und Schulung, die Art wie wir das vertreten und vorangetrieben haben, erklärt auch ein Stückweit unseren großen Mitgliederzuwachs. Wir haben unsere Mitgliederzahl seit 2006 auf 7.000 beinah verdoppelt. Ohne Akquise zu machen! Was aber neben den Schulungen und Zertifikaten für eine Mitgliedschaft spricht, ist, dass Gästeführer über uns eine Berufs-Haftpflichtversicherung bekommen.

 

Was bedeutet Ihr Schritt, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren? Auch andere Funktionäre wie Frau Wagenbrenner treten nicht mehr an. Gibt es nächstes Jahr einen großen Umbruch?

Es ist in jedem Fall eine Chance für andere fähige Leute, den BVGD weiterzuentwickeln. Namen von Kandidaten darf ich zwar hier und heute noch nicht nennen, aber es werden Leute sein, die den Verband bereits von innen kennen. Das ist sinnvoll, um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten, aber auch neue Ideen voran zu bringen. Mir war es jedenfalls immer wichtig, dass wir uns als Verband öffnen – weg von der lokal-regionalen Denkweise hin zu einer überregionalen Sicht und Arbeitsphilosophie. Genau genommen steckt dieser Anspruch ja schon im Namen Bundesverband der Gästeführer in Deutschland. Trotzdem musste diese Philosophie mit Leben gefüllt werden. Ein Schritt war etwa, dass wir Mitglied in anderen touristischen Verbänden wurden, uns viel mehr vernetzt haben. Und die Einführung des Deutschen Gästeführertages ist Ergebnis dieser Entwicklung.

 

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den DMOs entwickelt, von denen Sie immer wieder mehr Wertschätzung einforderten?

Da muss man unterscheiden. Wenn sich der Vorstand des BVGD mit den Geschäftsführern von DMOs trifft und austauscht, dann sind das gute und konstruktive Gespräche. Bei der Tätigkeit der Gästeführer vor Ort schlägt sich das aber noch nicht immer so nieder. Deswegen ist es gut, wenn auf dem Deutschen Gästeführertag auch DMO-Vertreter aus den Tourist-Infos kommen, weil sie tatsächlich im Alltag mit der Gästeführerseite zu tun haben. Der praktische Austausch bringt die Fortschritte.  Aber jede Region hat auch noch ihre Eigenheiten. Vieles macht also Sinn, vor Ort direkt zwischen den Vorständen der regionalen Gästeführervereine und den DMOs zu klären. Da braucht es nicht immer gleich den Bundesverband.