Ein Gespräch über die Digitalisierungsstrategie in Brandenburg, gutes Datenmanagement als Basis für jede weitere Entwicklung, und warum es in Zukunft der richtige Weg ist, an einem Open Data-System über DMO- und LMO-Grenzen hinweg zu arbeiten.
Herr Hoffmann, Digitalisierung ist gerade in aller Munde. Auch die TMB beschäftigt sich intensiv mit dem Thema, womit genau?
Wir haben bereits vor rund drei Jahren eine Digitalisierungsstrategie entwickelt, die einen ganzen Prozess darstellt. Was bei uns sicher eine Besonderheit ist: Wir entwickeln diesen Prozess nicht nur für uns als Landesorganisation, sondern auch für bzw. gemeinsam mit unseren touristischen Partnern im Land. Das ist ganz entscheidend für eine sinnvolle und nachhaltige Struktur. Der Kern ist unser touristisches Betriebssystem „ContentNetzwerk Brandenburg“. Dieser umfasst im Wesentlichen vier Prozessbausteine: Datenmanagement, Qualitätsmanagement, Mission und Kundenorientierung.
Wo stehen Sie jeweils bei diesen vier Teilgebieten?
Der Bereich Datenmanagement war schon vor zehn Jahren unser erster Schritt. Relevante Daten und deren Verteilung sind der Schlüssel für einen landesweiten Kundenservice. Denn: Wenn hunderte touristische Websites von Regionen, Orten und den vielen POIs nebeneinander auf grundverschiedenen Systemen arbeiten, kann man diesen Service nicht bieten. Denn der Kunde will sich nicht durch 50 verschiedene Seiten klicken müssen, um die für ihn relevanten Informationen zu finden. Unsere Aufgabe ist die sinnvolle Verknüpfung dieses Contents.
Wie funktioniert das konkret?
Wir haben eine landesweite Datenbank-Infrastruktur mit 450 Redakteuren geschaffen, die rund 1000 buchbare Leistungsträger, 25.000 Events und 13.000 POIs pflegen. Dieses Datenmanagement betreiben wir zusammen mit unseren regionalen Partnern. Ziel ist: Dinge einmal richtig einzupflegen und einheitlich zu benennen. Preise, Öffnungszeiten, Bild- und POI-Beschreibungen – jeder macht das einmal sauber so, wie es sein soll. Auch wenn der eine oder andere danach wahrscheinlich fix und fertig ist (lacht). Aber nur so können über Daten viele Kunden auf vielen Kanälen mit relevanten Informationen erreicht werden.
Das ist ambitioniert. Arbeiten die DMOs und Leistungsträger im Reiseland Brandenburg nicht auf vielen unterschiedlichen Systemen?
Wir hatten diesbezüglich tatsächlich viel bessere Startbedingungen als so manch anderes Bundesland, wo auf regionaler Ebene das „Fell des Bären“ schon vor dem Jahr 2000 an zig Anbieter verteilt war – und wo jetzt kaum jemand bereit ist, sein System aufzugeben. Ab dem Jahr 2001 haben wir angefangen ein einheitliches System aufbauen, sodass heute spannende Kooperationspartner wie die DB Regio Nordost nicht eine Vielzahl von Schnittstellen programmieren muss, um mit unseren zwölf Regionen und Unterdestinationen zusammenarbeiten zu können.
Wie haben Sie das systemisch gelöst?
Wir haben unsere Datenbank im Prinzip selbst entwickelt. Als wir begonnen haben, gab es da noch nicht wirklich viele Anbieter für Projekte dieser Größenordnung. Nur die Eventdatenbank haben wir Mitte der 2000er Jahre vom Dienstleister der DZT übernommen, als diese sich aus dem Inlandsmarketing zurückgezogen hat. Und heute gibt es für touristische Daten in Brandenburg die TMB als zentralen Absprechpartner für externe Kooperationspartner. Für den Deutschlandtourismus als Ganzes ist der Föderalismus somit nicht immer hilfreich, weil bundesweit nach wie vor oft Kirchturmdenken vorherrscht und damit kaum eine einheitliche Daten-Struktur realisierbar ist. Wir konnten zum Glück alle überzeugen, hier mit uns an einem Strang zu ziehen.
Und in Richtung Kunden, wie werden die Daten ausgespielt?
