Petra Hedorfer, Vorstandsvorsitzende Deutsche Zentrale für Tourismus DZT

Ein Gespräch über Auslandsmarketing als notwendige öffentliche Aufgabe, die Fokussierung auf digitale Kanäle in der Kommunikation und Gerüchte im Ausland, in Deutschland herrsche Ausnahmezustand

Foto: DZT

Der Incomingtourismus hat zuletzt geschwächelt, bis November stand ein knappes Plus von 1,4 Prozent zu Buche. Wo sind wir final 2016 gelandet?

Die endgültige Bilanz des Statistischen Bundesamtes wird erst Mitte Februar vorliegen. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir jedoch schon davon ausgehen, dass sich das Reiseland Deutschland trotz der globalen Herausforderungen wieder gut behauptet. Es wird der siebte Rekord in Folge. Das spricht für die Stärke Deutschlands als Marke.

 

Aber einige Quellmärkte sind rückläufig.

Das stimmt. Für 68 Prozent der Asiaten hat die Terrorsituation Einfluss auf ihre Reiseplanung. Für internationale Touristen stehen wir im Kontext der Anschläge von Paris und Brüssel. Nicht zu vergessen: Wir haben nach wir vor ein Russland-Embargo. Und wir haben seit dem Brexit-Votum im Sommer 2016 weniger Gäste aus UK, weil sich Reisen zu uns durch das schwächere Pfund um 15 Prozent verteuert haben. Auch der Slow-Down der chinesischen Volkswirtschaft wirkt sich auf die Reiseströme aus – obwohl wir im Outgoing immer noch Marktführer für Urlauber aus China sind.

 

Wie begegnet die DZT derlei makroökonomischen und sicherheitsrelevanten Entwicklungen? 

Unsere Message ist, dass Deutschland für Vielfalt steht, dass es in jedem Preissegment für viele Zielgruppen aus verschiedensten Ländern die passenden touristischen Angebote gibt. Dann schauen wir natürlich auch, welche Trends es international gibt oder welche Themen in den einzelnen Märkten stark nachgefragt sind. Danach richten wir dann unsere Strategie aus.

 

Bitte konkretisieren Sie die Strategie für uns.

Unsere Kernaufgabe ist die Markenkommunikation. Es geht um das Image und die Positionierung des Reiselandes Deutschland. Grundlage all unserer Aktivitäten sind genaue Marktanalysen. Auf einer guten Datenbasis und mit validen Benchmarks spielen wir spezifisch und zielgruppengerecht Content in einzelnen Kanäle aus. Den Schwerpunkt legen wir dabei aufs Digitale. Hier setzen wir in der Kommunikation mittlerweile stark auf B2C. Messen, Roadshows, Trade usw. bedienen wir zwar auch, aber im Fokus stehen die Looker & Booker. Wir müssen dort stattfinden, wo der Kunde Inspiration sucht, seien es Bewertungsportale oder die Sozialen Medien.

 

Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, die DZT spielt Content aus?

Oh, dieses Thema ist dreidimensional (lacht). Unser größter „Reiseführer“ ist unsere Website germany.travel. Hier ist unser Markenkern in über 30 Sprachen verankert. In welcher Landessprache wir bei welchem Thema ins Detail gehen, entscheidet sich mit der marktspezifischen Nachfrage. Es macht keinen Sinn in China jeden Wanderweg zu bewerben. Dort stehen die Themen Shopping und kulturelle Highlights im Blickpunkt. Bei den Niederlanden sieht das ganz anders aus, da müssen wir bei vielen Themen Tiefen-Content ausspielen. Für unsere Nachbarländer steht aber meist auch nicht der erste Besuch an – sondern oft der zwanzigste.

 

Franz Gredler von Eurotours sagte auf der CMT, dass in Österreich viele nicht wüssten, dass man an der Ostsee einen tollen Strand- und Sommerurlaub verbringen kann. Wie ist das möglich?

Das ist tatsächlich gerade ein Thema. Eines, das wir sogar mit Eurotours, der Germania und dem Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern angegangen sind. Jetzt gibt es neue Shuttle-Flüge. Das ist ein gutes Beispiel, wie wir neben reinem Marketing auch unterstützen, nach erfolgversprechender Bedarfsanalyse relevante Organisationen zusammenbringen, die dann ein Stück neue touristische Infrastruktur aufbauen.

 

Weil gerade mit Mecklenburg-Vorpommern eine Landesorganisation genannt wird: Wie sieht im Allgemeinen die Zusammenarbeit zwischen der DZT und den LMOs, DMOs und anderen heimischen Playern aus?

