Herr Kubsch, Studiosus hat für das laufende Jahr ein Minus von knapp 2 Prozent bekannt gegeben. Wird das Geschäft mit Studienreisen schwieriger? Und wenn ja, warum?
In der Tat war es ein schwieriges Jahr mit reichlich Gegenwind für die Tourismusbranche. Den bekamen auch wir zu spüren. In der öffentlichen Diskussion gab es viel Ärger rund um das Thema Flug bis hin zu Protesten an Flughäfen. Im Zuge der aufkommenden Debatte um den Klimawandel kam dann noch Flugscham hinzu. Nicht zuletzt hat die Thomas-Cook-Pleite Verbraucher verunsichert, wir reden hier immerhin über den ehemals zweitgrößten Reiseveranstalter Europas.
Wie schwer ist der Imageschaden für das Produkt Pauschalreise durch die Thomas-Cook-Pleite? Oder sind Sie davon nicht wirklich berührt, da sie ja eine ganz anderes Kundenklientel bedienen?
Absolut richtig, unsere Kunden reisen, weil sie Land und Leuten begegnen und neue Länder kennenlernen wollen. Sie haben also eine andere Motivation als Badeurlauber. Trotzdem steht zu befürchten, dass durch die Thomas-Cook-Insolvenz die Pauschalreise als Ganzes in keinem guten Licht dasteht. Das betrifft auch uns. Urlaubern wurde über die Jahre von allen Seiten immer erzählt, die Pauschalreise sei sicher. Gemeint war damit zwar nicht nur die Insolvenzabsicherung, sondern auch der Organisationshintergrund und die Vorsorgeleistung, aber am Ende des Tages steht jetzt die Frage im Raum, inwieweit eigentlich die eingezahlten Gelder tatsächlich abgesichert sind. Hier sind nun alle Akteure inklusive der Bundesregierung gefordert, für die Zukunft eine ausreichende finanzielle Absicherung zu gewährleisten.
Die großen Veranstalter kalkulieren mit 1 bis 2 Prozent Rendite pro Buchung. Ist das in der heutigen Zeit mit vielen Krisen nicht viel zu knapp gerechnet, wenn man nachhaltig wirtschaften will?
Die Renditen in der Branche sind schon immer sehr, sehr niedrig gewesen. Das ist letztendlich dem starken Wettbewerbsdruck geschuldet, der nicht nur bei den Veranstaltern, sondern insbesondere auch bei den Airlines herrscht. Aber letztendlich profitiert der Verbraucher davon, wenn die Renditen beim Veranstalter gering bleiben. Der Wettbewerbsdruck wird sicherlich nicht nachlassen, auch im Flugbereich nicht.
Also Sie glauben, da wird sich nun nichts ändern?
Es wird sich schon etwas ändern, meiner Meinung nach muss sich auch etwas ändern. Flugreisen könnten durch eine Klimaabgabe ab nächstem Jahr teurer werden. Ich glaube auch, dass wir noch viele Diskussionen um die berühmten 9,99-Euro-Tickets führen werden, also um Angebote, die sich für sich selbst gar nicht rechnen, sondern nur als Animation für kurzfristige Buchungen dienen. Die Akzeptanz von diesen Billigst-Reisen ist gesellschaftlich mittlerweile kaum mehr da.
Greta Thunberg, Fridays for Future: Immer mehr Menschen sagen laut, dass sich auch in Bezug auf Nachhaltigkeit etwas ändern muss. Haben Flugreisen, wie wir sie heute unternehmen, überhaupt eine Zukunft?
In puncto Klimaschutz hat die Tourismusbranche in der Vergangenheit schlichtweg zu wenig getan. Da haben uns Greta Thunberg und Fridays for Future wachgerüttelt. Beim Flug ist die Branche nun aufgefordert, Lösungen zu finden, denn Fliegen ist unsere Achillesferse. Am besten wären neue Treibstoffe, die klimaneutrales fliegen möglich machen. Bis es soweit ist, gibt es eine andere Lösung: – die Kompensation der Treibhausgasemissionen. Und das ist alles andere als ein Ablasshandel. Die Kompensation von Treibhausgasen ist eine reale Möglichkeit, Emissionen zu neutralisieren, die durch Flüge entstehen. Insbesondere, wenn man in Klimaschutzprojekte investiert, die nach dem Gold Standard zertifiziert sind.