Unser Ziel ist es dem Gast entlang der ganzen „Customer Journey“ Informationen und Services aus einem Guss anbieten zu können. Dazu haben wir jetzt das Projekt „Mein Brandenburg“ gestartet. Mit diesem Projekt erhält der Gast angefangen vom Hotel, in dem er gebucht hat, über Infostelen in der Tourist-Info und dem Hotel-TV bis zu Landingpages mit maßgeschneiderten Infos für sein Handy eine fortwährende digitale Begleitung. Es geht also auch um eine Digitalisierung analoger Berührungspunkte, nicht nur um mobile Endgeräte. Von unserem Datenmanagement profitiert aber nicht nur der Gast, sondern auch jene, die in der Beratung direkt am Gast arbeiten. Also zum Beispiel die Mitarbeiter der Tourist-Informationen und die Hoteliers. Auch denen stehen diese Daten zur Verfügung.
Was verbirgt sich hinter den Punkten Qualitätsmanagement und Mission?
Qualitätsmanagement bedeutet für uns beim Thema Digitalisierung, durch Schulungen, Redaktionshandbücher, Redaktionspläne und Qualitätschecks die Qualität mit allen Akteuren immer weiter zu steigern. Mit Mission meinen wir die beiden Themen Open Data und Open Source. Open Data machen wir im Prinzip schon, weil wir die Daten des ContentNetzwerkes Brandenburg schon seit Jahren dokumentiert zur Verfügung stellen. Aus verschiedenen Gründen ist das noch kein „echtes“ linked open data, auch wenn dort sicherlich die Reise hingeht. Die Daten sind bereits in mehr als 60 Websites und Apps integriert.
Was kann man damit dann konkret machen?
Im letzten Jahr haben wir einen Qualitäts-Standard erreicht, dass wir begonnen haben, damit auf große Partnern zuzugehen. Das erste Projekt war die App „DB Ausflug“ von DB Regio Nordost, die voll auf unseren Daten fußt und bereits zwei Preise eingeheimst hat. In knapp elf Monaten wurde die App schon über 80.000 Mal heruntergeladen. Strategisch ist es wichtig, dass wir nicht einfach nur unsere Daten zur Verfügung gestellt haben, sondern „Premium-Content“ in Form von Tourenempfehlungen erzeugt haben. Aus unserer Sicht ein Schlüssel für die zukünftigen Aufgaben von DMOs. Mit dem ADAC und einigen OTAs sind wir ebenfalls in guten Gesprächen.
Und Open Source?
Das bedeutet, dass wir den Prozess transparent gestalten und Partner an unseren Erfahrungen teilhaben lassen wollen. Am besten wäre es, wir hätten einen „tourism open graph“ als Standard für große Anbieter, alle DMOs und LMOs. Motto: „if you got it, share it! Das wäre in Bezug auf Google, Facebook und Co. übrigens auch gelebter Datenschutz (lacht). In Kürze dürfen wir auch beim neuen Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes unsere Erfahrung einbringen.
Wie schwer ist es bei so einem Projektumfang Herr im eigenen Haus zu bleiben? Tourismusorganisationen werden ja geradezu überrannt mit digitalen Lösungen für allesmögliche.
Das ist richtig. Die Vertreter sind omnipräsent. Wichtig ist, sein eigenes Konzept zu verfolgen, ohne es gleichzeitig gegen alles, was auf dem Weg zum Ziel passiert, abzuschotten. Technisch gesehen sollte man keine Inseln um sein eigenes System zulassen, sonst liegt man irgendwann nur noch unterm Auto und schraubt an Problemen, kommt aber nie richtig ins Fahren. Innovation bedeutet daher für uns, etwas Nachhaltiges zu bauen. Und nicht jedem neuen Tool hinterherzurennen.
Und was sind die nächsten Schritte?
Wir haben schon viel geschafft, aber es gibt auch noch viel zu tun! Wichtig ist natürlich mit anonymisierten Standortinformationen im Rahmen von „Big Data“ unsere touristischen Produkte weiterentwickeln zu können. Zudem wollen wir uns fit machen für das Zeitalter der Spracherkennungssysteme. Hier ist für den touristischen Bereich ordentlich Musik drin, aber derzeit ist noch viel in der Probierphase. Denn gerade für die Semantik gilt: Sie braucht eine hervorragende Auszeichnung der Daten, sonst wird das Ganze eher peinlich. So oder so: Eine gepflegte Datenbank im Hintergrund ist die Grundlage von Allem!