Karmen Strahonja, Geschäftsführerin Stadtmarketing Mannheim

Ein Gespräch über Mannheim als Gastgeber des Deutschen Tourismustages 2017, das Selbstverständnis als Kultur- und Erlebnisstadt, und warum es zu den Kernaufgaben des Stadtmarketings gehört, Menschen nicht nur für touristische Aufenthalte zu gewinnen.

 

Frau Strahonja, Sie haben mit dem Deutschen Tourismustag eine der wichtigsten Branchenveranstaltung nach Mannheim geholt. Was kann so eine Veranstaltung leisten?

Wir freuen uns zuerst einmal, dass wir Veranstalter sein dürfen. Und es zeigt, dass Mannheim zu den Top-Destinationen im Deutschlandtourismus gehört. Die Stadt so vielen Touristikern und Experten gleichzeitig als kreative Kulturmetropole und Wiege der Mobilität präsentieren zu können, ist aber auch noch mal eine Riesenchance.

 

Sie haben den Teilnehmern Mannheim am Mittwoch in mehreren Ausflügen vorgestellt – wie genau haben Sie die Stadt und ihre Zukunftsprojekte präsentiert?

Zwei Themen haben wir hervorgehoben: einmal die BUGA 2023 als großes ökologisches Stadtentwicklungsprojekt und die Kunsthalle. Im Zuge der Bundesgartenschau werden allein 220 Hektar Grünflächen geschaffen werden. Aber die Schau ist für uns nicht nur ein nachhaltig grünes Projekt, sondern wir verzahnen das ganz eng mit den Themen Kultur und Innovation. Die Kunsthalle wiederum ist deutschlandweit ein spektakulärer Neubau. Eröffnung ist 2018. Sieben neue Ausstellungshäuser gruppieren sich um ein platzähnliches Lichtatrium herum und bilden eine Stadt in der Stadt – nach Vorbild der typischen quadratischen Straßenanordnung Mannheims. Das Atrium ist übrigens öffentlich zugänglich, ein Marktplatz, der schon einen ersten Blick auf die Kunstwerke freigibt. Das zeigt vielleicht ganz schön, warum wir uns gegen eine Bewerbung zur Kulturhauptstadt entschieden haben – denn wir sind es schon.

 

Für was genau steht Mannheim – und was haben vielleicht auch die quadratischen Straßenzüge damit zu tun?

Es ist zwar historisch nicht verbrieft, aber man sagt ja, die quadratische Architektur der Innenstadt sei Vorbild für die Planer New Yorks gewesen. Und genauso ist Mannheim eine urbane, weltoffene Stadt. Mannheimer sind zupackend, interkulturell geprägt und stehen für eine Stadt des Machens. Innovativität, Kreativität und Erfindungsreichtum gehen hier eine Symbiose ein mit Bodenständigkeit und Authentizität. Die Mentalität des Anpackens sieht man auch wieder toll am Projekt Kunsthalle: In nur fünf Jahren Bauzeit wurde das verwirklicht – und überwiegend von der Bürgerschaft finanziert. Wir reden hier von über 50 Millionen Euro Spenden!

 

Wenn Sie auf das laufende Tourismusjahr schauen, wie es das gelaufen?

Auch, wenn man nicht immer nur auf die Zahlen schauen sollte, wir sind auch da sehr zufrieden. Innerhalb von 15 Jahren hat Mannheim seine Übernachtungszahlen verdoppelt. 2016 waren es 1,3 Millionen. Bis August 2017 hatten wir auch schon wieder elf Prozent mehr Ankünfte aus dem Inland und 13 Prozent aus dem Ausland. Darin spiegelt sich auch der Erfolg Mannheims als Wirtschafts- und Kongressstandort. Das 200-jährige Jubiläum des Fahrrads hat aber auch rein touristisch 2017 viele Besucher angezogen. Selbst die Washington Post hat darüber berichtet.

 

Sind die USA auch einer Ihrer größten Auslandsquellmärkte?

Ja, die Vereinigten Staaten gehören zu unseren Hauptquellmärkten aus dem Ausland. Bis August dieses Jahrs sind die Übernachtungszahlen aus den USA sogar soweit angestiegen, dass sie nun an erster Stelle stehen und die Schweiz überholt haben. Dann kommen UK, die Niederlande und Frankreich. Der Incoming-Tourismus macht zusammen rund 22 Prozent unserer Gäste aus. 78 Prozent kommen aus Deutschland.

 

Wegen was kommen die Leute nach Mannheim?

