Das Thema Onlinebuchung von Gastgebern ist ein Dauerthema für DMOs. Die gewachsenen Vertriebsstrukturen unterscheiden sich allerdings zwischen dem Norden, Osten und Süden Deutschlands deutlich. Eine Zeitreise mit Ausblick.
Christoph Rakel und Sebastian Krüger bieten Ostseeferien im Internet an“ lautete 1999 die Schlagzeile in der Ostsee Zeitung. Auf dem Foto lächeln zwei junge Männer Anfang 20 in die Kamera, die von der Idee ihres Portals Ostsee-Ferienwohnung.de überzeugt sind – und die dieses Jahr das 20. Jubiläum ihrer Agentur SECRA im Ostseebad Sierksdorf feierten. Es ist eine deutsche Erfolgsgeschichte, wie man sie im Internetzeitalter sonst eher aus Kalifornien kennt: gegründet im heimischen Dachgeschoss, heute in Sachen Buchungstechnologie eine der führenden Agenturen und über die Jahre so prägend, dass die heutige Vertriebsstruktur an der Ostsee ohne die SECRA eine andere wäre. „Wir fuhren mit unserem grünen Seat Ibiza damals die Küste ab, verteilten Handzettel und klärten die Vermieter auf“, erinnert sich Rakel. Beharrlichkeit, die belohnt wurde: Das Portal ist heute mit rund 7.000 Objekten, 150.000 Aufrufen monatlich und über 60.000 Buchungsanfragen jährlich allein per E-Mail eines der größten Buchungsportale für Ferienwohnungen an der Ostsee. Und über die eigenen Buchungslösungen „FeWo-Channel-Manager“ (für Gastgeber), „FeWo-Agent“ (für Agenturen) und „Optimale Präsentation“ (für Destinationen) werden inzwischen mehr als 100.000 Buchungen in der Region abgewickelt.
Im Jahr 1999 begann auch die Erfolgsgeschichte des heutigen Online-Buchungssystems von DS Destination Solutions (DS), damals HRS Destination Solutions, das die damalige wild-east marketing GmbH mit Sitz auf der Insel Rügen aufkaufte. Innerhalb von zehn Jahren wurde die Firma in Mecklenburg-Vorpommern, und mit zunehmender Tendenz später auch in Schleswig-Holstein, Marktführer in der Region – mit heute 500.000 abgewickelten Buchungen pro Jahr im System der DS. Ausschlaggebend war die speziell auf Agenturen, Tourist-Informationen und Gastgeber an Nord- und Ostsee ausgerichtete Verwaltungs- und Vermarktungssoftware. „Durch die lokale Verwurzelung des Unternehmens entwickelte sich eine regionale Marktkenntnis, die gemeinsam mit den Anwendern im Norden das System zum heutigen Erfolgsmodell werden ließ“, sagt Dr. Ulrich Eckert, Mitglied der Geschäftsleitung bei DS Destination Solutions.
Lokale IRS-Systeme hatten relativ früh Zugang zu Portalen wie BestFewo und Casamundo. Das System der DS, vormals „im-web.de“, war von Anfang an als Vertriebssystem für viele Kanäle angelegt. Gleiches gilt für die SECRASysteme, in denen Gastgeber aktuell im Schnitt 4,8 Portale zur Vermarktung ihrer Unterkünfte nutzen. „Doch auf je mehr Kanälen ein Objekt gelistet ist, desto besser“, erklärt Rakel. Denn jedes Objekt performe unterschiedlich auf den einzelnen Portalen. Das A und O sei daher ein aktives Channel-Management.
Dr. Ulrich Eckert kennt die Geschichte der Onlinebuchbarkeit wie seine Westentasche. Als Co-Founder der HolidayInsider AG, die im Jahr 2014 von HRS übernommen wurde, hat der Softwareexperte seit 2008 selbst eine neutrale Plattform für die Vermittlung von Ferienunterkünften aufgebaut. Heute verantwortet er bei DS unter anderem die Buchungslösungen, das Channel- Management sowie Portale und Apps. Trotz vieler Parallelen in der technischen Entwicklung kennen sowohl er als auch Rakel die in der Historie begründeten Strukturunterschiede im Norden im Vergleich zum Süden Deutschlands. Zum Beispiel, dass die traditionell starken DMOs in Süddeutschland durch ihre Kirchturmpolitik, bestärkt durch wenig Druck von Agenturen und erfolgsverwöhnten Vermietern, das Thema eher zögerlich angingen. „Subventionierte IRS-Systeme verhinderten hier zunächst den Fortschritt und Konzepte regionaler Zusammenarbeit“, sagt Eckert. In der Folge hätten Booking.com und andere Hotelportale hier heute eine sehr bedeutende Marktstellung.
