Johannes Klaus, Sieger Grimme Online Award

Grimme-Online-Award-Träger und Macher von Reisedepeschen.de, dem Reiseblog des Jahres 2016

Johannes Klaus InterviewEin Gespräch über Reichweiten, Follower und Likes – und über die schwarzen Schafe der Branche.

Herr Klaus, der Flughafen München hat gerade einen neuen Reiseblog ins Leben gerufen, für den er nach eigener Aussage die „besten Reiseblogger im deutschsprachigen Raum“ gewinnen konnte. Sie bezweifeln das. Woran erkennt man denn die besten oder zumindest gute Reiseblogger?

Klaus: Natürlich ist eine gewisse Reichweite und Bekanntheit, unabhängig von den Inhalten, notwendig. Wenn nicht viele Leute den Blog verfolgen, kann man sich vermutlich nicht zu den führenden Reisebloggern zählen. Inhaltlich ist das etwas anderes: Es gibt viele verschiedene Arten von Blogs, etwa welche mit guten Ratgeberelementen, andere beschränken sich auf Geschichten, die Leser inspirieren sollen. Es gibt exzellente Geschichtenerzähler, die allerdings nur kleine Zielgruppen erreichen. Für einen Auftraggeber kommt es darauf an, was und wen er erreichen möchte – und ob er Qualität, Reichweite oder beides benötigt.

Digital-Experte Patrick Meier meint, verlässliche Zahlen, wie man sie aus der Mediaplanung kennt, gibt es nicht wirklich. Trotzdem setzen derzeit viele deutsche Destinationen auf Blogger als Marketing-Instrument. Wie schätzen Sie diesen Trend ein?

Klaus: Das meist verwendete Messinstrument Google Analytics liefert schon vergleichbare Zahlen, natürlich muss man sich gegenseitig vertrauen können, dass diese Zahlen stimmen. Ich als Blogger sehe den Trend natürlich positiv, empfehle aber den Unternehmen oder Destinationen immer, sich die Blogs genau anzusehen. Einen Low Budget Individualreisenden muss man nicht auf eine Kreuzfahrt schicken, da wird die Zielgruppe einfach nicht erreicht.

Viele Agenturen und Destinationen vertrauen im Moment vor allem auf die Reichweite. Wird da oft getrickst, um den eigenen Marktwert zu steigern?

Klaus: Die Reichweite ist nur ein Merkmal von mehreren wichtigen. Man kann Reichweite zum Beispiel recht schnell erzeugen, indem man sich auf Suchmaschinenoptimierung konzentriert – dafür müssen die Inhalte im ersten Moment nicht unbedingt gut sein, für langfristigen Erfolg allerdings schon. Reichweite wird oft zu einseitig gesehen: Inhalte müssen auch gelesen und nicht nur geklickt werden.

Woran erkennt man denn die schwarzen Schafe der Branche?

Klaus: Für mich ist es wichtig, dass ein Blogger gewisse ethische Standards einhält. Dazu gehört, dass man dem Leser offenbart, ob man zu einer Reise eingeladen oder für den Output bezahlt wurde. So kann dieser die Inhalte selbst einordnen, entscheiden, wie ernst er sie nimmt.

Was sagen Reichweiten, Follower, Likes und Comments über Glaubwürdigkeit und Vertrauen aus?

Klaus: Wenn man davon ausgeht, dass sich mittel- bis langfristig nur Seiten durchsetzen, die Reichweite natürlich aufbauen und nicht, indem sie Follower kaufen, dann zeigen Reichweiten und Followerzahlen, dass der Blog mit seinen Inhalten Menschen erreicht. Likes und Kommentare sagen etwas darüber aus, ob es geschafft wird, Leser zu aktivieren. Allerdings sind hier die Zahlen nicht immer das Entscheidende. Eine ausführliche Reportage wird auf Social Media Kanälen immer erstmal weniger Reaktionen hervorrufen als ein emotionales Foto, weil man als Leser mehr Zeit investieren muss. Wer das tut, beschäftigt sich dafür tiefer mit dem Inhalt.

Blogs gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Gibt es eine Möglichkeit, sich einen Überblick über die Szene zu verschaffen?

