Von Pressearbeit zu Earned, Paid und Owned Media: Touristik-PR ist heute 360°. Sie aber nur an KPIs zu messen, wird ihr nicht gerecht. Ein Rückblick auf 25 Jahre an der Spitze von noble kommunikation und die Veränderungen der Branche.
Von Marina Noble Zum Download des TN-Deutschland-Magazins
„Tue Gutes und rede darüber“ war der Tenor der Seminare, in denen ich vor über 30 Jahren die Öffentlichkeitsarbeit von der Pike auf gelernt habe. Seither ist die PR viel strategischer geworden: Botschaften, Taktiken und Abläufe werden im Detail geplant, bei den Zielen sind Verkaufsförderung und messbare Beiträge zum Erfolg eines Unternehmens oder einer Destination auf die vorderen Plätze gerückt. Früher standen dort Bekanntheit, Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Die Budgets sind enger geworden und gleichzeitig die Anforderungen an die Messbarkeit der Maßnahmen enorm gestiegen.
Ein fester Bestandteil jeden PR-Konzepts sind heute KPIs, Key Performance Indicators, also Leistungskennzahlen, welche den geplanten Erfolg und Nutzen einer Maßnahme aufzeigen. Dies gilt für alle Unternehmensbereiche – den Mechanismen der PR wird es jedoch manchmal nicht gerecht. Schließlich kann es gute interne und externe Gründe geben, warum die Medienresonanz auf einer Presse-Veranstaltung oder -Reise geringer ausfällt oder ganz ausbleibt. Manchmal kann es sogar ein Erfolg sein, wenn wir erreichen, dass nicht berichtet wird.
Die großen gesellschaftlichen Veränderungen wie Digitalisierung und Individualisierung haben auch unsere Branche geprägt. Dem Nutzungsverhalten der Konsumenten entsprechend ist die Medienlandschaft vielfältiger und zersplitterter geworden. Früher führte eine kurze Meldung über eine neue Broschüre in einem „Leitmedium“ wie einer großen Tageszeitung oder einer Frauenzeitschrift dazu, dass Körbeweise Anforderungs-Postkarten eintrafen. Heute haben gerade Tageszeitungen stark an Bedeutung verloren. Dies betrifft in besonderem Maße die Reiseseiten. Sie werden ausgedünnt, mit Ressorts wie Lifestyle zusammengelegt oder verschwinden ganz.
Gleichzeitig gibt es immer mehr Special Interest-Magazine, wie ein Blick auf die Regale eines Bahnhofskiosks eindrucksvoll zeigt. In vielen dieser Titel kommen keine klassischen Reisethemen mehr vor. Dies bedauern manche. Andererseits tun sich Chancen auf, neue Themen zu setzen – beispielsweise die Bauweisen der Hochhäuser einer Stadt für ein Architekturmagazin aufzubereiten oder eine Deutsche im Zielgebiet als Portrait in einem Magazin für junge Frauen zu inszenieren. Ich nenne dies „Reise in einem anderen Kleid“. Wir Touristik-PR-Agenturen und die Kollegen in den Pressestellen sind gefragt, über die klassische „Reise“ hinaus zu denken. Die digitalen Kanäle der traditionellen und neuen Player haben das Medienspektrum zudem erweitert. Wurden Blogger einst noch als Exoten belächelt und von Journalisten kritisch beäugt, haben sich gut gemachte Blogs heute Reichweite, Relevanz und Anerkennung verdient. Die Zusammenarbeit erfolgt zumeist wie mit Journalisten: Beide erhalten Informations-Angebote, welche sie annehmen können – oder nicht. Es fließt in der Regel kein Geld. Die Unterstützung einer Recherche-Reise ist und bleibt in beiden Welten eine Grauzone.
Viel diskutiert werden die sogenannten „Influencer“, die sich ihre Werbewirkung bezahlen lassen. So ganz neu ist auch dieses Phänomen nicht. Wenn früher Thomas Gottschalk bei „Wetten dass“ die Gummibären auf den Tisch stellte oder in einem „Tatort“ der BMW durchs Bild fuhr, nannte man das Testimonial oder Product Placement. Nicht nur in der Online-Welt verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen Redaktion und Werbung.