Die Stadt ist neben dem Thema Kultur als Einkaufs- und Erlebnisstadt positioniert. Hier spielen Festivals und Musik eine wichtige Rolle. Nächstes Jahr feiern wir das 15-jährige Bestehen der Popakademie Baden-Württemberg. Und seit 2014 ist Mannheim „UNESCO City of Music“. Und ganz aktuell haben wir den fünften und sechsten Michelin-Stern in die Stadt geholt. Also auch das Thema Kulinarik gewinnt gerade an Bedeutung. Dazu haben wir unser Barockschloss und das Jungbusch-Viertel, unseren kreativen Hotspot der Stadt mit Popakademie, viel Gastronomie und Nightlife. Und vorletzte Woche erst haben wir die Ehrenurkunde zum besten Mobilitätsknoten Deutschlands für Städte bis 500.000 Einwohner erhalten. Die beste Voraussetzung für den Tourismus.

 

Wenn Sie die letzten zehn Jahre Stadtmarketing anschauen, was hat sich themenmäßig verändert?

Ich selbst lebe seit 30 Jahren hier. Was man deutlich spürt, ist, dass die Stadt einen Imagewandel durchläuft. Weg von einer Industriestadt hin zu einem Innovationsstandort. Die starke Wirtschaft liegt dem natürlich allem zugrunde, weshalb sich hier so viele Start-ups ansiedeln. Es gab viele Infrastruktur-Investitionen, auf vielen Flächen finden sich heute ganz andere Betriebe als vor 20 Jahren. Es geht in Mannheim aktuell nicht primär darum neue Arbeitsplätze zu schaffen, wir haben quasi Vollbeschäftigung. Im Vordergrund steht die Steigerung der Lebensqualität. Das Stadtmarketing muss hier Perspektiven aufzeigen und diese emotional transportieren. Das tun wir zum Beispiel über unsere neue Website, die mit vielen Bildern die Gefühlsebene anspricht.

 

Wann geht die neue Website online – und was ist neu?

Seit Montag ist visit-mannheim.de online. Die starke Bildsprache habe ich eben bereits erwähnt. Dazu fahren wir jetzt eine mobile-first-Strategie. Geplante Funktionserweiterungen sind z.B. die Online-Buchung von Stadtführungen und Unterkünften sowie die Einführung eines „MyVisit“-Planners, über den ein individuelles Sightseeing-Programm zusammengestellt werden kann. Die Sichtbarkeit unserer Themen wird sich durch die neue Seite also deutlich verbessern. Und ein strategisches Schwerpunktthema ist Gründen in Mannheim.

 

Wie interpretieren Sie ihre Rolle als Stadtmarketing?

Wir verstehen uns stark als Vernetzer, Treiber und Koordinator von für die Stadt relevanten Themen. Am besten Zukunftsthemen. Immer wichtiger für die Realisierung von Projekten werden Partner, mit denen wir die Spielräume abstecken. Denn am Ende sind wir verantwortlich, dass alles, was wir tun, den Markenkern widerspiegelt. Wenn ich sage, wir arbeiten immer mehr als Kurator von beispielsweise Events, anstatt sie selbst zu veranstalten, trifft es das sehr gut.

 

Wen haben Sie primär im Blick bei Ihrer Arbeit? Den Gast von außerhalb oder die Mannheimer Bürgerschaft?

Wir haben den klaren Auftrag, Mannheim außerhalb der Region zu vermarkten. Hintergrund ist, dass wir neben den Touristen auch Menschen langfristig für die Stadt als Lebensmittelpunkt gewinnen möchten. Denn wir brauchen Fachkräfte. Die Entwicklung des Wirtschafts- und Tourismusstandortes geht bei uns Hand in Hand.

 

Noch einmal zurück zum Tourismustag. Auch hier geht es um die Digitalisierung in vielerlei Facetten. Wie gehen Sie mit der Entwicklung und dem Tempo als Organisation um?

Wir versuchen Lösungen zu finden. Zum Beispiel für das Thema Einkaufen. Wir als Stadtmarketing einer Einkaufsstadt müssen helfen Wege zu finden, das Erlebnis vor Ort mit dem Online-Angebot so zu kombinieren, dass sich diese beiden Wege möglichst attraktiv ergänzen – nicht nur in Konkurrenz zueinander treten. Es gibt auch gemeinsame Arbeitsgruppen zum Thema Digitalisierung, wo alle wichtigen städtischen Fachbereiche mit am Tisch sitzen. Dass wir hier dabei sind, zeigt, wie vernetzt wir in der Stadt denken. Klar ist aber, wir wollen der Entwicklung nicht hinterherrennen, sondern der Region entsprechend Vorreiter sein.