Klaus: Das ist schwierig, weil es keine zentrale Datenbank gibt. Ich nenne an dieser Stelle gerne den Reiseblogger Kodex, an den sich gut 350 Blogger halten wollen. Allerdings sind einige große Seiten dort nicht vertreten. Man muss sich also verschiedene Quellen ansehen und sich langfristig mit dem Thema beschäftigen, um einen Überblick zu bekommen.

Blogger sind ja nicht unbedingt immer monothematisch aufgestellt, sie beschäftigen sich mit Reisen ebenso wie mit Food und Fashion. Ist das für Unternehmen eine Chance oder nur ein Hinweis auf mangelnde Expertise?

Klaus: Ich halte es nicht für problematisch, wenn man sich für mehrere Themen interessiert. Meist drehen sich die Blogs ja nicht um touristische Fachinhalte, man muss also kein übermäßiges Wissen anhäufen, um interessante Beiträge zu produzieren. Es kommt für Destinationen und Unternehmen vielmehr darauf an, ob sie Menschen erreichen möchten, die ganz besonders an Reisen interessiert sind. Möchte man ein Reisethema verbreiten, ist es oft besser einen spezialisierten Blog zu nehmen, weil man da nahezu hundert Prozent interessierte Leser erreicht, bei multithematischen Seiten sind es vielleicht nur zehn oder zwanzig Prozent.

Worin liegt der Vorteil, wenn nicht nur klassische Journalisten, sondern auch Blogger über ein Hotel oder eine Destination berichten? Erreicht man so tatsächlich andere relevante Zielgruppen?

Klaus: Ja, man erreicht andere Zielgruppen. Es gibt natürlich Menschen, die sowohl Blogs als auch Zeitungen und Magazine lesen. Aber ich glaube, die Überschneidung ist nicht allzu groß, vor allem im Reisebereich. Inspiration holt man sich heute gerne bei anderen Reisenden, und die schreiben auf Blogs und Social Media.

Viele Internetnutzer lesen mehrere Blogs, im schlechtesten Fall erreiche ich bei einer Pressereise mit fünf Bloggern letztlich immer nur die gleichen Menschen. Wie gewährleistet man eine gewisse Diversität?

Klaus: Das kann passieren, wenn man sich die Blogs vorher nicht ausreichend angeschaut hat. Und für den Nutzer ist es in der Tat seltsam, wenn nach einer Gruppenpressereise überall ähnliche Inhalte stehen. Eine Option ist, die Reise so aufzubauen, dass nicht alle das gleiche Programm haben. Oder man schaut vorab, ob die Blogger unterschiedliche Ansätze und Zielgruppen haben oder auf unterschiedlichen Kanälen wie Instagram, Youtube oder im Reportage-Bereich stark sind.

Stichwort Social Media: Auch Facebook und Instagram spielen in der Reisebranche eine immer größere Rolle. Zu Recht?

Klaus: Auf jeden Fall. Diese Kanäle sind gerade im Reisebereich wichtig, weil über Bilder und kurze Videos viel Stimmung transportiert werden kann. Solche kleinen, leicht zu konsumierenden Happen kommen gut bei einer internetaffinen Zielgruppe an. Es gibt aber auch viele Menschen, die Wert auf ausführliche Informationen legen. Perfekt ist daher eine gute Mischung, um möglichst viele Menschen zu erreichen und sie auf unterschiedliche Plattformen zu führen. Wer ein tolles Instagram-Bild gesehen hat, möchte danach oft auch den dazu gehörenden Blog-Beitrag lesen.

Was muss sich in Zukunft im Umgang mit Bloggern, Instagrammern und Co. ändern, damit beide Seiten von der Zusammenarbeit besser profitieren?

Klaus: Ich glaube, dass es oft eine gewisse Unklarheit auf beiden Seiten gibt, was die Grundlage der Zusammenarbeit ist. Wenn der Blogger journalistisch arbeitet und zu einer Pressereise eingeladen wird, sollte er auch wie ein Journalist behandelt werden. Das heißt, er ist in dem, was er macht, frei und sollte keine Vorgaben bekommen. Wenn ein Blogger in einer Marketingaktion auftritt, sind vorab natürlich klare Absprachen nötig. Deshalb halte ich es für wichtig, dass eine klare Trennung zwischen Journalismus und Marketing stattfindet, auf beiden Seiten – und selbstverständlich auch in der Kommunikation gegenüber dem Leser.