Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT)

Ein Gespräch über den Launch von KI-Influencerin „Emma“, das teils kritische Feedback hierzulande und die Rolle von Avataren im künftigen Marketingmix für das Reiseland Deutschland

Zunächst einmal ist ein starkes Feedback auf den Launch eines solchen Projektes ein klares Signal, dass wir den Nerv der Zeit getroffen haben. Gerade die kontroverse Diskussion um unsere KI-Botschafterin bestätigt den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs zum Einsatz generativer KI. Wir können KI nicht leugnen oder umschiffen. Wir müssen sehen, welche konkreten Anwendungen wir nutzen und sinnstiftend einsetzen können. Schließlich sind wir als Organisation Know-how-Träger und Netzwerker für die ganz überwiegend mittelständisch ausgerichteten deutschen Tourismusunternehmen auf den internationalen Märkten – inklusive der damit unbedingt verbundenen Lernprozesse. Jedes Projekt wird bei uns auf Zukunftstüchtigkeit und Praxisfähigkeit hin überprüft und begleitet. Dazu gehören auch die Learnings, die wir sowohl mit der Branche teilen als auch in den Fortschritt unserer Projekte integrieren werden. Entsprechend ist der Launch von Emma auch eine Einladung, diesen Diskurs mit allen Beteiligten zu führen.

Konkrete Kritikpunkte waren vor allem die Sorge, dass wir mit einer KI-Lösung reale Influencer ersetzen könnten. Dazu können wir ganz klar sagen: Emma ist eine Ergänzung und Erweiterung unserer Zusammenarbeit mit realen Influencern. Ein zweiter Themenkomplex befasste sich mit dem äußeren Erscheinungsbild von Emma. Emmas Aussehen basiert auf den Erkenntnissen einer Erhebung der Sinus-Milieus in unseren Quellmärkten. Vor allem die sogenannten Performer und die Cosmopolitan Avantgarde sind hier unsere wichtigsten Zielgruppen. Aufbauend auf deren Wertevorstellungen wurde Emma durch KI generiert. Ein dritter Punkt betrifft das Datenreservoir, auf das Emma heute zugreift. Wir haben Emma als ‚Startguthaben‘ einen Großteil des auf unserer Website verfügbaren Content mitgegeben. Schon für die nächste Zukunft planen wir, Emma mit weiteren Datenquellen zu verknüpfen. Ein erster Schritt ist die Anbindung des Knowledge Graphen der DZT. Zum anderen können in der Zukunft beispielsweise Veranstaltungskalender, öffentliche Verkehrsdaten oder lokale Tourismus-informationen dazukommen, um Emmas Antworten noch detaillierter und relevanter zu gestalten. Das alles sind wichtige Diskussionspunkte, die wir in die Weiterentwicklung von „Emma“ einfließen lassen. 

„Der Launch von KI-Influencerin Emma ist Teil einer großen Zahl
von Projekten und Initiativen in unserer Digitalstrategie.“
DZT-Chefin Petra Hedorfer.

Die Kommunikation auf den Kanälen weltweit ist interessanterweise sehr breit gefächert. Insbesondere in den Auslandsmärkten wie dem asiatischen oder amerikanischen Raum, wo KI-Applikationen bereits im Alltag integriert sind, war die Resonanz sehr positiv. Das hat sicher auch damit zu tun, dass in diesen Ländern die Affinität zu digitalen Lösungen sehr viel stärker ausgeprägt ist – beispielsweise beim Mobile Payment oder dem Ausbau Sozialer Netzwerke zu umfassenden Serviceportalen. Wir müssen bei der internationalen Vermarktung des Reiselandes Deutschland digitale Tools einsetzen, um den Anschluss im Wettbewerb der Destinationen zu garantieren.

Der Launch der KI-Influencerin ist Teil einer großen Zahl von Projekten und Initiativen in unserer Digitalstrategie. In diesem Kontext beobachten wir sehr genau, welche Trends und Innovationen in den internationalen Märkten aktuell werden und prüfen sie auf Relevanz und Anschlussfähigkeit für uns. Für den Start dieses Pilotprojektes jetzt gab es verschiedene Gründe. Dazu gehören auch die virtuellen Influencer im asiatischen Raum. Mit dem Livegang unseres DZT-Open Data-/Knowledge Graph-Projektes voriges Jahr haben wir die Infrastruktur für eine digitale Botschafterin geschaffen: semantisch strukturierte maschinenlesbare Daten als Basis für KI-Anwendungen und KI-gestützte Geschäftsmodelle. Ein weiterer Grund ist Servicebereitschaft. Ein virtueller Guide wie Emma steht den Kunden via Chatbot 24/7 zur Verfügung – egal in welcher Zeitzone und in über  20 Sprachen. Und der dritte Grund: Wir bewegen uns im Kontext verschiedener Trends in der digitalen Transformation. Bewegtbild ist heute ebenso unverzichtbar wie Sprachsteuerung, Gamification hat sich ebenfalls längst etabliert. Es war also an der Zeit, ein Projekt aufzusetzen, das diese großen Trendthemen aufnimmt und zugunsten der Reiseindustrie auf praktische Anwendbarkeit hin einsetzt.

Wir verstehen Emma als Ergänzung und Erweiterung unseres realen Influencer-Netzwerks. Echte Menschen sind und bleiben essenziell und unverzichtbar, um für eine Destination zu werben. Deshalb setzen wir bisher und auch in Zukunft auf echte Personen als Botschafter in Kampagnen oder physische Influencer, die über ihre Reiserfahrungen berichten und diese teilen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen und werden diese auch weiter nutzen. Allein im vorigen Jahr haben ‚klassische‘ Influencer mit ihren Beiträgen 148 Millionen Impressions für das Reiseland Deutschland generiert. Auf diese Verbindung aus Information, Emotion und Authentizität werden wir keinesfalls verzichten. Das ist und bleibt unser Fokus. Aber Emma kann, indem sie kontextuelle Daten wie das Nutzerverhalten oder Interessen analysiert, auch personalisierte Empfehlungen geben. Durch die intelligente Filterung von Inhalten aus der DZT-Website entstehen aus den individuellen Fragestellungen des Nutzers z.B. spezifische Reise-& Reiseroutenempfehlungen.


04.11.2024