Ein Gespräch über modernes Multichannel-Marketing, 68 Millionen Personenadressen als Basis für statistische Zwillinge und wie aus dem Bertelsmann Buchclub Deutschlands vielleicht bester Re-Targeting-Spezialist geworden ist.
Herr Krüger, der Herbst ist traditionell die Zeit, in der viele Destinationen ihre Marketingmaßnahmen noch einmal intensivieren bzw. in die Planungen für 2023 gehen. AZ Direct ist Spezialist für data-driven Cross-Channel-Marketing. Bitte erklären Sie uns kurz das Produkt.
Krüger: Wir ermöglichen unseren Kunden die direkte – datenschutzkonforme – werbliche Ansprache ihrer spezifischen Zielgruppen zum Zwecke der Neukundengewinnung. Hierzu analysieren wir Bestandskundendaten und identifizieren in unserer Datenbank statistische Zwillinge – also Personen und Haushalte mit gleichen oder sehr ähnlichen Affinitäten. Diese Potenziale können dann von unseren Kunden gezielt per Direct Mail, E-Mail, oder auch Display-/Social Media-Marketing angesprochen werden. Aber auch ohne vorherige Analyse können wir zielgruppenspezifisch agieren, indem wir anhand der Vorgaben unserer Kunden oder unter Berücksichtigung mikrogeografischer Instrumente wie bspw. Sinus-Milieus oder GFK-Urlaubertypologie selektieren.
Laut ihren Mediadaten können Sie 68 Millionen Konsumenten on- und offline erreichen: Woher kommen diese vielen Kontakte und wie qualitativ sind sie?
Krüger: AZ Direct ist ein Tochterunternehmen der Bertelsmann Printing Group (BPG), das „AZ“ steht für „Adressen Zentrale“. Angefangen hat alles vor mehr als 50 Jahren mit dem Bertelsmann Buchclub, der Millionen von Mitgliedern hatte. Von diesen wusste man neben ihren Stammdaten wie Alter, Geschlecht und Adressen eben auch, was sie an Büchern und somit an Themen interessiert. Darauf hat man aufgebaut, entwickelt seither neue Services und integriert sinnvolle weitere Datenpunkte. Heute haben wir nicht nur eine sehr aktuelle Datenbank mit knapp 70 Millionen Personenadressen, wir können diesen auch mehr als 600 qualifizierende Merkmale und über 1 Mrd. Transaktionsdaten zuordnen.
Das Wissen um die Kunden aus der Bertelsmann-Historie ist beeindruckend. Aber wie kann man dieses Wissen auf Display-Ads übertragen?
Leskovsek: Die postalischen Adressen sind zusätzlich mit mehr als 160 Mio. E-Mail-Adressen verschnitten. Diese in verhashter Form vorliegende E-Mail-Adressen sowie dazugehörige Brücken zur Cookieebene ermöglichen es uns, dieselben Personen zielgerichtet via Ads auch im Open Web oder in den sozialen Netzwerken erreichen. Dank unseres sogenannten Bridgepools können wir Bestands- als auch Neukunden auf vielen relevanten Kanälen erreichen. Zudem ermöglicht er die parallele Ansprache ein und derselben Person auf mehreren Kanälen – auch bekannt als Cross-Channel-Marketing.
Ist auch Re-Targeting möglich?
Krüger: Retargeting ist eines unserer Spezialgebiete. Besonders Destinationen mit Vertriebsambitionen können hier besonders gut Neukunden gewinnen. Unser Produkt Direct-Mail Retargeting richtet sich gezielt an jene Personen, die ihr Interesse, bspw. durch einen Website- Webshop-Besuch bereits signalisiert haben. In der Regel sind das potentielle Kunden, in die durch Marketing und Werbung schon viel investiert wurde. Schaut sich also jemand im Buchungsportal eine bestimmte Destination, ein Hotel, eine Reise an, vollendet den Kaufprozess jedoch nicht, kann er kurzerhand noch einmal auf dem Postweg angeschrieben werden. Ihr Brief enthält dann idealerweise ein spezielles Angebot oder ein Incentive und wirkt somit doppelt – als haptische Erinnerung und Impulsverstärker. Und wir sehen sehr deutlich, dass im Reisebereich der Postweg noch immer besonders gut funktioniert. Kunden schätzen es, wenn man mit einem guten Angebot auf sie zukommt, für dass sie sich ohnehin interessieren.
Leskovsek: Nicht zuletzt können wir Adressen von bestehenden Kunden vor dem Versand der Mailings herausfiltern. Das heißt, Bestandskunden oder jene Neukunden die zwischenzeitlich bereits doch gebucht haben, werden ausgeschlossen.
Aus Ihrer Erfahrung heraus: Welche Marketing-Strategie würden Sie Destinationen diesen Herbst/Winter oder schon mit Blick auf 2023 empfehlen?
Krüger: Für den kommenden Herbst und Winter sowie auch das nächste Jahr empfehlen wir, vor dem Hintergrund steigender Preise und Unsicherheiten in breiten Teilen der Bevölkerung, insbesondere auf jene Zielgruppen zu setzen, die zeitlich aber vor allem finanziell flexibel sind. Hier steckt viel Neukundenpotenzial, dass erwartbar wegbrechende Bestandskundenumsätze ausgleichen und übersteigen kann.
In welchen Branchen sind Sie bis jetzt besonders erfolgreich mit der Ansprache und warum glauben Sie, dass ihre Tools auch im Tourismus gut funktionieren werden?
Krüger: Wir arbeiten sehr erfolgreich mit und für Unternehmen die ihre Kunden ohne Intermediäre wie den Einzelhandel erreichen müssen oder wollen und die dabei ein Produkt oder eine Dienstleistung anbieten, das oder die nicht jeder gleichermaßen benötigt. Zumeist sprechen wir dann über spezifische Zielgruppen und einen Webshop als Vertriebskanal Nr. 1.
Unsere Kunden kommen aus den Bereichen Beauty, Fashion, Versicherungen, Finanzwesen, Bildung – um nur einige zu nennen – und mehr und mehr auch aus dem Tourismus, in dem der Direktvertrieb immer wichtiger wird.
Abschlussfrage: Was halten Sie persönlich für wichtiger aus Destinationssicht: die Neukundengewinnung oder das Bestandskunden-Marketing?
Krüger: Beides ist gleichwichtig und sollte aktuell intensiviert werden.
26.09.2022