Das Geschäft mit buchbaren Erlebnissen und Freizeitangeboten war schon vor Corona ein Wachstumsmarkt. Nun, nach mehr als einem Jahr Pandemie und Monaten im Lockdown warten Millionen von Menschen auf den Moment, wenn die Anbieter ihre Türen endlich wieder öffnen dürfen. Wie eine City- und eine Flächendestination sich auf den Re-Start vorbereiten.
Knapp 53 Prozent der Erlebnisanbieter im DACH-Raum werden laut einer Regiondo-Umfrage unmittelbar nach Ende des touristischen Lockdowns ihr Geschäft wieder aufsperren. Und vor der Tür scharren schon jetzt Millionen von Corona-Müden mit den Hufen. Jede Ankündigung der Politik, die Maßnahmen zu lockern, hat den Websites von Freizeitparks, Skigebieten und auch Destinationen in den vergangenen Monaten einen digitalen Besucheransturm beschert.
Was bei Tourismusmanagern und Betreibern sonst angesichts solcher Peaks dazu geführt hätte, den Sekt kaltzustellen, wird zum Re-Start zur Herausforderung. Denn nicht jeder, der gerne möchte, kann kommen. Vielerorts werden – zumindest noch diese Saison – seitens der Behörden Kapazitätsbeschränkungen verpflichtend bleiben.
Für Klaus Schäfer, Geschäftsführer der Eifel Tourismus GmbH, war deshalb schon vor Monaten klar: „Wir brauchen ein zusätzliches Besucherlenkungsinstrument überall dort, wo Corona-bedingt mit Kontingenten gearbeitet werden muss.“ Neben der im Juni 2020 eingeführten Corona Melde-App Eifel mit Click & Meet-Funktion hat die Mittelgebirgsregion für den Re-Start nun ein eigenes digitales Erlebnisportal zur Besucherlenkung auf Regiondo-Basis gelauncht. Zentrale Überlegung hierbei ist es, Einwohnern, Tages- und Übernachtungsgästen die gleiche Chance zu geben, die Sehenswürdigkeiten, Ausflugsziele und Erlebnisse der Region besuchen zu können.
„Der Sommer 2020 hat uns gezeigt, dass (zu) viele kostenlose Kartenreservierungen nicht immer zum Besuch in den Einrichtungen geführt haben und die Betriebe bei einer kontingentierten Besuchersteuerung dadurch zusätzliche, aber vermeidbare Einnahmeverluste hatten.“
Klaus Schäfer, Geschäftsführer Eifel Tourismus GmbH
„Und zwar, indem wir allen einen zeitlich vom eigentlichen Besuch vor Ort getrennten Zugriff auf die Kontingente ermöglichen“, erklärt Schäfer. Und ergänzt: „mit direkter Buchungs- und Bezahlfunktion!“ Denn es gibt ein wichtiges Learning aus dem vergangenen Corona-Sommer: „Die Erfahrungen aus 2020 haben uns und unseren Betrieben gezeigt, dass die Möglichkeit, erst mal nur kostenlos reservieren zu können, leider (zu) viele No-Shows bedeutete“, so Schäfer. Durch die Kontingentierung führte dies zu zusätzlichen und „vermeidbaren Einnahmeverlusten“. Indem die Erlebnisse nun in Echtzeit auf www.eifel.info, den Websites der Betriebe und den Tourist-Infos buchbar sind, entfällt dieses unternehmerische Risiko. Der DMO selbst geht es nicht ums Geldverdienen bei dem Projekt. „Beim Vertrieb über uns oder die Tourist-Informationen stellen wir die Angebote immer provisionsfrei bereit“, so Schäfer und betont den Gedanken, „hier langfristig eine Entwicklung anstoßen zu wollen“. Doch leider zeige sich, wie bereits bei der Initiative für mehr Onlinebuchbarkeit bei Übernachtungsbetrieben, „dass es eher zögerlich startet und angenommen wird“.
Positiv dagegen: Es gab weder organisatorische noch irgendwelche politischen Hürden. Auch technisch habe man mit Regiondo „eine sofort einsatzbereite und ausgereifte Lösung gehabt“, welche es jedem Anbieter frei gestattet, „sich zusätzlich noch auf weiteren Buchungsplattformen für den Vertrieb freischalten zu lassen“, so Schäfer. Doch so wichtig es heutzutage ist, auf Plattformen wie mydays, Jochen Schweizer und TripAdvisor präsent zu sein: Die Bedeutung DMO-gesteuerter, regionaler Erlebnis-Plattformen steigt. Berlin hat kürzlich mit der „Public Ticket Solution“ auf TOMAS-Basis ein Zutrittsmanagement für die Attraktionen der Hauptstadt gestartet. Und die Eifel ist nicht die einzige Flächendestination, die diesen Weg nun aktiv geht. Nach innen gerichtet sollen derlei Initiativen die örtlichen Leistungsanbieter bei ihrem Weg in die digitale Vermarktung unterstützen – und teilweise auch subventionieren, weil DMOs oft gleich Lizenzlösungen für die ganze Region kaufen.