Doch auch Unterschiede in der Vermieterstruktur seien entscheidend für diese unterschiedliche Entwicklung gewesen: „Anders als in Bayern gibt es an der Küste eine hohe Konzentration von Objekten, bei denen die Eigentümer nicht immer vor Ort sind“, erklärt Christoph Rakel. In der Folge bildeten sich regional über 600 im Norden und Osten ansässige Agenturen, die sich um deren Vermietung kümmern. „Für diese Full-Service-Agenturen haben wir mit dem FeWo-Agenten eine Buchungssoftware inklusive integriertem Channel-Manager entwickelt“, so Rakel. Und weil diese Agenturen, aber auch DMOs, ihr Inventar quasi von Beginn an auch gegenseitig auf ihren Seiten buchbar machten – und so die eigene Reichweite erhöhten –, entstand an der Ostseeküste schon im damaligen System „eine Art Bollwerk gegen Booking.com und andere Portale in Form regionaler Vertriebskanäle“, so Dr. Eckert. Kein großes Portal schaffe es heute, „um diese Strukturen und Netzwerke herumzuarbeiten“.
Booking.com habe sich als zusätzlicher Vertriebspartner „erst einreihen müssen“ und mache deshalb „heute maximal 20 Prozent der Buchungen in der Region aus“, so Eckert. Andere Gegenden würden sich eine solche Quote und damit mehr Unabhängigkeit wünschen; erweisen sich Kooperation mit Booking vor dem Hintergrund der hohen Provisionen und Stornobedingungen doch für die Betriebe als große Herausforderung. An der Nordsee wiederum hat Fewo-Direkt als Anfrage-Portal den Markt der individuellen Gastgeber lange dominiert. Erst durch den von der Mutter HomeAway aufgrund internationaler Trends wie Airbnb erzwungenen Schwenk zur Online-Buchbarkeit öffnete sich dieser Markt. Doch nicht alle zogen sofort mit: „Ein Teil der konservativen Kunden wechselte zum Beispiel zu Traumferienwohnungen.de mit dem klassischen Anfragemodell“, sagt Ricarda Kies, Mitglied der Geschäftsleitung bei DS Destination Solutions. Vor ihrem Einstieg bei DS war sie als Sales- und Marketing Director bei e-domizil. Heute verantwortet Kies die Kooperation mit Tourismusverbänden, Agenturen, Veranstaltern und Privatvermietern und kümmert sich um Ausbau und Pflege des breit gefächerten Distributionsnetzwerkes mit Plattformen wie HomeAway, HomeToGo und Holidu. Das Konzept starker regionaler Netzwerke, wie an der Ostsee, ließe sich „wegen ähnlicher Strukturen mit starken Agenturen in Kooperation mit DMOs aber inzwischen gut auf die Nordsee übertragen“, meint die erfahrene Managerin. Zumal: „Aufpreistechniken, variable Preisgestaltungen und faire Systemkosten Destinationen beim Online-Vertrieb ausreichend Spielraum bieten, um damit auch Geld zu verdienen“, ergänzt Christoph Rakel, Geschäftsführer SECRA GmbH.
Dass das Thema Onlinevertrieb gerade wieder Fahrt aufnimmt, hat allerdings auch noch mit einem weiteren Punkt zu tun: der Datengewinnung. So griffen selbst etablierte Agenturen mit ihren PMS-Systemen inzwischen „gerne wieder auf unser Knowhow und Technologie zu, um mehr über ihre Gäste zu erfahren“, sagt Dr. Ulrich Eckert. Der Trend gehe dahin, alle Leistungsträger und Unterkünfte aus verschiedenen Quellen sowie auch Aktivitätenanbieter via Schnittstellen zu bookingkit oder Regiondo zentral in einem System zusammenzubringen, um DMOs perspektivisch in die Lage zu versetzen, die gesammelten Informationen über ihre Kunden wertschöpfend nutzen zu können. Selbst schlafende DMOs würden deshalb „gerade wieder aktiv“.