Zu den Gründen dafür zählen sicherlich der durch die veränderte Mediennutzung und das Abwandern von Werbegeldern gestiegene Druck auf die Verlage. Mischformen wie Advertorials oder Medien-Kooperationen mit Elementen wie Gewinnspielen haben daher an Bedeutung gewonnen. Für essenziell halte ich dabei, dass die vorgeschriebene Kennzeichnungspflicht eingehalten wird. Dies ist nicht nur im Interesse der Mediennutzer, sondern auch der Verlage selbst, soll nicht das Vertrauen in die Unabhängigkeit ihrer Medien (weiter) beschädigt werden.
Wir PR-Agenturen haben auf die Bezahl-Angebote der Verlage reagiert und unser Leistungsspektrum erweitert: Neben der klassischen Medienarbeit (Earned Media), die den Journalisten oder Multiplikatoren überzeugen will, nehmen bezahlte Kooperationen (Paid Media) mit ihren Provisionen einen immer größeren Stellen-wert ein. Auch der Bereich „Owned Media“, zu dem neben klassischen Broschüren und Newslettern jetzt Corporate Blogs und Social Media zählen, ist gewachsen. Über diese Kanäle können Organisationen mit ihren Kunden und Interessenten direkt kommunizieren. Gleichzeitig gibt es unmittelbares und offenes Feedback. Ein Shitstorm durch Leser-Briefe wäre nicht möglich gewesen. Damit umzugehen, müssen viele noch lernen.
Oft fehlt es generell an einer Strategie, welche der sozialen Medien am besten genutzt werden und wie für die Nutzer Mehrwert geschaffen wird. Gleichzeitig verändern sich Facebook, Instagram, YouTube, Twitter & Co. kontinuierlich. Es gibt immer wieder neue Funktionen, andere verschwinden. Auf dem aktuellen Stand zu bleiben, erfordert einen hohen Zeitaufwand.
Das Aufgabenspektrum einer PR-Agentur ist also facettenreicher geworden – bis hin zu 360°-Kampagnen, welche Earned, Paid und Owned Media-Elemente zusammenbringen. Dabei arbeiten wir in einer Geschwindigkeit und mit engen Deadlines, wie sie früher unvorstellbar waren. All dies hat auch die Anforderungen an die Qualifikationen und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter erhöht. Auch in unserer Branche ist der „War for Talents“ längst Realität.
Neben Handwerkszeug wie journalistischer oder SEO-optimierter Schreibe, Organisationstalent und verhandlungssicherem Englisch stehen die sozialen Kompetenzen und ein gutes Netzwerk oben auf dem Wunschzettel der Arbeitgeber. Denn dies hat sich nicht geändert: PR-Professionals haben mit Menschen und ihren Befindlichkeiten zu tun. Daher ist in unserer Arbeit zwei plus zwei nicht immer vier! Wenn der Journalist, der Kunde oder man selbst einen schlechten Tag hat, wird es vielleicht nur drei. Und mit Charme, Kreativität und etwas Glück auch fünf! Wir brauchen heute mehr denn je ein Gefühl für die Relevanz beim Empfänger, den richtigen Zeitpunkt und den passenden Ton.
Marina Noble ist seit über 30 Jahren in der Touristik-PR tätig. 1997 gründete sie die noble kommunikation GmbH. Dieses mehrfach als beste Touristik PR-Agentur ausgezeichnete Unter-nehmen führte sie rund ein Vierteljahrhundert erfolgreich. Zu Jahresbeginn hat sich Noble wohlüberlegt und geplant aus dem operativen Bereich zurückgezogen. Dafür hat sie die Gesell-schaftsanteile an die Lieb Management & Beteiligungs GmbH übertragen und Nina Kreke führt nun noble kommunikation als Geschäftsführerin. Mit marina noble consult bleibt die Kommuni-katorin der Branche als freie Beraterin verbun