„DMOs haben den direkten Kontakt zu den Anbietern und können so deren Aktivitäten sichtbar und buchbar machen. Das stärkt nicht nur die Attraktivität der Region als touristisches Ziel, sondern hilft gleichzeitig den lokalen Anbietern bei der Digitalisierung ihrer Aktivitäten.“
Oliver Nützel, CEO Regiondo GmbH
Obendrein ist diese Entwicklung aber auch genau das, was sich Kunden heute wünschen: eine zentrale Anlaufstelle für alles, was in der Region erlebt werden kann“, sagt Oliver Nützel. Und der Gründer und Geschäftsführer von Regiondo ergänzt: „Wir glauben an Destinationen mit einem vielfältigen und regional geprägten Erlebnisangebot.“ Die Hamburg Tourismus GmbH (HHT) setzt für den Vertrieb der städtischen Angebote auf Gästekarten mit Rabattsystem. Mit der Hamburg Card hat man seit Jahren ein sehr etabliertes Produkt, das sich mehr als 300.000-mal jährlich verkauft, mit dem über 700.000 Gäste erreicht werden und was eine Erlebniswelt zu 230 Rabattpartnern öffnet – mit Vergünstigungen bis 50 Prozent. Seit 2019 gibt’s die Card komplett als digitale App-Variante. Ein Meilenstein, der den Weg der HHT beschreibt: weg von der Absenderorientierung, hin zu einer dialogorientierten Gästekommunikation. Mit Erfolg: 30 Prozent aller Karten werden schon heute in dieser Form verkauft.
„Wir spielen unseren Kunden über die App geobasiert Tipps in ihrer Umgebung aus, um auf Angebote aufmerksam zu machen. Gleichzeitig gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten.“
Thorsten Teschner, Bereichsleitung Vertrieb Hamburg Tourismus GmbH
Und genau hier wird es interessant: „Wir können Kunden über die App geobasiert Tipps in ihrer Umgebung ausspielen und auf Angebote aufmerksam machen“, sagt Thorsten Teschner, Bereichsleitung Vertrieb bei der HHT. Zudem gewinne man durch die Digitalisierung „wertvolle Erkenntnisse zum Nutzungsverhalten unserer Gäste“, so Teschner. Logische Konsequenz: Man denkt in Hamburg darüber nach, wie die Erkenntnisse aus der digitalen Variante künftig auch für das Thema Besucherlenkung nutzbar gemacht werden könnten. Mit dem Wissen darüber wurde das digitale Produkt zu einer Plattform ausgebaut, die flexibel unterschiedliche City CardProdukte abbilden kann. Seit 2020 bietet die HHT Deutschlands erste City Card mit ausschließlich nachhaltigen Angeboten an. Aktuell werden weitere Kartentypen auf den Markt gebracht. So wurde bereits im letzten Jahr das Produkt Hamburg CARD Kulinarik gelauncht, eine Karte, die speziell auf gastronomische Angebote ausgerichtet ist. Aktuell wird das Produkt um eine Variante, mit der speziell Locals angesprochen werden, erweitert sowie einer Variante, die sich an Unternehmen richtet, um die mit dem Produkt verbundenen Rabatte an das Beschäftigen weiterzugeben. „Hiermit erweitern wir unsere Zielgruppe und gehen in der Ansprache deutlich über die Touristen hinaus. Sobald gastronomische Angebote wieder nutzbar sind, werden wir mit dem Vertrieb starten“ so Teschner. In den weiteren Ausbau der Plattform werden die gewonnen Erkenntnisse einfließen. Denkbar sind weitere Kartentypen für bestimmte Anlässe, wie z.B. große Events, aber auch White LabelLösungen mit der Hotellerie, bei der die HHT als Provider der technischen Infrastruktur auftritt.
„Der Schritt der Digitalisierung des Produkts eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten des Vertriebs und der Kommunikation mit dem Nutzer. Denn anders als bei einem analogen Produkt lassen sich, wenn die Technologie erst einmal steht, neue Produkte relativ einfach umsetzen“ so Teschner.Ein weiterer spannender Ansatz, den der Vertrieb von Erlebnissen über digitale Gästekarten bietet, ist neben geobasierten und individualisierten Angeboten, die Möglichkeit über guten Content zu inspirieren. „Die App funktioniert wie ein digitaler Reiseführer, ein Kanal, den wir nutzen, um unsere Inhalte über Hamburg, seine Menschen, Angebote und Eigenheiten auszuspielen“, erklärt Teschner. Speziell der Ausbau des für Locals interessanten Content stehe derzeit weit oben auf der To-do-Liste. Fazit Ob Aufbau einer regionalen Plattform oder Ausbau bestehender Gäste-Card-Systeme: Die Erlebnisvermarktung und die Rolle der DMO dabei wächst. Und die Möglichkeiten, seine touristischen Akteure beim Re-Start und dem Weg zu mehr Digitalisierung und Onlinevertrieb zu begleiten, sind längst ohne hohe Kosten gegeben.
(28.5.21)