Die bilaterale Zusammenarbeit ist sehr gut. Alle 16 LMOs sind bei der DZT Vereinsmitglieder. Von Produktausschüssen über Beiratsseitzungen bis zu Mitgliederversammlungen arbeiten wir konstruktiv zusammen. Die Quellmärkte der einzelnen Regionen sind aber sehr unterschiedlich und auch unterschiedlich groß. Dementsprechend sind die Themen und Beziehungen, die Regionen auch über uns und unsere DZT-Auslandsseiten aufbauen und pflegen, vielseitig. Was zählt, ist der kontinuierliche Austausch, um gemeinsam erfolgreich zu sein.

 

Manchmal gibt es aber auch spontane Aktionen der DZT, wie etwa den Incoming and Brand Summit in München im Dezember 2016. Warum dieses Event so kurz vor Jahresschluss?

Im Kontext der eingebrochenen Nachfrage aus den asiatischen Märkten hatten wir uns zu diesem Event entschieden. Wir wollten ein selbstbewusstes Format anbieten und auch eine solche Einladung aussprechen. Dabei ging es um den Dialog mit ausländischen Journalisten und Influencern und wie sie in ihren Ländern die Diskussion über Deutschland wahrnehmen. Man darf nicht vergessen, dass wir schon im ganzen letzten Jahr durch das Flüchtlings-Thema international im Fokus standen. Das wurde uns auch auf unseren DZT-Portalen gespiegelt. Die Bilder im internationalen Fernsehen wirkten teils so, als herrsche in Deutschland der Ausnahmezustand. Da kamen Fragen auf wie: Kann man überhaupt noch nach Deutschland reisen? Nicht zu vergessen, dass auch die Kölner Silvesternacht, Pegida und rechtsradikale Brandanschläge durch die Medien in aller Welt gingen. Da waren wir als DZT gefordert.

 

Und wie ist das Bild von Deutschland im Ausland?

Es gibt in jedem Fall eine Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit, zweite wollten wir auf dem Event zeigen. Und ich kann sagen: Deutschland wurde unisono eine starke Performance bestätigt. Auch der Nation Brands Index ist eindeutig: Deutschland ist international eine der zehn Top-Marken.

 

Aber gab es denn auf den Workshops keine Stimme, die Sie nachdenklich gemacht hat? Kein Feedback, das Sie so nicht erwartet hätten?

Dass es in Europa Probleme um Leadership und die anderen bereits genannten gibt, kam natürlich zur Sprache. Aber das wussten wir ja schon vor dem Event, wir stehen ja über unsere Auslandsbüros in Kontakt mit den Medien in den Ländern. Aber hier ging es um die Bewertung der touristischen Leistung, um unser Angebot als Reiseland. Und da war die Bewertung topp. Man hat uns gesagt, wir sollen weiter ganz selbstbewusst auftreten. Der Kredit, den wir in der Welt haben, ist enorm. Wir profitieren einerseits noch vom alten Wirtschaftsimage „made in germany“, anderseits können wir wirklich überraschen.

 

Was sind die Themen 2017 fürs Auslandsmarketing?

Wir befinden uns immer noch in der Lutherdekade. Mit der Lutherkampagne einher geht aber nicht nur der spirituelle Tourismus, der drei bis vier Prozent des Incoming ausmacht, sondern die ganze Breite unseres kulturellen Angebots. Wir erzählen die Reformationsgeschichte über acht Reiserouten durch Städte, Ausstellungen und Events. Speziell in den USA, Stichwort Bible Belt, und in Skandinavien wird das Thema sehr gut funktionieren, aber auch in Südkorea gibt es viele Protestanten. Insgesamt haben wir hier zehn Schwerpunktmärkte im Blick. Doch auch die documenta und die Internationale Gartenausstellung IGA in Berlin sind 2017 wichtig. Dazu kommen die uns kontinuierlich begleitenden Themen wie der Medizintourismus aus dem arabischen Raum und unsere Städte- und Gesundheitskampagnen.

 

Abschlussfrage: Es gab Kritik an der Finanzierung der DZT. Wie ist jetzt der Stand?

Ich bin erst einmal zufrieden, dass wir seit 15 Jahren nie eine Mittelkürzung erfahren haben, sondern unser Budget weiter erhöht wurde. Der Bund fördert uns mit 30,6 Millionen Euro pro Jahr. Der Bundestag unterstützt uns. Wir haben aber auch selbst unsere Umsätze um 20 Prozent steigern können. Trotzdem müssen wir punktuell effektiver werden. Mehr Geld führt nicht gleich dazu, dass man mehr erreicht. Es kann auch nur die Streuverluste erhöhen. Aber touristische Wirtschaftsförderung ist eine öffentliche Aufgabe. So schaue ich da drauf. Denn was die DZT im Ausland leistet und anschiebt, könnten einzelnen Regionen gar nicht leisten. Das sieht auch das Wirtschaftsministerium so.