Ein Gespräch über die Herausforderungen, Digitalisierung im Ganzen und nicht als Teilbereiche zu begreifen, über das neue Produkt „Destination Insight“ und warum es beim Thema Open Data nicht die eine Lösung geben wird.
Herr Wimmer, unter dem Motto Shaping the future of digital tourism findet im Sept. die 7. Outdooractive Conference (OAC) statt. Um welche digitalen Themen wird es konkret in Immenstadt gehen?
Wichtig ist hier vorwegzuschicken, dass Digitalisierung nicht in Einzelthemen gedacht werden darf. Landauf landab passiert aber genau das, obwohl die Digitalisierung alles durchdringt. Es ist also nicht zielführend, immer nur Teilbereiche wie beispielsweise die Digitalisierung der Freizeit oder den Onlinevertrieb oder eine App-Entwicklung etc. einzeln zu betrachten, zu planen und dann umzusetzen. Unsere Mission ist es, alle Themen zusammenzuführen. Sonst macht ja auch der Open Data-Ansatz gar keinen Sinn. Mit dem diesjährigen Programm der OAC werden wir die digitalen Herausforderungen daher ganzheitlich betrachten, nicht als Einzelthemen. Dafür haben wir wieder eine Reihe hochkarätiger Referenten aus ganz verschiedenen Fachrichtungen eingeladen und können so alles beleuchten.
Das klingt nach einer echten Mission.
Ist es auch. Sogar meine ganz persönliche. Wir kämpfen bei der Digitalisierung noch an vielen Fronten. Zum Beispiel werden immer noch irrsinnige Summen in Website-Projekte investiert. Und die Berater, die noch vor drei Jahren Unique Content als die große Lösung gepriesen haben, reden jetzt alle von Open Data und dem Aufbau von strukturierten Datenbanken – obwohl auch das ja gar nicht neu ist. Was ich absolut vermisse bei all dem Aktionismus zurzeit, ist aber die Adressierung des Gastes. Für ihn machen wir das doch! Was wir brauchen, ist der digitalisierte Gast – und zwar in Form von Gästeprofilen als eine Art digitaler Zwilling seiner persönlichen Reise-Realität. Das geschieht heute größtenteils aber noch über Umfragen. 2019! Warum fragen Destinationen stattdessen nicht online schon viel mehr Informationen von ihren Gästen ab, um passgenaue Angebote machen zu können? Strukturierte Daten und Open Data helfen uns wenig, wenn die Daten am Ende nicht bedarfsorientiert dorthin fließen, wo sich jemand genau dafür auch interessiert. Das kommt mir also viel zu kurz.
Hat Outdooractive deshalb jetzt das neue Produkt „Destination Insights“ an den Start gebracht? Dabei geht es ja genau um analysierte Kundendaten.
Ja, darum geht es. „Destination Insights“ ist das Ergebnis einer langen digitalen Kette, keine händische Umfrage an 21 Tagen an nur einem bestimmten Ort. Die Daten, die wir über Jahre und auch tagesaktuell sammeln, geben Aufschluss darüber, für was sich die Menschen wo und wann interessieren. Und das müssen sie uns übrigens gar nicht explizit sagen: Wenn sich jemand fünf Mal hintereinander nach dem Einloggen Mountainbike-Strecken abspeichert, dann ist die Sache doch klar. Die Erfahrung mit den rund 15 Millionen Menschen, die wir monatlich erreichen, zeigt auch, dass die Menschen durchaus bereit sind, Informationen über sich preiszugeben, wenn man Ihnen dafür Mehrwerte anbietet.
Welche zum Beispiel?
Jemand muss sich bei uns etwa mit seiner E-Mail-Adresse oder über die App einloggen – bekommt dafür aber Zugriff auf zusätzliche digitale Services wie bestimmte Offline-Funktionen. Da gibt es viele Möglichkeiten. Möglichkeiten, die rund 10 Prozent unserer User nutzen. „Destination Insights“ bietet für Regionen also umfangreiche Gästeanalysen auf Basis von Community-Daten und auch anonym erfassten Informationen mit dem Ziel, den Urlaub, also das Erlebnis vor Ort, besser zu machen. Nur wenn man seine Gäste kennt, kann man wachsen, allen voran im qualitativen Bereich. Denn quantitativ werden immer mehr Gegenden bald an ihr Verträglichkeitslimit kommen. Bei uns im Allgäu zum Beispiel haben viele Hoteliers schon heute eine Auslastungsquote von 85 Prozent. Wo will man da noch hinwachsen? Statt bei den Übernachtungen weiter zu wachsen, sollte man in Deutschland verstärkt den Fokus auf eine höhere Gästezufriedenheit legen, auf mehr Umsatz und mehr Nachhaltigkeit. Wachstum heißt am Ende mehr Wertschöpfung in der Region.
Noch einmal zum Thema Open Data: In den letzten zwei Jahren wird viel darüber gesprochen. Auf welchem Level findet die Diskussion mittlerweile statt – oder müssen immer noch Basics erklärt werden?
Wir sind auf jeden Fall eine Runde weiter. Die LMOs haben hier inzwischen viel Informationsarbeit geleistet und beschäftigen sich auch selbst mit dem Thema. So entwickelt sich das gerade top-down bis in die Destinationen. Aber es ist immer noch alles sehr theoretisch. So oder so ist das Ganze kein Technik- sondern ein Leadership-Problem. Denn es gibt bislang oft noch nicht einmal den Willen, sich im eigenen Bundesland miteinander zu vernetzen.
Aber wie könnte es in der Praxis aussehen?
DIE eine Lösung wird es nicht geben. Der eine wird eine neue große Datenbank bauen, der andere wird es über intelligente Schnittstellen lösen. Es wird viele Wege geben, die ein ähnliches Ziel verfolgen, nämlich Daten strukturiert bereitzustellen. Schon in den einzelnen Ländern wird es verschieden laufen, weil Gesetze teils anders sind als bei uns. Klar ist auch, dass Google nicht auf einen touristischen Knowledge-Graph aus Deutschland oder der DACH-Region wartet, um sich relevante Daten abzuholen. Auch Amazon wartet nicht auf uns. Für Start-ups und mittelständische Unternehmen wäre es aber natürlich wunderbar, wenn man irgendwann einen aktuellen Datensatz mit allen bundesweiten POIs herunterladen könnte. Aber das halte ich für Theorie. Ich glaube nicht, dass das in absehbarer Zeit zur Verfügung steht.
Was gibt es sonst für Entwicklungen bei Outdooractive?
Wir arbeiten zum einen zurzeit am Thema „live“, also an einer Funktion zur besseren Besucherlenkung. Im Idealfall meldet unsere App bald, dass man diesen oder jenen Skilift besser gar nicht erst anfährt oder sich lieber eine andere Hütte aussuchen sollte, weil es gerade sehr voll ist. Dann versuchen wir gerade eine PRO Alliance mit anderen Industriezweigen und Playern im Outdoortourismus aufzubauen. Wir haben zum Beispiel schon Informationen vom Deutschen Alpenverein bei uns eingebunden, etwa zu Hütten, ebenso Profi-Content vom Bergverlag Rother. Auch mit Kartografie-Anbietern sind wir in guten Gesprächen. Je mehr Player bei diesem Netzwerk mitmachen, desto mehr Synergien ergeben sich für alle – und damit letztlich auch für die Destinationen. Vieles von dem behandeln wir auf unserer Veranstaltung, der Outdooractive Conference, und wir würden uns freuen, dort mit vielen Destinationen und Entscheidungsträgern in Kontakt treten zu können.