Wie sieht in Ihren Augen eine wirklich nachhaltige Reise aus?
Zurzeit dreht sich die öffentliche Diskussion weitgehend um den Aspekt des Klimaschutzes. Der ist wichtig und man kann auch als Veranstalter vieles tun, um seiner Verantwortung gerecht zu werden: Bei Studiosus und Marco Polo kompensieren wir seit 2012 alle Bus-, Bahn- und Schiffsfahren in den Zielgebieten und bieten unseren Kunden bereits seit 2007 die Möglichkeit an, ihre Flüge freiwillig auszugleichen. Auch alle unsere Dienstreisen und die gesamte Werbemittelproduktion stellen wir durch Investitionen in Klimaschutzprojekte in Indien klimaneutral. Aber Nachhaltigkeit ist mehr als Klimaschutz: Neben den ökologischen gibt es noch die ökonomischen und sozialen Gesichtspunkte. In allen drei Bereichen ist die Branche aufgefordert, mehr als bisher zu tun.
Worum geht es dabei?
Die zentrale Frage ist, was Tourismus für die einzelnen Beteiligten Sinnvolles bewirkt. Letztendlich leben wir davon, willkommen zu sein. Alle Akteure müssen deshalb zum Beispiel darauf achten, dass innerhalb ihrer Wertschöpfungskette keine Menschenrechtsverletzungen passieren. Um konkreter zu werden: Wir müssen dafür sorgen, dass Beschäftigte von Hotels oder Busfahrer faire Löhne bekommen, dass keine Kinderarbeit oder Missbrauch zugelassen und dass Gleichbehandlungsaspekte von Mann und Frau eingehalten werden. Als Gründungsmitglied des Roundtable for Human Rights in Tourism fordern wir das von unseren Vertragspartnern nicht nur ein, sondern haben unser Partner auch vertraglich dazu verpflichtet. Ein anderes Beispiel ist der Overtourism. Wenn die Menschen wie in Barcelona oder Dubrovnik anfangen, sich gegen den Tourismus zu wehren, dann steuert die Branche hier nicht nachhaltig, sondern schadet sich letztlich selbst.
Können Sie uns noch ein paar Sätze zu ihrer Studiosus Foundation sagen? Und wie hat sich die Foundation über die Jahre entwickelt?
Die Foundation, die 2005 als gemeinnützig eingetragener Verein gegründet wurde, hat eigentlich das fortgesetzt, was wir als Veranstalter schon vorher betrieben haben, sprich einzelne Projekte in den Zielländern zu fördern. Meist sind das kleinere Projekte, über die wir von Reiseleitern, von unseren Gästen oder Leistungspartnern vor Ort erfahren hatten und die im Kontext Nachhaltigkeit stehen. Projekte, die keinen Zugang zu internationalen Geldern hatten. Mittlerweile haben wir 250 Projekte weltweit gefördert, immer mit dem Grundgedanken nicht nur zu nehmen, sondern auch etwas zurückzugeben. Gleichzeitig versuchen wir möglichst solche Projekte zu fördern, die an unseren Reiserouten liegen. So ermöglichen wir es unseren Reisegästen, sich selbst ein Bild davon zu machen, zu sehen, wie in unseren Projekten das Geld verwendet wird. Häufig spenden Gäste dann im Nachhinein für etwas, das sie gesehen haben – oder sogar spontan vor Ort. Das Aufeinandertreffen mit Menschen im Reiseland, seien es Projektleiter, Reiseleiter oder Einheimische, sind wertvolle Begegnungen. Das ist Teil der Studiosus-Philosophie.