Ein Gespräch über die Bedeutung der Weihnachtsmärkte für den Deutschlandtourismus, die Entwicklung des Frankfurter Weihnachtsmarktes in Großbritannien und die Themen Tradition und Kommerz auf Christkindlmärkten.
Herr Stroscher, Sie waren gerade wieder in Großbritannien – wegen dem Frankfurter Weihnachtsmarkt. Gefällt Ihnen der echte Markt am Römer besser oder der in Birmingham?
Da schlagen tatsächlich zwei Seelen in meiner Brust. Da kann ich nur sagen, beide sind gleich gut. Jeder hat seine Alleinstellungsmerkmale, seinen eigenen Charme und jeder für sich ist toll. Und da muss man hinzufügen: AMAZING!
Wieso gibt es den Frankfurter Weihnachtsmarkt überhaupt im Ausland?
Wir haben 1997 – damals gedacht als einmaliges städtepartnerschaftliches Projekt – mit einem ganz kleinen Markt in Birmingham angefangen. Es war einfach die Idee entstanden, den Briten ein Stück unseres Weihnachtsbrauchtums zu präsentieren. Die Resonanz der Besucher lies das ganze soweit kommen, dass es noch heute einen Weihnachtsmarkt in Birmingham gibt, der sogar mit seinen vier bis fünf Millionen Besuchern mehr hat als der Frankfurter selbst.
Wie viele Frankfurter Weihnachtsmärkte gibt es inzwischen in Großbritannien und wie läuft dort das Geschäft?
Dieses Brauchtum gab es hier wie gesagt überhaupt nicht. Wir haben dann bei anderen Städten etwas herumexperimentiert, erstmal in Bristol, anschließend in Manchester. Teilweise habe ich hier schon sechs Weihnachtsmärkte parallel betreut. Heute gibt es in Großbritannien ungefähr tausend Märkte, denn es gibt auch immer Nachahmer, die auf einen fahrenden Zug aufspringen. Die aber, das muss man dazu sagen, oft Disneyverschnitte sind. Oder zum Beispiel der Markt am Hyde Park, der ist mehr Oktoberfest als Weihnachtsmarkt. Authentisch nach deutschem Vorbild sind die wenigsten.
Frankfurter Weihnachtsmärkte sind es hier wieder weniger geworden, dieses Jahr sind es noch zwei – Birmingham und Leeds. Aber es hat sich die gesamte Marktstruktur verändert: Beispielsweise werden in Edinburgh alle Veranstaltungen des gesamten Jahres von der Stadt an einen Veranstalter vergeben. Und das könnten wir von Deutschland aus natürlich gar nicht leisten. Aber hinzu kommt noch die Anspruchshaltung, die ist heute eine ganz andere. Nehmen Sie nur das Thema Sicherheit. Man könnte heute nicht mehr für sechs Märkte parallel in UK verantwortlich sein und den Frankfurter Markt gleichzeitig betreuen.
Sie haben das Thema Sicherheit gerade angesprochen, sind die Sicherheitsbedingungen in UK ähnlich wie in Deutschland?
Sind sie, definitiv! Auch hier haben wir Zufahrtssperren, der Markt ist komplett gesichert, es gibt viel Security begleitend zur Polizei. Also das ist identisch mit Deutschland. Die Finanzierung der Sicherheit läuft in erster Linie über die Zusammenarbeit mit den Standbetreibern, also meist über Standmieten.
Welche Bedeutung hat der Weihnachtsmarkt für die Stadt Frankfurt? Und wie beurteilen Sie die Relevanz der Weihnachtsmärkte im Deutschlandtourismus?
Der Weihnachtsmarkt in Frankfurt mit seinen rund 200 Ständen hat natürlich eine immens hohe Bedeutung! Weihnachtsmärkte, vor allem deutsche Weihnachtsmärkte, haben eine ganz hohe Relevanz als Touristenmagnete. Dafür reisen selbst Besucher aus Übersee an. Wir haben in Frankfurt eine Besuchererwartung von rund drei Millionen Menschen. Letztes Jahr waren es in Frankfurt 2,8 Millionen Menschen, in Birmingham an die fünf Millionen. Ein Rückgang der Besucher ist durch Anschläge auf andere Märkte in der Vergangenheit nicht spürbar. Das würde auch bedeuten, dass dann diejenigen, die das verursachen, ihr Ziel erreicht hätten.
Auch für die Hotellerie in Frankfurt hat der Weihnachtsmarkt eine große Bedeutung. Im letzten Jahr fanden im November fast 850.000, im Dezember etwas mehr als 760.000 Übernachtungen statt. Eine Vielzahl der Gäste besuchte zu dieser Zeit natürlich den Weihnachtsmarkt. Auch die Hotels hier in Birmingham sind am Wochenende oft ausgebucht.
Wie sieht es im Hinblick auf Traditionen beim Weihnachtsmarkt aus? Gibt es dort noch viele traditionelle Stände oder ist das Hauptaugenmerk auf den Verkauf von Glühwein und Produkte aus der Massenproduktion gelegt?
Es geht in Frankfurt noch viel um Tradition. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde der Weihnachtsmarkt im Jahre 1393. Aber Fakt ist natürlich auch: Man kann den Zeitgeist nicht ausschließen. Und Weihnachtsmärkte waren früher nur die Orte, wo man eben Weihnachtsdekoration und Geschenke einkaufte – und mittlerweile haben sie sich auch zu sozialen Plattformen entwickelt. Man trifft sich, genießt zusammen, flaniert mit Freunden und Familie, postet dann die Bilder im Netz. Das hat sich im Vergleich zu früher schon geändert. Aber auch heute kann man am Römer noch Holzstiefel, Kerzen und Socken kaufen. Und vieles stammt nicht aus der Massenproduktion, sondern von regionalen Erzeugern, ist Handarbeit. Davon lebt der Weihnachtsmarkt. Mit Artikeln aus der Massenproduktion könnte ein Weihnachtsmarktbetreiber mit kleinen Ständchen auch gar nicht mit einem großen Kaufhaus konkurrieren. Also ist es unser Bestreben Artikel anzubieten, die man nur auf dem Weihnachtsmarkt bekommt.